18.1.1949

Gleichberechtigung im Grundgesetz – dank Elisabeth Selbert

Stand
AUTOR/IN
Archivradio
MODERATOR/IN
Gábor Paál
Gábor Paál

"Männer und Frauen sind gleichberechtigt" – Im Januar 1949 wird dieser Artikel in den Entwurf für das neue Grundgesetz der Bundesrepublik aufgenommen. Dies ist vor allem das Verdienst der Sozialdemokratin Elisabeth Selbert.

Audio herunterladen (8,1 MB | MP3)

Unmittelbar nach der Aufnahme des Artikels in die neue Verfassung äußert sich Selbert in einer Rundfunkansprache. Sie nennt die Entscheidung "historisch" – und weil Sie die Reaktionen im männlichen Publikum erahnt, fügt sie hinzu: "Lächeln Sie nicht!"

Gleichberechtigung bereits in der Weimarer Verfassung Thema

Elisabeth Selbert (1896 - 1986) engagierte sich schon 1920 als Delegierte der Reichsfrauenkonferenz für die Gleichberechtigung. In der Weimarer Verfassung stand bereits:

Männer und Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

Elisabeth Selbert setzt sich 1949 durch

Doch dieser Satz reduziert die Gleichberechtigung auf staatsbürgerliche Akte wie Wahlen. Elisabeth Selbert geht das nicht weit genug, sie setzt den schlichten Satz in Artikel 3 durch:

Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Das Grundgesetz wird 1994 um einen weiteren Satz ergänzt

1994 kommt es zu einer Grundgesetzänderung. Der Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" wird ergänzt um einen zweiten Satz, mit dem Wortlaut:

Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

Parlamentarischer Rat und Grundgesetz

25.8.1948 Vorbereitungen für Parlamentarischen Rat – Reportage aus Museum Koenig in Bonn

25.8.1948 | Die konkreten Vorbereitungen für die Schaffung des deutschen Grundgesetzes begannen im August 1948 auf dem Verfassungskonvent in Herrenchiemsee. 30 Experten aus Justiz und Politik schrieben dort einen ersten Entwurf für eine Verfassung.
Dieser Entwurf diente als Grundlage für den Parlamentarischen Rat, der kurz darauf seine Arbeit aufnahm. Und zwar in Bonn – nicht in Frankfurt oder Karlsruhe, die ebenfalls Interesse signalisiert hatten.
Die Entscheidung für Bonn fiel erst Mitte August 1948, und Anfang September sollte es ja schon losgehen. Nun gab es im Nachkriegs-Bonn noch nicht so viele Gebäude, die geeignet gewesen wären, über mehrere Monate den Parlamentarischen Rat zu beherbergen. Er bestand immerhin aus 65 Mitgliedern, die jeweils von den Länderparlamenten gewählt und entsandt wurden.
Die Wahl des konkreten Orts fiel auf ein Museum, das Zoologische Museum Alexander Koenig, was, wie man sich vorstellen kann, der Versammlung, die das Grundgesetz ausarbeiten sollte, einen besonderen Charme gab.
Reporter Hans Jesse beschreibt die Vorbereitungen in seiner Reportage vom 25. August 1948.

20.10.1948 Carlo Schmid will starke Präambel im Grundgesetz

20.10.1948 | Das Grundgesetz wurde 1949 "Grundgesetz" genannt, weil es nicht "Verfassung" heißen sollte. Mit dem Wort "Grundgesetz" sollte die Vorläufigkeit des Regelwerks unterstrichen werden, angesichts der deutschen Teilung. Und in der Präambel, die den Artikeln vorangestellt wurde, war dies ebenfalls das zentrale Motiv. Dort heißt es:
„Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das Deutsche Volk in den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, um dem staatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neue Ordnung zu geben, kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war.
Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“
Über die Präambel diskutierte der Parlamentarische Rat auch in seiner 6. Sitzung am 20. Oktober 1948. Dort plädierte der Staatsrechtler und Sozialdemokrat Carlo Schmid dafür, dass die Präambel wirklich explizit sagen soll: Warum dieses Grundgesetz? Was soll es sein und was nicht? Und: Was bleibt dem deutschen Volk "zu tun noch aufgegeben"?
Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde der zweite Teil der Präambel angepasst. Dort heißt es nun:
"Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk."

