Dass ein Bundesliga-Aufsteiger so bodenständig und entspannt ist, dass er auf dem Heimweg vom wichtigsten Spiel seiner Historie mal kurz für uns einen Rastplatz anfährt, das finde ich heute noch absolut beeindruckend...aber von vorne: Es war mein erster Besuch in Heidenheim. Klar, verfolgt habe ich den Club auch vorher intensiv, aber ich war noch nie in der Stadt auf der Ostalb und auch noch nie im Stadion auf dem Schlossberg. Da der FCH auswärts in Regensburg spielte, waren wir mit einem Kamerateam in einer Kneipe, dem Melange, in der Stadt und schauten das Spiel mit Heidenheimer Fans. Nach Abpfiff sollte ich zweimal live in unsere Nachrichten geschaltet werden. Und natürlich gab es auch einen Plan. Für den Fall, dass...
Ein Aufstieg der Moral
Aber danach sah es lange nicht aus. 0:2 lag Heidenheim zurück. Ein Regensburger Doppelschlag nach der Pause lies die gute Laune in der Heidenheimer Innenstadt mal kurz auf den Nullpunkt sinken. Der Anschlusstreffer per Eigentor, zumindest ein erster Hoffnungsfunke - und ein Motivationsboost. Die Mannschaft von Frank Schmidt musste gewinnen, um direkt aufzusteigen. Und sie gab alles dafür. Und die Magie begann in der Nachspielzeit.
90+3', der Ausgleich. Patrick Mainka wird im Strafraum gefoult, Jan-Niklas Beste tritt zum Elfmeter an und verwandelt zum 2:2. Alle im "Melange" spürten, dass es jetzt doch noch möglich ist. Denn elf Minuten Nachspielzeit waren angezeigt worden. In Heidenheim das große Zittern und Daumen drücken, in Regensburg der große Sturmlauf. Der FCH warf alles nach vorne, versuchte alles und machte nach 99 Minuten das wahr, wovon alle geträumt hatten. Tim Kleindienst traf zum 3:2, zum Sieg, zum Aufstieg. Dem ersten der Bundesligageschichte. In Heidenheim brachen alle Dämme.
Wir wollen die Aufstiegshelden sehen
Der Moment des Aufstiegs hieß für meinen Kollegen Daniel Günther und mich, dass der Abend noch ein längerer werden würde. Wir hatten die Livesendung SWR Sport aus dem Studio in Stuttgart und natürlich wollten wir, dass die Heidenheimer Aufstiegshelden darin vorkommen. Es war klar, ins Studio schaffen sie es nicht, aber in Heidenheim wollten wir sie in Empfang nehmen und live ins Studio schalten. Nur gab es ein Problem: Es dauerte alles zu lang. Daniel telefonierte mit dem Pressesprecher, wir rechneten noch ein bis zwei Bierpausen in die Fahrtzeit ein und es war klar: Das reicht nicht. Also Planänderung: Wir fahren dem Team entgegen und treffen uns auf einer Raststätte.
Wie bodenständig kann Profifußball sein?
Der Pressesprecher der Heidenheimer zögerte keine Sekunde: "Das machen wir!" Für mich bis heute immernoch fast unglaublich. Dass das Team für uns einen Stop einlegen wollte, so kurz nach dem größten Triumph in der Vereinshistorie, mitten im Feierrausch und deshalb später zu seinen Fans nach Heideneim kommen würde, das hatte ich nicht erwartet. Das Kamerateam, Daniel und ich sprangen in die Autos und los ging es. Wir hatten den Livestandort des Mannschaftsbusses und Daniel quasi eine Standleitung zu Pressesprecher Markus Gamm. Unseren Senderedakteur Kersten Eichhorn hielten wir am anderen Telefon auf dem aktuellen Stand und alles schien genau pünktlich hinzuhauen. Einen Parkplatz vor dem vereinbarten Rastplatz fuhren wir raus und machten einen kurzen "Aufsager" für den Sendungsbeginn. Das Kamerateam sollte das Video Material schnell nach Stuttgart in unsere Regie schicken, also überspielen. Daniel und ich fuhren schon weiter, damit wir da sind, wenn die Mannschaft kommt. Und dann kam der Anruf des Kamerateams, der uns alle kurz verzweifeln ließ: "Der Akku der LiveU ist leer. Wir können nicht überspielen."
Entspannte Heidenheimer und eine Raststätten-Steckdose als Rettung
Das durfte nicht wahr sein. Diese Nachricht hieß, dass wir nicht live ins Studio schalten konnten, weil die LiveU, unser technisches Werkzeug dafür, aus war. Es hieß, dass wir eigentlich gar nichts mehr überspielen konnten. Dass die Mannschaft umsonst für uns Halt macht. Nach einem kurzen Stimmungstief ging es auf Lösungssuche. Die klare Devise war: Wir kriegen das irgendwie hin. Die Livesendung lief, keiner im Studio und der Regie wusste, wie es weitergehen würde. Ein Blindflug auch für Moderator Tom Bartels, der aber absolut entspannt blieb. Wir fuhren quasi zeitgleich mit dem Mannschaftsbus auf dem Rastplatz ein. Das Team inklusive Trainer Frank Schmidt war tiefenentspannt, bestens gelaunt und wirkte ganz glücklich über die kurze Möglichkeit, sich die Beine zu vertreten. Wir hatten den Plan gefasst, jetzt schnell zwei Interviews zu machen und uns dann an der Raststätte an den Strom zu hängen und sie rüber zu schicken. Siegtorschütze Tim Kleindienst und Trainer Frank Schmidt nahmen sich die Zeit, wir spurteten in die Raststätte und tatsächlich - kaum am Strom fuhr unsere Liveeinheit hoch, kurze Zeit später waren die Interviews schon in Stuttgart und direkt danach in der Sendung. Daniel und ich waren platt und einfach nur erleichtert.
Aufstiegsfeier ohne technische Pannen
Die Kirsche auf der Sahne war für uns, dass wir die Aufstiegsfeier aus der Heidenheimer Arena am nächsten Tag live übertragen durften. Ich als Moderatorin, Daniel als Kommentator. Dieses Mal ohne technische Pannen. Aber mit vielen tollen Momenten und Emotionen. Für mich waren diese beiden Tage in Heidenheim und vor allem die bodenständige, freundliche und entspannte Art des 1.FC Heidenheim, seines Staffs, seiner Spieler und des Trainers Frank Schmidt meine Sportmomente 2023.