Es war ursprünglich als „kleines Konzert“, als „Concertino“ gedacht. Aber in den Jahren, in denen Prokofjew daran arbeitet, wächst es sich zu einem fast halbstündigen, dreisätzigen Violinkonzert aus. Es strahlt, ähnlich wie die „Symphonie Classique“, die Prokofjew zur gleichen Zeit komponiert, Heiterkeit aus.
Inspiriert von der Wiener Klassik
Prokofjew ist 26, als er sein 1. Violinkonzert vollendet. Er komponiert große Teile auf dem Gut Sonzowka, das seine Eltern verwalten. Damals gehört es zum Russischen Kaiserreich, heute liegt es in der umkämpften Region Donezk in der Ukraine.
Es sind unbeschwerte Tage und das Werk atmet auch, wie Prokofjews „Symphonie Classique“, den Geist der Wiener Klassik. Prokofjew selbst nennt es ein „lyrisches“ Werk.
„Sognando“ – „verträumt“
Die Geige spielt gleich zu Beginn eine ätherische Melodie über dem Tremolo der Bratschen. In der Partitur notiert Prokofjew „verträumt“ und „sehr leise“. Angeblich hat ihn eine Liebesaffäre zu diesem Thema angeregt.
Der Mittelsatz ist dann kein langsamer Satz, sondern ein flirrendes Scherzo. Nur knappe vier Minuten, die Violine rast förmlich durch den Satz, er schäumt über vor Vitalität. Der 3. Satz hält Rückschau und erinnert an die Welt der ersten beiden Sätze.
Das Konzert hat allerdings ein Problem: Keiner will die Uraufführung spielen.
Weit und breit kein Solist
1917, in dem Jahr, in dem das Konzert vollendet wird, beginnt in Russland die Oktoberrevolution. An eine Uraufführung ist erstmal nicht zu denken. Erst nachdem sich Prokofjew, 1923, bis auf weiteres in Paris niederlässt, geht er das Projekt an.
Allein: es fehlt jemand, der es aufführen will. Mit Paul Kochanski, der Prokofjew beim Violinpart beraten hat, hat Prokofjew keinen Kontakt mehr, Nathan Milstein ist in Russland, vielen ist der Solopart zu kompliziert und sentimental.
Letztendlich spielt ihn der Konzertmeister des Pariser Opernorchesters Marcel Darrieux.
Die Pariser Uraufführung floppt
Der Grund dafür, dass keiner sich recht anfreunden kann mit dem Konzert, liegt auf der Hand: Paris erwartet von moderner Musik eine Schockwirkung.
Man hat sich inzwischen an die provokanten Töne eines Strawinsky gewöhnt. Und im gleichen Konzert der Uraufführung hat auch das Bläseroktett von Igor Strawinsky Premiere und wird sogar vom Komponisten höchstpersönlich dirigiert.
Mit sowas kann Prokofjew nicht aufwarten. Wie die Zeiten sich ändern: Längst zählt Prokofjews erstes Violinkonzert zur Grundausstattung großer Geigenvirtuos:innen.
Sergey Malov
Sergey Malov stammt aus St. Petersburg und ist ein Multitalent. Er spielt Geige, Bratsche, Barockvioline und das „Violoncello da spalla“, ein kleineres, 5-saitiges Cello, das man auf der Schulter spielt, alle gleichermaßen virtuos und mit großem Erfolg.
Davon sprechen die vielen hochkarätigen Preise, wie etwa der beim ARD Wettbewerb in München, den er mit der Bratsche gewann. Seine Internetauftritte mit dem „Schulter-Cello“ sind millionenfach angeklickt.
Seit 2017 ist Sergey Malov Professor an der Zürcher Musikhochschule.
Musikstück der Woche Boris Giltburg spielt Prokofjews 4 Etüden op. 2
Will man einen großartigen Prokofjew hören – mit das Schwierigste, was es in der Klavierliteratur gibt – dann kommt man an Boris Giltburg nicht vorbei. Er spielt ihn virtuos, aber er mag auch Prokofjews Fantasie und „geistsprühenden Humor“. Von dem konnten sich auch schon Zeitgenossen überzeugen.