Ökonomie

Ist Wirtschaftswachstum gleichzusetzen mit Wohlstand?

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AUTOR/IN
Jutta Kaiser
Bild von Jutta Kaiser aus der SWR-Wirtschaftsredaktion.

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Wirtschaftswachstum bedeutet: Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) steigt. Wie das gemessen wird, haben wir schon geklärt. Nun misst das Bruttoinlandsprodukt zwar die ökonomische Leistung eines Landes. Aber das heißt nicht, dass ein wachsendes BIP ein Gradmesser dafür ist, wie gut es einer Gesellschaft geht. Denn die Wirtschaftsleistung kann auch durch Katastrophen angekurbelt werden – zum Beispiel, wenn Stürme Häuser zerstören und sie deswegen neu gebaut werden müssen. Auch Kriminalität trägt zu einem wachsenden BIP bei, weil Polizeieinsätze Geld kosten und in die Rechnung einfließen. Und Umweltschützer kritisieren, dass es für das Bruttoinlandsprodukt keinen Unterschied macht, ob durch die Produktion von Waren die Umwelt geschädigt wird.

Das BIP ist eine komplexe Rechnung ohne Bewertung von Gut und Böse, wenn man so will. Trotzdem werden die Daten unter anderem von der Politik genutzt, um den Wohlstand einer Nation zu bewerten. Dafür wird das Durchschnittseinkommen pro Kopf genommen, mit dem sich die Situation verschiedener Länder vergleichen lässt. Das BIP sagt allerdings nichts darüber aus, wie gerecht das Einkommen über die Menschen verteilt ist. 

Zusammengefasst: Es gibt viele Gründe, das Bruttoinlandsprodukt oder die Schlüsse, die manche daraus ziehen, kritisch zu sehen.

Warum ist das BIP dann überhaupt eine so wichtige Größe? 

Das liegt daran, dass wir keine bessere Datengrundlage haben als das Bruttoinlandsprodukt. Zufriedenheit, Sicherheit und andere Faktoren, die beim Thema Wohlstand eine Rolle spielen, lassen sich nicht objektiv messen.

Die Konjunkturdaten haben zwar auch einen Unsicherheitsfaktor, aber der ist deutlich geringer. Außerdem werden die Daten für das BIP regelmäßig erhoben, alle drei Monate. Die Politik oder auch Unternehmen können die Quartale miteinander vergleichen, bewerten und handeln.

Und die nackten Zahlen spielen eben auch eine wichtige Rolle – zum Beispiel, wenn es darum geht, einzuschätzen, wie viele Schulden ein Land aufnehmen und auch wieder zurückzahlen kann.

Wenn man die Nachrichten verfolgt, hat man oft den Eindruck, das Bruttoinlandsprodukt müsste immer weiter wachsen – und wenn das mal nicht klappt, ist die Politik direkt in Alarmstimmung. Aber hier in Deutschland geht es uns doch gut – muss die Wirtschaft dann überhaupt noch wachsen? Würde es nicht reichen, wenn sie stagniert?

Rein theoretisch ist eine Volkswirtschaft vorstellbar, in der dauerhaft alles gleichbleibt: Die Menschen in einem Land arbeiten immer gleich viel und stellen gleich viel her. Aber: Zum einen gibt es einen technischen Fortschritt, der es erlaubt, mehr zu produzieren. Auf Wachstum zu verzichten würde also bedeuten, dass wir entweder auf technischen Fortschritt verzichten oder dass die Bevölkerung weniger arbeitet. Jetzt ist Deutschland aber nicht allein auf der Welt und wenn alle anderen Länder auf Wachstum setzen, wir aber nicht, dann würden wir schnell abgehängt werden – zum Beispiel was Forschung und Innovationen angeht. Das würde wiederum Arbeitsplätze und damit auch Wohlstand gefährden.

Kommt eine Volkswirtschaft unfreiwillig ins Nullwachstum, dann nennt man das eine statische Wirtschaft. Es gibt aber auch eine Bewegung, die diesen Zustand bewusst herbeiführen will: Das heißt dann Postwachstumsökonomie.

Die Befürworter davon räumen aber auch ein: Dafür müssten wir unser Leben ganz schön umkrempeln: Nur noch 20 Stunden arbeiten statt 40 und in der restlichen Zeit selbst Obst und Gemüse anbauen, Gegenstände tauschen und reparieren und auch auf vieles verzichten. Nur, würde das wirklich funktionieren – wenn alle mitmachen?

Viele Ökonomen haben daran ihre Zweifel: Wenn die Menschen weniger arbeiten, zahlen sie weniger Steuern – dann hat auch der Staat weniger Geld für Schulen, die Verwaltung und auch für Sozialleistungen und die gesetzliche Rente.

Global gesehen kommt dazu: Die Weltbevölkerung wächst und sie kann nur versorgt werden, wenn weltweit mehr Lebensmittel und Waren produziert werden. Deshalb: Auch wenn es in Deutschland Befürworter einer Postwachstumsökonomie gibt – für arme Länder mit starkem Bevölkerungswachstum ist das keine Option.

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