Krieg in Nahost

„Grausame Zeiten im Land“ – Ofer Waldman über Israel in Zeiten des Hamas-Terrors

Stand
Interview
Doris Maull

Vier Monate nach dem Terrorangriff der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung hat der Krieg das Land fest in seinem Griff. Der Autor und Musiker Ofer Waldman, langjähriger Hornist des West-Eastern Divan Orchestra, berichtet im Gespräch mit SWR2 über die Atmosphäre in Israel in einer Zeit, in der die Hoffnung auf Geiselfreilassungen schwindet.

Der Krieg frisst alle, die ihn spüren

„Der 7. Oktober meldet sich nach wie vor“, so formuliert es Ofer Waldman: „Durch die Klänge der Kampfjets, durch die Fragen meiner Kinder, die Bilder der Geiseln, die an jeder Ecke hängen, und durch die Todesanzeigen, die man überall sieht.“

Im Blog „Gleichzeit“ der Klassik Stiftung Weimar versucht Ofer Waldman zusammen mit der Autorin Sasha Marianna Salzmann die Ereignisse literarisch zu verarbeiten. An einer Stelle heißt es: „Man glaubt immer, der Krieg frisst die Menschen nur da, wo er stattfindet, aber er frisst sie alle, die ihn spüren (auch mich).“

Das sei ein Gefühl, beschreibt Waldman, „dass die eigene Welt zusammenschrumpft, dass die Wahrnehmung sich nur auf das unbedingt Unmittelbare beschränkt.“ Auf dieses Unmittelbare beziehe er sich in den Texten. Das sei es, was er in dem Blog zu beschreiben versuche.

Ofer Waldman (2018)
Ofer Waldman, hier bei einer Tagung 2018, ist Autor von Features, Hörspielen und Kolumnen, vor allem bei Deutschlandfunk Kultur. 2023 erschien sein Erzählband „Singularkollektiv“ im Wallstein Verlag.

Die zerbrochene Welt im Kleinen wieder zusammenfügen

„Die Welt als Ganzes wahrzunehmen schwindet“, so Waldman. Man müsse in einer solchen Zeit um die Möglichkeit kämpfen, das Leiden Anderer wahrzunehmen. Das versuche er auch mIt der Organisation „Standing Together“, bei der palästinensische und israelische Menschen zusammenkommen und versuchen, gemeinsam zu trauern.

So wolle er „die zerbrochene Welt im Kleinen wieder zusammenzufügen“. Dabei gehe es ihm auch „um die menschliche Notwendigkeit, das Leid aller Menschen wahrzunehmen, die in diesen Krieg hineingezogen worden sind.“ Was die Angehörigen der Geiseln und die Geiseln selbst durchmachen, könne man sich schwer vorstellen, sagt Waldman.

„Es sind grausame Zeiten hier im Land“

Die Zeit für die Geiseln läuft ab, meint Ofer Waldman: „Die Hamas spielt ein zynisches Spiel mit den Geiseln, die sie, ebenso wie die Zivilbevölkerung in Gaza, als menschliche Schutzschilde mißbraucht.“ Am 7. Februar waren 31 durch die Hamas verschleppte Geiseln für tot erklärt worden.

Jetzt, da der Gazastreifen zu großen Teilen zerstört sei, hätten die Hamas nichts mehr zu verlieren. Die Stimmung diesbezüglich sei in Israel unerträgllich, so Waldman, gerade wenn man die Berichte der freigelassenen Geislen hört und weiß, was diejenigen erleben müssen, die sich noch in Gefangenschaft befinden. „Es sind grausame Zeiten hier im Land“, urteilt der Schriftsteller.