10.5.1949 Parlamentarischer Rat stimmt knapp für Bonn als vorläufige Hauptstadt

10.5.1949 | Nach der Zustimmung zum Grundgesetz am 8. Mai 1949 stimmt der Parlamentarische Rat zwei Tage später in seiner 11. Sitzung noch über die Hauptstadtfrage ab – über den, wie es hieß, "vorläufigen Sitz der Bundesorgane".
Zur Abstimmung stehen Frankfurt am Main und Bonn. Frankfurt hatte sich gute Chancen ausgerechnet und schon einen Plenarsaal bauen lassen. Auch die SPD war für Frankfurt sowie einige CDU-Delegierte. Konrad Adenauer gelang es jedoch, die CDU zu einen und so eine Mehrheit für Bonn zu erreichen.
Bevor es zur Abstimmung kommt, kommt es noch mal zu einer Diskussion. Die SPD möchte eine geheime Abstimmung und setzt sich damit durch.
Der FDP-Politiker Hermann Schäfer erläutert aus seiner Sicht, worum es geht: Nicht um ein politisches Signal, nicht darum, einer Stadt oder einem Land eine Auszeichnung zu verleihen. Sondern wer Hauptstadt wird, habe auch entsprechende Verpflichtungen.
Die Sitzung wird live im Rundfunk übertragen.
Chronologie:
(01:05) Hans Jesse: Einleitender Bericht vor dem Beginn der Plenarsitzung
(03:50) Konrad Adenauer, Präsident des Parlamentarischen Rates, eröffnet die Sitzung
(04:15) Bezugnehmend auf die Wahl des vorläufigen Sitzes der Bundesorgane beantragt Otto Greve (SPD) die Änderung der Geschäftsordnung mit dem Wortlaut "Geheime Abstimmung kann bis zur Eröffnung der Abstimmung beschlossen werden, wenn sie von zehn Mitgliedern beantrag wird." Begründung des Antrags.
(05:15) Max Reimann (KPD) erhebt Einspruch gegen den Antrag von der SPD-Fraktion. Begründung. "Ich bin der Auffassung, dass jeder Abgeordnete frei hier vor der Öffentlichkeit zeigen soll, wie er steht."
(06:15) Konrad Adenauer führt die Abstimmung über den Antrag der SPD durch. Der Antrag wird angenommen. Durchführung der Abstimmung über das Wahlgesetz zum Ersten Bundestag. Reporterbericht während der Abstimmung. Ankündigung des Tagesordnungspunktes 3: Wahl des vorläufigen Sitzes der Bundesorgane.
(07:30) Hermann Schäfer (FDP), Berichterstattung des Ausschusses zur Wahl der Bundeshauptstadt: Die Frage nach dem Sitz der Bundesorgane sollte nicht überbewertet werden. Der Ausschuss hat die Aufgabe unter reinen Nützlichkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten betrachtet und nicht unter politischen. Der Ausschuss unterbreitet zwei Vorschläge für die Wahl des vorläufigen Bundessitzes: Bonn oder Frankfurt
(12:50) Heinrich von Brentano stellt den Antrag, über einen Antrag von Heinz Renner (KPD, MdPR) nicht abzustimmen. Kritik an der Kommunistischen Fraktion
(13:50) Konrad Adenauer ruft den protestierenden Abgeordneten Heinz Renner zur Ordnung: "Ich bitte Sie jetzt, sich der Ordnung des Hauses zu fügen. Sie haben eben genau die Ordnungsrufe dosiert. Der dritte ist fällig." Abstimmung über den Antrag von Heinrich von Brentano; Annahme. Übergang zur Geschäftsordnung; Beschreibung des Vorganges der geheimen Abstimmung
(16:40) Reporterbericht während der Zettelabgabe
(20:20) Auszählung der Stimmzettel
(25:35) Konrad Adenauer: "Ich bitte die Zuhörer, jedes Zeichen des Missfallens und des Beifalls zu unterlassen. Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes: Es waren abgegeben 63 Stimmzettel. Davon war einer unbeschrieben, also ungültig, sodass 62 gültige Stimmzettel abgegeben waren. Die absolute Mehrheit beträgt demnach 32. Es haben erhalten: Bonn 33, Frankfurt 29.
(26:15) Lebhafter Beifall; Glocke des Präsidenten.

75 Jahre Grundgesetz Unser Grundgesetz – In guter Verfassung für die Zukunft?

Zum 75. Geburtstag wird das Grundgesetz als Vorbild gewürdigt. Doch auch eine gute Verfassung muss angepasst werden an gesellschaftliche und politische Veränderungen.

Das Wissen SWR Kultur

70 Jahre Grundgesetz Wie Rheinland-Pfalz die Verfassung prägte

Das junge Land Rheinland-Pfalz spielte 1948/49 eine wichtige Rolle für das Grundgesetz. Ministerpräsident Altmeier und Verfassungsexperte Süsterhenn waren entscheidende Akteure.

Frauenbewegung

Archivradio-Gespräch Die Frauenbewegung – Vom Wahlrecht bis zur feministischen Außenpolitik

Schon vor mehr als 100 Jahren kämpften Frauen für ihre Rechte. Historische Tonaufnahmen belegen: Sie hatten dabei keineswegs nur konservative Männer gegen sich.

SWR2 Wissen: Archivradio SWR2