Viele Sportlerinnen profitieren von den sozialen Medien. Hier können sie schnell und einfach Markennamen präsentieren und Sponsoren sichtbar machen. Gleichzeitig wird von ihnen Attraktivität und Sexyness gefordert - deshalb spielen einige Athletinnen dieses Spiel mit den sozialen Medien nicht mehr mit.
Bauchfreies Top oder langärmliger Pulli? Geschminkt oder ungeschminkt? Private Fotos oder Wettkampf-Bilder? Um Sponsorenverträge zu bekommen, scheinen die Antworten klar zu sein: Bauchfrei, geschminkt und privates Foto.
Aufforderung zu freizügiger Darstellung
"Mir wurde schon oft geraten, dass ich mich ein bisschen sexyer oder freizügiger zeigen soll, weil ich dann bessere Chancen auf Sponsoren habe und mehr Geld damit machen könnte", erzählt Cheyenne Loch. Die 26-jährige Snowboarderin, die vor wenigen Wochen verletzungsbedingt ihre Karriere beendete, hatte zwischendurch sogar ihren Instagram-Account gelöscht. Nach einer Empfehlung des Verbands dann aber wieder angelegt, um sichtbar zu sein. Sie ist auf den Ratschlag von Managern, sich freizügiger zu zeigen, nie eingegangen. "Das kam für mich überhaupt nicht in Frage." Trotzdem findet sie es grundsätzlich schade, dass so etwas überhaupt relevant ist. Scheinbar relevanter als die sportliche Leistung.
Eine exklusive SWR-Umfrage unter 719 Spitzensportlerinnen (von denen 92 Prozent eigenen Angaben zufolge auf Social Media aktiv sind) zeigt: Ein Drittel der Befragten hatte den Eindruck, Fans erwarteten von ihnen ein anderes Verhalten als von männlichen Kollegen. Ebenso viele Frauen gaben an, für ihren Erfolg spiele ihr Äußeres eine Rolle. "Mehr Aufmerksamkeit bedeutet mehr Sponsoren, bedeutet mehr Geld", schreibt eine Beachvolleyballerin. "Eine große Rolle in Bezug auf Erfolg auf Social Media (welcher eine Einnahmequelle ist, und damit zur Finanzierung beiträgt) spielt das Aussehen. Je attraktiver, desto mehr Follower, desto besser die Chancen bei Sponsoren", so eine Triathletin.
Weiblichkeit für Aufmerksamkeit
Auch Sabine Kusterer, Gewichtheberin in der deutschen Nationalmannschaft, sagt im SWR-Gespräch, sie möchte eigentlich das schwerste Gewicht heben und nicht am schönsten aussehen bei der Hebung. Den Druck von außen spürt sie aber auch immer wieder. Es werde schon gefordert, sich als Frau anders zu präsentieren als die Männer. Das betrifft in ihrer Sportart beispielsweise das Schreien bei der Hebung oder die Achselrasur. Gerade in ihrem Sport sei weibliche Schönheit etwas, das die eigentliche sportliche Leistung verdrängen kann und Aufmerksamkeit generiert. Die Leistung werde dann nur reduziert betrachtet, weil das Aussehen miteinbezogen wird. Für Sabine Kusterer ist das zu energieraubend - sie konzentriert sich lieber auf den Sport.
Sponsorenverträge sichern die finanzielle Existenz
Dass viele Sportlerinnen auf zusätzliche Einnahmen, beispielsweise von Sponsoren, angewiesen sind, wird deutlich, wenn man sich den Verdienst anschaut.
41 Prozent der Teilnehmerinnen in der SWR-Umfrage gaben ein jährliches Bruttoeinkommen von weniger als 10.000 Euro an. Lediglich 22 Prozent verdienen jährlich bis zu 30.000 Euro, 29 Prozent ließen die Frage unbeantwortet. Bei der Angabe des Einkommens sollten Einnahmen aus Werbung, Sponsoring und Preisgeldern eingerechnet werden. Umso nachvollziehbarer, wenn Sportlerinnen ihre Reichweiten vergrößern, um so Sponsorenverträge zu bekommen.
Gender-Pay-Gap im Sport "noch krasser"
Die sogenannte "Gender-Pay-Gap", also das Gehaltsgefälle zwischen Männern und Frauen, ist kein sportspezifisches Phänomen. Allerdings sagt Prof. Ilse Hartmann-Tews, Sportsoziologin an der Deutschen Sporthochschule Köln, das Gehaltsgefälle sei "im Prinzip ähnlich wie in der Gesellschaft, vielleicht aber noch krasser." Grund hierfür sei, dass der Sport noch immer eine Männerdomäne ist und die Leistungen der Frauen weniger anerkannt sind. "Wir haben auch in den Funktionärspositionen überwiegend Männer. Und da wird der Sport der Männer deutlich höher wertgeschätzt als der der Spitzensportlerinnen."
Weniger Sichtbarkeit in den Medien
Ein weiterer Grund für die geringere finanzielle Anerkennung stellt auch die Sportberichterstattung dar. Medienübergreifend sind Sportlerinnen unterrepräsentiert (Ausnahme: Olympische Spiele). Dr. Petra Tzschoppe, Vizepräsidentin und Beauftragte für Frauen und Gleichstellung beim DOSB, spricht deshalb von einer "Gender-Show-Gap" und betont, dass Frauen vor allem deshalb weniger Gelder über Prämien oder Sponsorengelder erhielten, weil sie viel weniger sichtbar seien.
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Social Media-Fluch: Sexismus und Stalking
Der Preis für ihre Sichtbarkeit und mögliche Einnahmen durch Social Media ist hoch: 30 Prozent der Befragten in der SWR-Umfrage nahmen Sportlerinnen im Rahmen von Werbemaßnahmen als stark sexualisiert dargestellt wahr.
40 Prozent der auf Social Media aktiven Teilnehmerinnen haben in der SWR-Umfrage angegeben, dort schon Sexismus erlebt zu haben. 19 Prozent berichten von Stalking, ebenfalls 19 Prozent von Anfeindungen oder Beschimpfungen.
Alle Sportlerinnen betonen in den SWR-Gesprächen, dass es jede einzelne Athletin für sich entscheiden müsse, wie sie sich in den sozialen Medien darstellen möchte. Für viele ist es eine schwierige Gratwanderung zwischen Leistung und Attraktivität, zwischen Intimität und Sponsoren und zwischen Fluch und Segen.
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