Eine kontinuierliche Blutzuckermessung ist bisher nur bei Diabetes Typ 1 Standard - laut Fachleuten könnten aber auch viele Menschen mit Diabetes Typ 2 davon profitieren.
Der Welt-Diabetestag soll die Aufmerksamkeit auf die Gefahren und Therapiechancen der Zuckerkrankheit lenken. Aktuell sind in Deutschland laut Deutscher Diabeteshilfe rund 11 Millionen Menschen, also in etwa jeder Achte, zuckerkrank. Doch viele wissen nichts von ihrer Erkrankung: Die Dunkelziffer soll bei zwei Millionen Erkrankten liegen.
Dabei ist die mit Abstand häufigste Form Diabetes Typ 2, eine Erkrankung die häufig im Alter auftritt. Rund 8,7 Millionen Deutsche leben aktuell mit dieser Diagnose. Dazu kommen mehr als 400.000 Menschen, die hierzulande am Diabetes Typ 1 leiden.
Kontinuierliche Messung des Blutzuckers nicht bei allen Menschen mit Diabetes
Doch Fachleute sehen Verbesserungsbedarf bei der Behandlung von Menschen mit Diabetes. Bisher ist das kontinuierliche Glukosemonitoring, kurz CGM, nur bei Menschen mit Typ 1 Diabetes Standard. Dabei werden die Glukosewerte ständig durch einen Sensor im Fettgewebe der Unterhaut kontrolliert.
Doch auch viele Patientinnen und Patienten mit Typ 2 Diabetes könnten von dieser Form der Glukosemessung profitieren. Dr. Jens Kröger, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Diabeteshilfe, findet: „Jeder Mensch sieht, wie sein Körper auf Mahlzeiten und Bewegung reagiert. Und damit kann er viel einfacher das Ernährungs- und Therapiemanagement anpassen.
Gleichzeitig ermutigen gute Verläufe, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Und unbefriedigende Verläufe helfen den Menschen mit Typ2 Diabetes als auch den Diabetesteams, Probleme zu erkennen und wenn möglich zu beheben.“.
Häufige Blutzucker-Messungen erhöhen „Selbstwirksamkeit“
Es gehe um das sogenannte „erkennende Lernen“ und eine sich daraus entwickelnde Selbstwirksamkeit der Patienten. Die CGM-Systeme sollen dabei helfen, eine Entgleisung der Zuckerwerte zu vermeiden. Umfragen in Fachpraxen hätten ergeben, dass ständige Glukosekontrollen bei rund 80 Prozent der Typ2-Diabetiker mit intensivierter Insulintherapie sinnvoll wären. Im Moment aber bekommt nur jeder vierte in dieser Gruppe einen CGM-Sensor.
Auch in der Frühphase der Erkrankung wird die engmaschige Überwachung viel zu selten genutzt, bedauert Jens Kröger. Er hält es auch für eine gute Idee, selbst Menschen mit Prädiabetes solche kontinuierlichen Messungen anzubieten.
CGM-Systeme könnten helfen, die Behandlung von Diabetes zu individualisieren
Aktuell bleibt allerdings noch offen, wie die Vergabe von den CGM-Systemen ausgeweitet werden soll. Auch die Kostenfrage ist noch ungeklärt – bisher zeigen sich nur wenige Kassen großzügig. Technische Hürden auf Patientenseite sieht Jens Kröger nicht: auch ältere Menschen kämen sehr gut mit der kontinuierlichen Blutzuckermessung klar. Durch das direkte Feedback steige auch die Begeisterung, sich gesünder zu ernähren und der empfohlenen Therapie zu folgen. So lasse sich die Behandlung viel besser individualisieren.
Noch ist die Diabetestherapie insgesamt zu wenig am Einzelfall orientiert – das kritisiert auch Professor Bernhard Kulzer, Leiter des Forschungsinstituts der Diabetesklinik Bad Mergentheim: „Bisher ist es tatsächlich so, dass wir häufig die Therapieschritte aus großen Studien mit großen Gruppen auf den Einzelnen übertragen.“
Künstliche Intelligenz könnte bewussten Umgang mit Diabetes erleichtern
Eine Schlüsselrolle für eine am Einzelnen orientierte, optimierte Therapie soll dabei Künstliche Intelligenz spielen. Mit KI lassen sich laut Kulzer auch die Informationen einer kontinuierlichen Glukosemessung noch viel weitreichender nutzen. Dadurch müssten Zuckerkranke nicht mehr selbst Rückschlüsse aus den Daten ziehen, sondern bekämen Tipps vom Algorithmus. Auch eine drohende Unterzuckerung, eine Hypoglykämie, kann die KI im Idealfall voraussehen.
Problematisch könnte daran allerdings sein, dass die KI dafür Zugriff auf eine Reihe weiterer Gesundheitsdaten braucht. Doch nur so sind präzise Prognosen möglich. Bernhard Kulzer: “Man kann auch ausrechnen, welche Auswirkungen Bewegung hat, man kann ausrechnen, welche Auswirkungen die Menstruation hat. Also man versucht, verschiedene Einflussfaktoren mathematisch zu erfassen, um damit immer bessere Prognosen zu haben. Damit die Steuerung des Insulins immer besser und intelligenter passiert.“
Das erste CGM-System mit integrierter KI ist bereits auf dem Markt. Eines Tages könnte sich also der Blutzucker womöglich komplett automatisch regulieren lassen, wenn man die Sensoren mit einer KI-gesteuerten Insulinpumpe koppelt.
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