Frank Linnarz, stellvertretender Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Kreises Ahrweiler und Wehrleiter der Freiwilligen in der Verbandsgemeinde Altenahr.

Frank Linnarz, stellvertretender Kreisfeuerwehrinspekteur im Kreis Ahrweiler

"Der Katastrophenalarm hätte früher kommen müssen"

Stand

Wehrleiter Frank Linnarz aus der VG Altenahr kritisiert: "Der Kreis Ahrweiler hat den Katastrophenalarm zu spät ausgelöst."

Bereits am Abend des 14. Juli 2021, als in Altenahr schon Menschen wegen der Flut auf den Hausdächern saßen, habe er von der technischen Einsatzleitung des Kreises Ahrweiler gefordert, den Katastrophenalarm auszulösen. Das sagte der Wehrleiter der freiwilligen Feuerwehr der Verbandsgemeinde Altenahr, Frank Linnarz , dem SWR. Er ist auch einer des Stellvertreter des Kreisfeuerwehrinspekteurs im Ahrkreis.

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Feuerwehrleute konnten selbst nicht mehr helfen

Wann genau er die Auslösung des Katastrophenalarms gefordert habe, kann Frank Linnarz nicht sagen. An die genaue Uhrzeit erinnert er sich nicht mehr. Er weiß aber, dass zu diesem Zeitpunkt Altenahr bereits so von der rasant steigenden Ahr überflutet war, dass die Menschen auf ihre Dächer flohen.

"Ich habe gefordert, dass Katastrophenalarm ausgelöst wird, als bei uns die Lage eskalierte."

Er selbst habe ihnen mit seinen Feuerwehrkameraden nicht mehr helfen können, sagt er. Die Ahr sei zu diesem Zeitpunkt gefühlt zwei Meter in einer halben Stunde gestiegen.

Einem Paar in einer Notlage riet er, die Schaufensterscheibe einer Eisdiele im Ort einzuschlagen, um sich in ein höheres Stockwerk zu flüchten. Das habe den beiden das Leben gerettet. Zu diesem Zeitpunkt habe er dann die technische Einsatzzentrale angefunkt und Hubschrauber angefordert.

"Ich habe gesagt, wenn wir nicht umgehend Hubschrauber bekommen, besteht die Gefahr, dass hunderte von Menschen ertrinken."

Die Einsatzleitung, so sagt Frank Linnarz, wollte sich auch um Hubschrauber kümmern. Der erfahrene Feuerwehrmann, der auch Ausbildungsleiter der Berufsfeuerwehr in Bonn ist, setzte nach eigenen Angaben aber kaum Hoffnung auf diese Hubschrauber-Einsätze - wegen der einsetzenden Dämmerung und des Starkregens. Der Kreis Ahrweiler löste den Katastrophenalarm erst in der Nacht zum Donnerstag aus.

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Frank Linnarz erinnert sich, dass er die Situation im Laufe des Mittwochabends als immer bedrohlicher wahrgenommen hatte. Er ging in Altenahr von einem Pegelstand von über zehn Metern aus. Genau deswegen waren in der Katastrophennacht die meisten Feuerwehrleute - so wie er - nicht in der Einsatzzentrale in Bad Neuenahr-Ahrweiler, sondern draußen vor Ort im Einsatz.

"Aufgrund des Lagebildes ist aus meiner Sicht der Katastrophenalarm zu spät ausgelöst worden."

Wer konkret in der Einsatzzentrale saß und wer dort wann was entschied, das kann Frank Linnarz nicht sagen. Aber dass der Landrat bis heute nicht erklärt hat, was warum in der Flutnacht passiert ist - dazu hat er eine ganz klare Meinung: "Menschlich ist das nicht gut."

Koblenzer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Landrat Pföhler

Mindestens 141 Menschen sind bei der Flut Mitte Juli ums Leben gekommen. 16 werden noch vermisst. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz nach eigenen Angaben gegen den Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU) und ein weiteres Mitglied des Krisenstabes.

Sie will klären, ob sie sich durch Unterlassen der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig gemacht haben könnten. Es geht um die Frage, ob sie früher vor der Flut hätten warnen - oder sogar evakuieren müssen. Die Staatsanwaltschaft weist aber ausdrücklich darauf hin, dass bisher nur ein Anfangsverdacht bestehe, der auf einer unsicheren und lückenhaften Erkenntnislage beruhe.

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Wie haben andere Behörden und Einrichtungen reagiert?

Hinweise darauf, dass der Starkregen auch kleine Bäche und Flüsschen in der Eifel in ganz kurzer Zeit dramatisch ansteigen ließ, gab es. Von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord in Koblenz gab es am frühen Abend des 14. Juli 2021 um 17:30 Uhr den dringenden Rat an die Menschen in den betroffenen Regionen, sich die aktuellen Pegelstände und die Frühwarnungen für die kleineren Flüsse in der Eifel auf den Internetseiten des Hochwassermeldezentrums anzusehen.

In Mayen gab es laufend Infos zum Hochwasser der Nette

Und in Mayen gab es am Abend des 14. Juli 2021 immer wieder Warnungen vor dem Hochwasser der Nette. Um 18:34 Uhr hieß es beispielsweise in einer Mitteilung der Stadtverwaltung: "Es wird dringend angeraten, Autos wegzufahren, Keller zu räumen und das Grundstück weiter zu sichern." Die Stadt informierte zudem laufend über ihre Online-Kanäle in den sozialen Medien und auf ihrer Internetseite. Außerdem hatte sie nach eigenen Angaben ein Bürgertelefon eingerichtet.

Berufsfeuerwehr Koblenz schickte Erkundungstrupp in den Ahrkreis

Auch die Koblenzer Berufsfeuerwehr reagierte: Nach eigenen Angaben schickte sie im Laufe des Abends unter anderem Boote und Wasserrettungseinheiten der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehr Lahnstein zur Unterstützung in den Ahrkreis.

In einer Mitteilung von 20:30 Uhr hieß es: "Aus dem Leitstellenbereich Montabaur wurde die Bereitschaft für die überörtliche Hilfe aktiviert. Der Verband besteht aus rund 150 Einsatzkräften mit 30 Fahrzeugen aus den Landkreisen Altenkirchen, Neuwied, Westerwald Kreis und dem Rhein-Lahn-Kreis."

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