Im Frühjahr lockt es viele Menschen in die Natur. Doch Vorsicht! In vielen Regionen Deutschlands lauern wieder bissfreudige Zecken, die Krankheiten wie FSME übertragen können.
In Weimar trafen sich Biologen, Virologen, Parasitologen, Zoologen, Infektiologen zum Austausch über die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Zecken. Titel des Symposiums: „Der Schrecken der Zecken“. Mit dabei war die Zeckenexpertin Ute Mackenstedt von der Uni Hohenheim. SWR2 Impuls sprach mit ihr über die neuesten Erkenntnise der Zeckenforschung.
SWR2 Impuls: Gibt es überhaupt verlässliche Daten oder auch neue Daten, die zeigen, wie gefährlich Zecken für den Menschen sind, weil sie Gehirnhautentzündung und Borreliose übertragen?
Ute Mackenstedt: Das war auf dem Symposium ein sehr interessantes Thema und zwar speziell von Herrn Professor Dobler. Es sind da verschiedene Untersuchungen durchgeführt worden, zum Beispiel wie häufig ist eigentlich eine FSME, beziehungsweise eine Infektion mit den FSME-Viren? Das ist Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (kurz: FSME), die durch Viren hervorgerufen wird. Aber nicht jede Infektion muss zu einer Erkrankung führen. Es kann auch gestoppt werden, also ganz natürlich gestoppt werden, sodass wir eigentlich in das Krankheitsgeschehen gar nicht eintreten. Und da war immer die Frage: Was ist da jetzt? Das ist einfach ein ziemlicher Graubereich. Man weiß es eigentlich nicht ganz genau.
Herr Professor Dobler hat das Blut von Blutspendern untersucht und fand heraus, dass wir durchaus häufiger mit diesen FSME-Viren in Berührung kommen als gedacht. Die Übertragung der FSME-Viren findet häufiger statt, als wir es bisher angenommen haben. Aber wie gesagt: Nicht jede Infektion, nicht jede Übertragung führt auch zu einer Erkrankung.
Insofern haben wir ein sehr dynamisches Geschehen zwischen den FSME-Viren, den Zecken und auch uns. Bei der Anzahl der FSME-Erkrankungen sieht man einen ansteigenden Trend über die letzten Jahre. So etwas Ähnliches sieht man auch in Österreich zum Beispiel.
Was heißt das? Ich trage diese Viren in mir, aber ich kriege keine keine Infektion? Habe ich dann Antikörper in mir?
Ute Mackenstedt: Genau diese Antikörper wurden detektiert. Was also passiert ist, dass die Viren auf uns übertragen werden. Aber unser Immunsystem ist offensichtlich auch in der Lage, solche Viren zu bekämpfen. Heißt also: die erste Phase. Wir haben bei einem normalen FSME-Verlauf immer zwei Fieberphasen. Die erste Fieberphase ist nach wenigen Wochen beendet. Dann haben wir eine gewisse Ruhe, also ein bis zwei Wochen fieberfreie Zeit und dann kommt die zweite Fieberphase, und das ist dann eigentlich auch die Phase, in der dann auch wirklich starke Krankheitssymptome auftauchen wie Lähmungen oder Hirnhautentzündung.
In der ersten Phase haben wir vielleicht ein bisschen Kopfschmerzen, wir haben auch Fieber, vielleicht erbrechen wir uns auch. Aber das ist sehr unspezifisch und das ist noch nicht ein wirkliches Symptom für eine FSME. Und bei vielen ist es offensichtlich so, dass nach dieser ersten Phase die Infektion abbricht. Das heißt, es kommt nicht zu diesem zweiten Fieber-Gipfel, der dann letztendlich auch charakteristisch ist mit dieser Hirnhautentzündung, mit der Gehirnentzündung oder auch der Rückenmarksentzündung.
Ist es denn gefährlich, in der Hochsaison der Zecken im Wald spazieren zu gehen? Oder kann man da wirklich Entwarnung geben?
