13.11.1950

Südwestdeutsche Länderchefs einigen sich auf Volksabstimmung

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SWR2 Archivradio
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Gábor Paál
Gábor Paál

70 Jahre Baden-Württemberg 

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Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern für den Südweststaat

Für oder gegen einen Südweststaat? Die Stimmung ist unterschiedlich in den südwestdeutschen Ländern. Die Menschen in Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern haben sich in der Volksbefragung im September 1950 mehrheitlich dafür ausgesprochen, einen gemeinsamen Südweststaat zu schaffen. Doch im Land Baden ist die Mehrheit dagegen.

Grundgesetz enthält einen Artikel extra für den Südwesten

Um zu überlegen, wie sie aus dieser Situation herauskommen, kommen die Landeschefs nach der Volksbefragung mehrmals zusammen. Bei den Treffen spielt ein Kuriosum des damals noch jungen deutschen Grundgesetzes eine Rolle: Ins Grundgesetz wurde nämlich ein Artikel extra für den Südwesten aufgenommen. In diesem Artikel 118 heißt es bis heute:

„Die Neugliederung in dem die Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern umfassenden Gebiete kann […] durch Vereinbarung der beteiligten Länder erfolgen.“

Die Länder können allerdings nichts vereinbaren, weil sie sich nicht einig sind. Aber der Artikel im Grundgesetz geht noch weiter, im nächsten Satz heißt es:

„Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so wird die Neugliederung durch Bundesgesetz geregelt, das eine Volksbefragung vorsehen muss.“

Länder machen der Bundesregierung Gesetzesvorschlag

Das ist das Thema dieser Treffen im Herbst 1950, die zum erwartbaren Ergebnis kommen: Die Länder machen der Bundesregierung einen Gesetzesvorschlag, der auch eine Volksabstimmung vorsieht, sodass binnen eines Jahres endlich eine Entscheidung herbeigeführt werden kann.

Gebhard Müller federführend aktiv

Interessant in dem Zusammenhang: Die diplomatische Federführung in der Entwicklung liegt vor allem bei Gebhard Müller, Staatspräsident des Landes Württemberg-Hohenzoller. Er war derjenige, der sich für den Südwest-Artikel im Grundgesetz stark machte, er hatte die informelle Volksbefragung angeregt und er ist nun derjenige, der bei der Pressekonferenz nach dem letzten Spitzentreffen am 13. November 1950 in Baden-Baden als erster spricht – von sich übrigens in der 3. Person.

Wie wird abgestimmt, wie ausgezählt?

In diesen Aufnahmen klingt es so, als würden sich die Länder zumindest auf ein gemeinsames Verfahren zur Abstimmung einigen können. Doch die Wirklichkeit sieht bald anders aus. Denn Abstimmungsergebnisse kann man beeinflussen, je nachdem, wie genau abgestimmt und wie ausgezählt wird. Genau darüber wird ab jetzt weiter gestritten – ein Kampf, der ein Jahr später vor dem neu geschaffenen Bundesverfassungsgericht landet.

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4.10.1951 Die Südwest-Länder vor dem Bundesverfassungsgericht

4.10.1951 | Eine Volksabstimmung sollte entscheiden, ob die drei Südwestländer Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern sich zu einem Bundesland vereinigen oder ob die alten Länder Baden und Württemberg wieder hergestellt werden. Darüber waren sich alle Beteiligten einig.
Nicht einig waren sie sich, wie die Abstimmung laufen sollte. Ursprünglich war geplant, dass auf den Gebieten der alten Länder Baden und Württemberg getrennt ausgezählt wird. Dann wäre es möglicherweise unentschieden ausgegangen. Allerdings wurden die Gesetze im Bund gemacht, und dort hatten CDU-Abgeordnete ein anderes Auszählungsverfahren durchgesetzt: Die Stimmen sollten jeweils in den vier Bezirken Nord-Württemberg, Nord-Baden, Süd-Württemberg und Süd-Baden ausgezählt werden. Das verbesserte die Chancen für den Südweststaat erheblich.
Das entsprach aber nicht den badischen Interessen, weshalb das Land Baden dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht klagte. Denn der Präsident des Landes Baden, Leo Wohleb, war der Auffassung, dass rechtlich gesehen die alten Länder Baden und Württemberg noch immer existieren und das Land Baden somit auch die Nordbadener mitvertritt.
Das Bundesverfassungsgericht war eine Woche zuvor erst feierlich eröffnet worden, insofern war es eine der ersten Entscheidungen, die die Karlsruher Richter zu treffen hatten. Die Klage der Badener haben sie abgewiesen. Erhalten sind von jenem Tag die Schlussworte der jeweiligen Länderchefs, die trotz ihrer Meinungsunterschiede noch einmal betonen, wie sehr sie freundlich miteinander verbunden sind.

25.4.1952 Der Südweststaat wird gegründet – Schwarzer Freitag für die CDU

25.4.1952 | Ein knappes halbes Jahr ist vergangen seit der Volksabstimmung für den Südweststaat. Damit er verwirklicht werden kann, wird eine verfassungsgebende Landesversammlung ins Leben gerufen. Auf der vierten Sitzung am 25. April 1952 wird der liberale Reinhold Maier zum Ministerpräsidenten gewählt. Im Anschluss erklärt er offiziell die Vereinigung der drei vorherigen Länder zu einem Südweststaat und ernennt sein Kabinett.
Die CDU kommt darin nicht vor: Obwohl stärkste Partei, landet sie unerwartet in der Opposition. In der anschließenden turbulenten Aussprache kündigt die CDU schärfsten Widerstand an.
Reporter dieses Ereignisses ist der spätere Intendant des Süddeutschen Rundfunks Hans Bausch.
Die Regierung unter Reinhold Maier ist eine provisorische. Maier wird bei den Bundestagswahlen im kommenden Jahr abgestraft und muss den Posten des Ministerpräsidenten für Gebhard Müller räumen. Die Arbeit der Verfassunggebenden Versammlung geht weiter. Denn noch hat das neue Bundesland keinen endgültigen Namen. Niemand will, dass es auf Dauer „Südweststaat“ heißt. Aber die endgültige Entscheidung darüber fällt erst anderthalb Jahre später.

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