Das Konversationslexikon entwickelte sich parallel zu den bürgerlichen Salons und war vornehmlich als die lexikalische Grundlage einer zu führenden Konversation gedacht. Die Verflüssigung und Popularisierung des Wissens war das Hauptanliegen. Im Konversationslexikon ging es dann auch weit weniger um eine enzyklopädische Wahrheit, als vielmehr um die Grundierung des Gespräches, um Bildung und Vermittlung zur gemeinschaftlichen Reflektion. Reagierten Hübners Conversationslexikon (1709) oder Löbels und Frankes Converstaionslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten (1769) auf den Umstand der mangelnden Verfügbarkeit von Informationen, reagiert Dr. C’s Conversationslexikon auf dessen Überfluss und nimmt eine Sortierung, eine Collagierung und Aufbereitung quer zu den Disziplinen und Sichtweisen vor.
Was ist eigentlich die Idee hinter diesem „Conversationslexikon“?
Dr. C.’s Conversationslexikon stellt sich Begriffen, die zu Allgemeinplätzen geworden sind: Aktie, Bürokratie, Geld, Kreativität, Macht, Effizienz, Steuern, Volkswirtschaft, Wetten…
Dr. C. nährt sich den Begriffen von vorn: Von der Etymologie bis zur Verwendung, von der Buchstäblichkeit zur Bedeutung. Einer muss sich dem ja aussetzen, dass wir eigentlich nicht mehr wissen worüber wir reden oder reden ohne zu wissen, was wir damit eigentlich sagen – das geht so nicht!
Und deshalb: Die Begriffe aus ihren emotionalen Kerkern befreien und den Diskussionen ohne Unterleib die Bodenhaftung zurückgeben! Oder wussten Sie, dass es Gesellschaften gibt in denen das Glücksspiel und die Wette ein akzeptiertes Mittel zur Umverteilung von Gütern war? Oder was eigentlich Schulden sind? Oder das Geld so etwas wie Religion ist nur ohne Gott?
Die Komplexität der aktuellen Probleme zwingt dazu dumme und grundsätzliche Fragen zu stellen – ohne Expertendiskurse und Positionierungseitelkeit.
Nahezu allen Bildungstheorien ist gemein, dass sie das reflektierte Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur Welt als ein Zeichen der Bildung verstehen. Das ist recht allgemein, aber dennoch sehr ernst zu nehmen. Dr. C. ist weit weniger theorieaffin als es manchmal den Anschein hat und das schützt davor in abgegrenzten ideologisch akademischen Zusammenhängen zu verharren.
Dr. C. reflektiert sein Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur Welt. Meistens ist die Reihenfolge eine andere, aber letztlich wird immer wieder der Prozess des Reflektierens öffentlich gemacht, zur Schau gestellt. In diesem zur Schaustellen gibt es kein Spielen, keinen Charakter und keine Rolle, die eingenommen wird: Dr. C. denkt laut und begreift die Reflektion dessen als Bildung. Es wird sich weit aus dem Fenster gelehnt!
Gibt es einen grundsätzlichen Hintergrund zu diesem Vorhaben?
In den Gesellschaftswissenschaften blühen die Expertendiskurse! In den Talkshows wirft man sich Begriffe an die Köpfe! Man wird das Gefühl nicht los, als ginge es nur noch um emotionale Platzhalter! Eigentlich sind wir in einer Situation, in der niemand irgendetwas sicher weiß – die Behauptung ist das Medium der Meinungsbildung geworden. Das Conversationslexikon bekennt sich zum Unwissen und schaut deshalb überall mal hin: Wo kommen die Begriffe her? Wie sind sie in die Welt gekommen? Was haben sie zu welcher Zeit für wen bedeutet? Und was macht man damit?
Die Naturwissenschaftler haben es leichter: Das Erklären von Phänomen und Gesetzmäßigkeiten ist and der Tagesordnung und vermittelt scheinbar unumstrittenes. Volksbildung als Vermittlung von Sicherheit für die Verunsicherten: Ranga Yogeshwar, Professor Harald Lesch, Dr. Eckart von Hirschhausen.
Dem gegenüber steht der Diskurs der Talkrunden, der Selbsterfahrungstripps, der investigativen Dialektik oder der Experten-Miniaturen: Herr Eppert sucht…, Alexander Kluge problematisiert, Gert Scobel diskutiert, Sarah Kuttner menschelt.
Die grundlegende Alphabetisierung der Zuschauer, die im komplexen Gewirr der Welt sich damit zufrieden geben ein Gefühl anstelle einer Meinung zu bilden, bleibt aus. Der Notwendigkeit von Meinung, Haltung und Handlung steht die mangelnde Zeit für das Lexikalische gegenüber. Natürlich sind nahezu alle Informationen verfügbar, aber in einer Kultur des Suchens funktioniert eine emanzipative Gesellschaft eben auch und vor allem durch das Finden. Jenseits der Unsicherheit der Experten, die in Behauptungen mündet, braucht es deshalb ein Format, das sich zum Erklären und zum Unwissen bekennt und dessen Ziel es ist, Handlungsfähigkeit oder zumindest Reflektion herzustellen oder wie die Blow Monkeys einmal so schön sangen: Educate and Activate!