Es gibt sie, die Bücher, die die Welt erschütterten. Provokante Texte, die direkt nach ihrem Erscheinen auf dem Index landeten. Die Reizthemen sind oft ähnlich: Gewalt, Drogen, Pornographie und Blasphemie.
Interessant ist, wie anders einst umstrittene Texte heute gelesen werden.
Das Lesen lohnt sich
Die SWR Kultur Literaturredaktion durchstöberte ihre Regale nach Büchern, die Skandale verursachten, beim Lesen erschüttern oder sich an den Grenzen des Ertragbaren entlang hangeln. Dabei trugen sie diese Titel zusammen:
- Salman Rushdie – Die satanischen Verse
- Arthur Schnitzler – Reigen
- Benoîte Groult – Salz auf unserer Haut
- Franz Kafka – In der Strafkolonie
- Bret Easton Ellis – American Psycho
- Vladimir Nabokov – Lolita
- Janne Teller – Nichts. Was im Leben wichtig ist
Die Lektüren mögen sich zwar in vielen Punkten stark unterscheiden, allerdings haben sie eines definitiv gemeinsam:
Das Lesen lohnt sich. Literarisch und ästhetisch haben diese Bücher, über die heftig diskutiert wurde, viel zu bieten.
Ein Autor in Lebensgefahr: Salman Rushdie
Kaum eine andere Veröffentlichung der letzten Jahre, hatte solch fatale Folgen für den Verfasser wie für den britsch-indischen Sir Salman Rushdie. 1988 erschien sein bis heute umstrittenes Buch „Die satanischen Verse“. Der damalige iranische Religionsführer Ayatollah Ruhollah Khomeini erließ wegen angeblicher Beleidigung des Propheten Mohammed eine Fatwa zur Tötung Rushdies.
Jahrelang war Rushdie auf Polizeischutz angewiesen. Am 12. August 2022 wurde er bei einer Konferenz im US-Bundesstaat New York bei einem Messerattentat schwer verletzt und überlebte nur knapp.
In seinem neusten Buch „Knife“ schreibt der 76-Jährige über die Attacke.
Redaktionsleiter der Literatur Frank Hertweck hat Rushdies kontroverses Buch nochmal gelesen.
Zum Tode verurteilt: Salman Rushdie – Die satanischen Verse
Dass ein Roman aber nicht nur sein Publikum schockieren, sondern zur Gefahr für Leib und Leben werden kann, beweist Salman Rushdies „Die Satanischen Verse“. Die viel diskutierte Passage ist die Beschreibung eines Traums, in dem es um die Entstehung des Korans geht.
Der Roman ist eine literarische Komödie, die sich in eine reale Tragödie verwandelt hat, urteilt Frank Hertweck.
Nackte Tatsachen: Arthur Schnitzler – Reigen
Redaktionspraktikantin Charlotte Prestel hat Arthur Schnitzlers Bühnenstück „Reigen“ nochmal zur Hand genommen. Es sorgte 1920 in Berlin für einen der größten Theaterskandale des 20. Jahrhunderts, inklusive Aufführungsverbot.
Heute würde der Text, in dem sich Paare aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten auf der Bühne über Sex unterhalten, wohl kaum noch schockieren.
Ein sexy Bestseller: Benoîte Groult – Salz auf unserer Haut
Und auch die Sexszenen in Benoite Groults „Salz auf unserer Haut“ können heute wohl nicht mehr schockieren. Literaturredakteurin Theresa Hübner jedenfalls bekommt beim Lesen keine roten Wangen mehr, freut sich aber über diesen Klassiker der feministischen Literatur.
Ein Horrorschocker mit Deutungsvielfalt: Franz Kafka – In der Strafkolonie
Ist das heutige Publikum vielleicht einfach abgebrühter? Bei einer berühmt gewordenen öffentlichen Lesung von Frank Kafkas „In der Strafkolonie“, fielen die Zuhörer:innen in Ohnmacht, im Kafkajahr 2024 ist damit eher nicht zu rechnen.
Daher empfiehlt Literaturredakteurin Nina Wolf diesen umstrittenen Klassiker. Themen wie: Ohnmacht durch Technik, bürokratische Überforderung und Kriegsgewalt sind im Digitalen Zeitalter alltäglich geworden.
Ein sexbesessener Serienmörder: Bret Easton Ellis – American Psycho
Anja Höfer erinnert sich daran, wie sie Bret Easton Ellis „American Psycho“ in den 80er Jahren verschlungen hat. Patrick Bateman, das mordende Monster im teuren Designeranzug wirkte auf sie wie der brutale Abgesang auf die Oberflächlichkeiten der 80er Jahre.
Heute wie damals, sagt Anja, ist der Roman eine düstere Gesellschaftssatire, die uns allen den Spiegel vorhält. Kontrovers, aber hochaktuell.
Unumstritten abscheulich: Vladimir Nabokov – Lolita
Redakteur Alexander Wasner hat eines der bekanntesten Skandalbücher der letzten Jahrzehnte aus dem Bücherregal gezogen. Vladimir Nabokovs „Lolita“ ist für ihn ein schlauer Roman, in dem sich das Monster am Ende selbst demontiert.
Aber Vorsicht, schauen Sie lieber nicht den Kinofilm von Stanley Kubrick, der ist höchstens mittelmäßig.
Angst und Existenzialismus: Janne Teller – Nichts. Was im Leben wichtig ist
Für heftige Diskussionen sorgte auch der Jugendroman „Nichts. Was im Leben wichtig ist“, der dänischen Autorin Janne Teller. Nach seinem Erscheinen im Jahr 2000 war das Buch an einigen dänischen Schulen verboten, zu groß war die Sorge, dass die nihilistischen Thesen darin Heranwachsende verstören könnten.
So umstritten kann „nichts“ sein.