Vollzeit leben im Camper-Van

Stand
Autor/in
Rieke Spang
Rieke Spang
Ein Film von
Frederik Dietz (Kamera)
Anne Wietis (Ton)
Andreas Hebenstreit (Schnitt)

Praktisch muss es sein und funktionieren. Das war Chris beim Ausbau seines Fiat Ducato 244 zum Camper-Van am wichtigsten.

Vor knapp zwei Jahren entschied sich der gelernte Industriemechaniker, komplett in seinen Van „Toni“ zu ziehen. Toni hat seinen Namen von Marvels „Iron Man“ Anthony Stark. Schon bevor er zu Chris‘ Zuhause wurde, waren die beiden einen Monat lang gemeinsam auf einer Reise durch den Balkan. Da hat Chris gemerkt, dass sein Ausbau funktioniert und dass er sich vorstellen könnte, auch komplett in seinem Bus zu leben.

Vorher "normales Leben" in eigenem Haus gewohnt

Vor seinem ersten Vanlife-Treffen war das für ihn kaum vorstellbar. Mit seiner Freundin lebte er damals in einem dreistöckigen Haus mit Garten. Schicke Klamotten und dicke Musikboxen waren ihm damals wichtig. Das hat sich gewandelt. Auch deshalb nennt er sich auf Instagram „Vandelbar“. Nach der Trennung in eine teure 1-Zimmer-Wohnung zu ziehen, kam für ihn nicht in Frage.

Vom Leben im Überfluss zum Minimalismus

Deshalb lebt Chris heute auf knapp sechs Quadratmetern. Seine Kleidung passt bis auf die Jacken in einen kleinen Hängeschrank über seinem Bett. Sein gesamter Besitz passt in seinen Bus. Nur eine Kiste mit persönlichen Erinnerungen steht noch bei seiner Mutter, wo er auch offiziell gemeldet ist. Wer sich für ein Leben im Camper-Van entscheidet, entscheidet sich auch für Minimalismus. „Ich habe dadurch das Leben ganz anders schätzen gelernt. Das entschleunigt einen, weil ich gar nicht so viele Dinge habe, auf die ich achtgeben muss. Ich kann mich wirklich auf mich und mein Leben konzentrieren.“

Dauerhaftes Wohnen im Camper

Auch wenn Vieles zunächst kompliziert und mühsam wirkt, es ist nur eine Frage der Organisation, meint Chris. So nutzt er beispielsweise die Zeit im Waschsalon für seinen Einkauf. Auch fürs Putzen braucht er deutlich weniger Zeit als früher. Dafür muss er sich umorganisieren: nur kleine Mengen einkaufen und sparsam mit Wasser umgehen. Mit nur 20 Litern kommt Chris knapp eine Woche lang aus. Das reicht in einem normalen Haushalt gerade mal für zwei bis drei Toilettengänge. Chris nutzt stattdessen eine Trockentrenntoilette mit biologisch abbaubaren Müllbeuteln und saugfähigem Hamsterstreu gegen den Geruch.

Nachhaltig und autark leben im Van

Weil ihm Nachhaltigkeit wichtig ist, produziert er seinen Strom mit einer Solaranlage komplett selbst. Er ist damit völlig autark und hat in den zwei Jahren noch nie Strom von außen gezapft. Seine 200-Ah-Lithium-Batterie reicht auch für eher dekadente Gimmicks wie seinen 230-Volt-Toaster oder sein Induktionskochfeld. Und wenn die Sonne nicht scheint, lädt er die Batterie zusätzlich über einen Lade-Booster während der Fahrt auf. So kann auch im Winter die Standheizung durchlaufen. Die ist über ein Modem mit dem WLAN im Van verbunden und kann über das Smartphone von überall angeschaltet werden.

Funktionalität vor Optik

Ein bisschen Technik-Luxus gönnt sich Chris gerne. Dafür ist die Optik bei ihm eher zweitrangig „Ich bin einfach ein Freund davon: bau erstmal, sei damit unterwegs und schau ob‘s funktioniert, statt alles schick zu verkleiden und es dann hinterher womöglich wieder rausreißen zu müssen.“ Und auch Funktionalität ist ihm wichtig. „Ich versuche allem im Van zwei Funktionen zu geben, so hat man schon 50% Platz gespart.“ Sein Handtuchhalter ist deshalb gleichzeitig Wäscheständer und Sichtschutz, bzw. Durchgangstür zur Fahrerkabine. Als ressourcenschonender „Busbastler“ benutzt Chris oft Material, das er noch übrighatte oder Dinge, die er durch Upcycling umfunktioniert. Alles in allem kommt er so mit knapp 250 Euro Fixkosten im Monat aus. Inklusive KFZ-Steuer, Versicherung und Sprit.

Chris lebt dort, wo er arbeitet

Mit dem schicken und glamourösen Vanlife von Instagram hat Chris‘ Leben allerdings nicht allzu viel gemeinsam. Er wohnt wenig imposant hinter einer Gewerbe-Halle in Neufra, ganz in der Nähe seines Heimatortes auf der Schwäbischen Alb. Dort ist seine „Base“. „Real Vanlife, also Vollzeit Leben im Van bedeutet für mich, dort zu wohnen, wo ich gerade arbeite.“ Anders als manch einer aus der Vanlife-Community sucht sich Chris abends keinen idyllischen Parkplatz mit Sonnenuntergang am See. Dennoch bedeutet ihm die „Vanlife-Familie“ viel. „Ich liebe diese Leute, wir ticken alle gleich. Ich habe durch diese ganze Vanlife-Community mein Leben gewandelt.“

Einen klaren Nachteil sieht Chris aber schon beim Leben im Van: Bei einem Unfall oder Diebstahl wäre sein Zuhause und sein gesamtes Hab und Gut weg. Deshalb passt er gut auf den 17 Jahre alten Toni auf. Wie lang er ihm noch treu sein wird, weiß er nicht. Aber auch Chris will sich nicht festlegen, für immer in einem Camper-Van zu leben. „Ich mache das jetzt, aber wenn ich merke, das passt nicht mehr, dann erfinde ich mich eben neu.“

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