Wüstenartige Landschaftsszene mit Siedlung im Hintergrund in Burkina Faso

Interview mit Bernhard Rumstadt

Operieren für Afrika: Freiburger Chirurg erhält Bundesverdienstkreuz

Stand
AUTOR/IN
Freddy Kunzelmann

Der Freiburger Chirurg Bernhard Rumstadt spricht im SWR-Interview über die Würdigung seines Engagements für Burkina Faso.

Seit 20 Jahren gibt es den gemeinnützigen Verein "Operieren in Afrika". Dessen Ziel ist es, die Gesundheitsversorgung in Burkina Faso zu verbessern. Der Chirurg Bernhard Rumstadt ist Ärztlicher Direktor im Diakoniekrankenhaus Freiburg und ist dort Chefarzt der Chirurgischen Klinik. Der 61-jährige Mediziner hat diesen Verein gegründet und ist seither dessen Vorsitzender. Anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für sein Engagement stand Bernhard Rumstadt dem SWR für ein Interview zur Verfügung.

Das Radio-Interview hier in voller Länge:

Herr Rumstadt, Lob und Anerkennung für eine Arbeit wie die Ihre sind nicht unwichtig. Ihr Engagement in Burkina Faso wurde vor kurzem mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt. Eine schöne Sache? Oder können sie mit solchen Orden nicht viel anfangen?

Mir persönlich bedeuten solche Orden und Auszeichnungen nicht allzu viel. Aber ich freue mich über die Anerkennung unserer Arbeit. Und ich habe diese Auszeichnung auch gerne in Vertretung für die Mitarbeiter und Mitstreiter entgegengenommen, mit denen ich in den letzten 20 Jahren dieses Projekt aufgebaut habe.

20 Jahre operieren in Afrika, was hat Ihr Verein in dieser Zeit geleistet? Was hat er auf die Beine gestellt?

Die ersten zehn Jahre sind wir einmal im Jahr nach Burkina gefahren, um dort zu operieren. Im Rahmen von Kurzeinsätzen von ein bis zwei Wochen. In den letzten acht Jahren ist es uns gelungen, eine eigene chirurgische Klinik aufzubauen, die inzwischen mit 30 afrikanischen Mitarbeitern besetzt ist. Sie gewährleisten dort eine ordentliche chirurgische Basisversorgung auch das Jahr über. Was uns gelungen ist, glaube ich, dass wir dort die medizinische Qualität in unserem Bereich erheblich verbessern konnten. Beispielsweise in der Geburtshilfe konnten wir die Säuglingssterblichkeitsrate, die zurzeit noch bei 81 pro tausend Geburten in Burkina Faso liegt, auf sechs reduzieren. Und wir haben vor allem auch persönlich über die Grenze hinwegschauen können und gemerkt, was wir dort bewerkstelligen können. Aber was wir auch von den afrikanischen Kollegen in Richtung Lebensqualität oder Lebenskultur lernen können.

Es ging aber nicht nur um die Gesundheitsversorgung, es ist ein kleines Dorf entstanden, mit einer Schule. Also es ging über die Gesundheitsversorgung hinaus?

Das geht darüber hinaus, das ist auch wichtig. Also wir haben zwei Schulen, die wir jetzt gebaut haben und auch betreuen, inklusive zum Beispiel dem Mittagessen für die Schulkinder. Wir haben insgesamt 650 Kinder. Wir unterhalten über 280 individuelle Patenschaften und das sind Dinge, die in dem Gesamtkontext sehr gut zu unserem Konzept passen.

Das Ganze lief nicht reibungslos ab, es gab Probleme?

Klar, es gab Probleme, denn das ist natürlich nicht ganz einfach. Aber ich bin sehr froh, dass wir überhaupt diese 20 Jahre durchhalten konnten. Uns ist zum Beispiel beim zehnjährigen Jubiläum passiert, dass wir nicht operieren konnten, dass wir also frustriert wieder abfahren mussten. Oft stößt man auch an bürokratische Hürden, die man natürlich nicht immer auflösen kann, zumal man auch ein anderes Kulturverständnis hat. Aber letztlich mit Beharrlichkeit und Zähigkeit haben wir den Weg ganz gut machen können.