Ute Mackenstedt: Nein, wir können nicht mehr Entwarnung geben, weil wir wissen nicht, wo diese Naturherde sind. Wir finden immer mehr, wir finden auch diese Naturherde in Norddeutschland. Und wir wissen auch, dass FSME-Erkrankungen auch in Norddeutschland ablaufen, auch in Skandinavien, in den Niederlanden, im Elsass, also in Osteuropa sowieso, in der Schweiz, in Österreich, in Italien. Das heißt also, wir können insofern keine Entwarnung geben, weil wir nicht wissen, wo FSME-positive Zecken sind.
Insofern würden wir eigentlich eher sagen: Ganz Deutschland ist ein Endemiegebiet für FSME.
Das heißt aber, dass sie jetzt noch nicht so richtig wissen, wo die Risikogebiete liegen. Stimmt das?
Ute Mackenstedt: Das stimmt, das ist in der Tat so. Wir wissen, die sind ja sehr kleinräumig, also ein halbes Fußballfeld so, und in diesem Gebiet finden wir FSME-positive Zwecken. Wenn sie 500 Meter daneben versuchen, Zecken einzusammeln, dann sind sie nicht FSME-Virus-positiv. Aber wir wissen nicht, was dieser Treiber für diese Naturherde sind. Wir wissen nicht, warum sie an dem Ort sind und nicht an dem anderen Ort. Wir wissen nicht, warum sie stabil dort über Jahrzehnte bleiben, zwischenzeitlich aber immer so erlöschen. Aber dann auf einmal sind sie wieder da. Wir wissen auch nicht, warum sie so festgebacken sind an diesem Ort. Und wo sie auftreten, wissen wir auch nicht.
Das hört sich jetzt an nach dem Motto: Was wissen die eigentlich? Das kann man berechtigterweise sagen. Aber wir sind sehr intensiv daran, zu erforschen, welche ökologischen Bedingungen vorhanden sein müssen, damit wir solche Naturherde haben und was dieser Treiber ist, damit diese Viren nach Deutschland kommen. Ich komme aus Tschechien, sie kommen aus Österreich, sie kommen aus der Schweiz. Also genau das sind die Fragen, die wir im Moment auch beantworten müssen.
Macht der Klimawandel die Sache noch ein wenig „gefährlicher“?
Ute Mackenstedt: Es verändert sie. Der Klimawandel treibt die Zecken sozusagen nach oben. Sprich also wir finden sie jetzt auch stabile Zeckenpopulationen in Höhen von 1200 bis 1500 Metern. Das war früher nicht der Fall. Und wir haben auch die ersten FSME-Fälle, die eindeutig diesen Regionen zuzuordnen sind. Was wir auch haben, ist die Winteraktivität. Wir sehen, dass wir etwa vier bis sechs Wochen früher die ersten FSME-Fälle haben. Und das haben wir in der Tat jetzt schon. Wenn man jetzt sagt okay, wir müssen mal einfach mal zurückrechnen. Dann ist die Infektion etwa im Januar, Mitte Januar erfolgt.
Was sollte ich als Wanderer oder jemand, der sich im Wald aufhält, tun?
Ute Mackenstedt: Erstens sich absuchen, die Zecken absammeln und tiefgreifend über eine Impfung nachdenken. Weil diese Impfung ist nach wie vor der einzige wirklich sichere Schutz vor einer FSME. Und die Kinder nicht vergessen, bitte.
Das heißt, die Kinder sollten auch geimpft werden, meinen Sie?
Ute Mackenstedt: Ja auf jeden Fall, weil es gibt immer mehr Berichte, auch über schwere Verläufe bei Kindern, die auch mit sehr schweren Lähmungen, die nicht mehr reversibel sind, verbunden sein können. Und auch ein milder Verlauf bei der FSME bei Kindern führt zu Konzentrationsschwächen, Aufmerksamkeitsschwächen. Auch ein leichter Verlauf ist bei Kindern keine leichte Erkrankung.
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