Irmgard und Otmar Paulus stehen lächelnd vor ihrem Haus in Irrel. Erst vor ein paar Wochen sind sie hier wieder eingezogen. Der Innenausbau ist abgeschlossen, nun ist die Fassade an der Reihe. Bauarbeiter sind gerade damit beschäftigt, Material auszupacken und Putz anzurühren.
Es dauert nicht mehr lange, dann sieht das lange, flache Zweifamilienhaus der Familie wieder aus wie neu. Fast ein ganzes Jahr ist bisher verstrichen. Der Weg war für Familie Paulus und andere Flut-Betroffene im Ort eine immense Herausforderung.
Eine Schicksalsnacht im Juli 2021
Das Wasser floss mit einer unbändigen Kraft durch den Ort, riss alles mit, was sich ihm in den Weg stellte. Kein Stein blieb damals auf dem anderen. Zwar kam niemand körperlich zu Schaden, dennoch wurden zahlreiche Existenzen zerstört.
Im damals erst sieben Jahre alten Haus von Otmar Paulus und seiner Familie stand das Wasser meterhoch im Gebäude. Der Fußboden drückte sich nach oben, die Wände waren nass. Möbel, Kleidung, Erinnerungsstücke, alles war verloren.
Das Schlimmste: Die Familie wusste nicht, ob sie je in ihr Haus zurückkehren würde. Denn kurz nach der Flut war unklar, ob die Fundamente des Hauses ebenso unterspült wurden – das Gutachten von Baustatikern stand noch aus.
Ein langer Weg zurück
Doch die Familie ließ sich nicht entmutigen. Sie schliefen kaum und funktionierten einfach nur, wie sie heute sagen. Tagelang räumten sie das Haus leer, versuchten zu retten, was zu retten war. Währenddessen kamen sie in einer Ferienwohnung unter.
Später stellte sich heraus, dass das Haus zwar komplett entkernt werden musste, es aber bewohnbar bleibt. Ein großes Glück.
Zehn Monate und unzählige Renovierungsarbeiten später konnten sie wieder in ihr Haus zurückkehren. Das sei zwar mit komplett neuer Einrichtung noch ungewohnt, dennoch sind sie dankbar, endlich wieder zu Hause zu sein, sagen sie.
120 Haushalte betroffen
Familie Paulus ist einer von 120 Haushalten in Irrel, die von der Flut betroffen waren. Die meisten von ihnen leben mittlerweile wieder in ihren Häusern, sagt Bürgermeister Herbert Theis.
Mit den Soforthilfen und den 180.000 Euro an Spenden, die für den Ort zusammengekommen waren, habe man den Leuten zumindest ein bisschen helfen können. Der Rest müsse über Versicherungen und Anträge bei der Investitions- und Strukturbank (ISB) gestemmt werden.
Der Hochwasser-Blog für RLP Unwetter in RLP - Prognose für Ahr nach unten korrigiert
In den von der Flutkatastrophe zerstörten Regionen in Rheinland-Pfalz läuft der Wiederaufbau. Viel ist geschafft, viel ist noch zu tun. Hier die aktuelle Lage.
Vier Gebäude seien jedoch nicht mehr zu retten gewesen. Sie seien durch das Wasser derart beschädigt worden, dass sie abgerissen werden mussten. Die neuen Häuser würden nun auf Stelzen gebaut, sagt der Ortschef.
Verkauf als einzige Lösung
Vor allem ein paar ältere Bürger hätten nicht mehr die Kraft gehabt, lange Renovierungs- oder Neubauarbeiten durchzustehen. Auch sei die Angst groß gewesen, eine derartige Katastrophe noch einmal erleben zu müssen. Sie hätten ihre Häuser deshalb verkauft.
Eine Entscheidung, die Herbert Theis nachvollziehen kann, auch wenn er nicht davon ausgeht, dass die Prüm erneut in solch einem Maß seine Gemeinde verwüstet.
Hochwasserschutzmaßnahmen geplant
Trotzdem will die Gemeinde Vorkehrungen treffen. Die Prüm soll an einer Stelle verbreitert werden, um ihr mehr Platz zu geben. Ein paar Eigentümer haben dafür auch einen Teil ihrer Grundstücke hergegeben.
An anderer Stelle soll ein Freizeitgelände, das unmittelbar am Ufer der Prüm liegt, tiefer gelegt werden, um dort den Abfluss des Wassers besser zu ermöglichen.
Pläne für ein Hochwasserschutzkonzept hat die Gemeinde seit sieben Jahren in der Schublade, sagt der Ortsbürgermeister. Er hofft, dass diese Pläne nun endlich auch in die Tat umgesetzt werden können. Die Behörden müssten das Konzept noch bearbeiten und erst genehmigen.
Hängeseilbrücke an den Wasserfällen
Eine andere Baustelle, mit der sich die Gemeinde gerade beschäftigt, liegt etwas abseits im Wald. Die Irreler Wasserfälle – das Wahrzeichen des Ortes. Die bei Touristen beliebte Holzbrücke über das Ufer wurde durch die Fluten weggerissen und auch die Wasserfälle an sich wurden nachhaltig verändert.
Wasserfälle 2.0 sozusagen. Um die Attraktion perfekt zu machen, soll zukünftig eine Hängeseilbrücke über den Fluss führen. Wenn der Zeitplan eingehalten werde, könne die schon im Oktober eröffnet werden, sagt Herbert Theis lächelnd.
Erinnerung bleibt
Er selbst habe die Ereignisse des vergangenen Sommers mittlerweile verdaut. Vergessen könne er das, was sich in der Gemeinde abgespielt hat, dennoch nicht. Vor allem wenn er durch die Hauptstraße laufe, komme die Erinnerung zurück.
Häuserfassaden als Denkmal
Wie hoch das Wasser wirklich stand, ist noch gut an einigen Häuserfassaden zu sehen. In manchen Gebäuden reichten die Fluten im Erdgeschoss bis zur Decke.
"Man wird immer wieder daran erinnert, aber man atmet durch und sagt: Das war mal gewesen, hoffentlich kommt es nicht wieder", sagt der Ortschef nachdenklich. Dementsprechend entspannt reagiere er mittlerweile auf erneute Unwetterwarnungen.
Das sehe bei den Betroffenen der Flutkatastrophe aber anders aus. Einige Leute hätten psychologische Hilfe in Anspruch nehmen müssen.
Gemeinsam nach vorne schauen
Vielleicht auch um nach vorn zu schauen, wollen einige Straßenzüge Mitte Juli eine Art Helferfest veranstalten, um an die Flutkatastrophe zu erinnern. Das erste große gemeinsame Fest nach der Flut soll dann im September im Rahmen der traditionellen Kirmes gefeiert werden.
Für Herbert Theis ist klar: Die Flut und ihre Konsequenzen haben die Bürgerinnen und Bürger Irrels, die Unternehmen und all die fleißigen ehrenamtlichen Helfer, die damals aus nah und fern gekommen sind, gemeinsam bewältigt. Und darauf ist der Ortschef auch sichtlich stolz.