Die Finanzierung erfolgt über Spenden. Sie sind auch für die Spenden-Akquise des gesamten Projekts verantwortlich. Kommt denn genug Geld zusammen?

Schwierige Frage. Es kommt nie genug Geld zusammen. Aber wir können sehr glücklich sein über unsere Spendenaufkommen und haben es jetzt wirklich geschafft, auch diese Klinik zu finanzieren. Insgesamt konnten wir in diesen 20 Jahren bestimmt knapp zwei Millionen in das Projekt investieren. Es gab sicher auch Zeiten, wo ich mir überlegen musste, wie ich unseren Mitarbeitern die Gehälter für den nächsten Monat zahlen kann. Aber insgesamt freue ich mich. Und das ist ein riesiges Spektrum, das von fünf Euro bis größeren Summen reicht. Das ist für uns auch ein Ansporn, in der Arbeit weiterzumachen. Wir empfinden das als positive Verantwortung.

Können Sie die 20 Jahre einmal mit Zahlen unterfüttern? Können Sie etwa sagen, wie viele Operationen, was wurde geleistet, wie viele Patienten wurden behandelt? Dass man sich eine Vorstellung machen kann von der Größe des Projekts.

Konkret: Über die letzten acht Jahre in unserer Klinik haben wir etwa 13.000 Operationen durchgeführt, wir haben etwa 60.000 Patienten behandelt. Wir konnten in unserer Geburtshilfeklinik etwa 1.000 Kindern auf die Welt helfen. Das sind so die die knallharten Fakten, die man da nennen kann.

Mehr als 50 Mal waren sie schon in Afrika, um die Hilfe dort voranzutreiben. Wie viel Zeit investieren Sie nach Ihrer Arbeit als Chirurg am Tag? Was kommt da zusammen? Wie kann man sich das vorstellen? Müssen Sie täglich an dem Projekt arbeiten?

Im Schnitt wahrscheinlich ja. Manchmal sind es nur zwei oder drei kleine Nachrichten, WhatApps, um irgendwelche Probleme zu lösen. Kleinere Dinge zum Beispiel, dass die Waschmaschine nicht funktioniert oder solche banalen Sachen. Auf der anderen Seite müssen auch die Spendengelder akquiriert werden. Es müssen die Vorbereitungen getroffen werden. Es muss das medizinische Konzept stimmen. Also ich würde sagen, dass vielleicht 20 Prozent meiner Freizeit mit dieser Arbeit erfüllt ist.

Schauen wir in die Glaskugel. Wie wird es weitergehen? Gibt es vielleicht Vermutungen, wie die Hilfe, die Projekte in den nächsten zehn Jahren fortgesetzt werden?

Wir wollen auf jeden Fall weitermachen. Ich glaube, die Hauptmaxime wird sein, dass wir mehr und mehr unseren afrikanischen Kollegen die Verantwortung übereignen können. In der Pandemie hat sich gezeigt, dass sie sehr wohl in der Lage sind, mit der Verantwortung sehr gut umzugehen. Sie haben die Klinik in dieser Zeit hervorragend allein geführt, als wir nicht runterfahren konnten. Das ist das Konzept. Wir werden sicher weiter versuchen, die Qualität der chirurgischen Basisversorgung dort zu stärken. Und wir werden auch weiter kurze Hilfseinsätze fahren mit verschiedensten chirurgischen Fachrichtungen. Aber in der Grundrichtung kann es eigentlich nur dahingehen, dass die afrikanischen Kollegen diese Klinik und das ganze Projekt am Ende übernehmen. Und dazu sind wir auf einem ganz guten Weg.

Sie haben mir vor dem Gespräch gesagt, ihr Terminkalender ist voll. Zu viel Zeit haben sie gar nicht. Sie kommen aus dem Operationssaal, und sie werden jetzt auch wieder ins Krankenhaus gehen, um weiter zu operieren. Stimmt das?

Das stimmt! Ja, da gehöre ich auch hin.

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Freddy Kunzelmann