Wer gestresst ist, sollte morgens das Fenster öffnen und dem Gesang der Vögel lauschen. Das Gezwitscher hilft nämlich gegen schlechte Stimmung, Ängste und paranoide Gedanken.
Volle Straßen, Autolärm, viele Menschen – wer in der Stadt lebt, hat nur selten eine ruhige Minute. Das ist nicht nur stressig, sondern begünstigt auch psychische Erkrankungen. Der Lärm in den Städten versetzt den Körper in einen Alarmzustand und verstärkt depressive Stimmungen – vor allem, wenn sich ständig viele unterschiedliche Geräusche mischen.
Vogelgezwitscher als Mittel gegen psychische Erkrankungen
Was dagegen hilft: Vogelgezwitscher. Was überraschend klingt, haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf in einer Studie herausgefunden. Der Gesang von Vögeln kann nachweislich die Stimmung heben und Ängste und paranoide Gedanken mindern. Aber woran liegt das?
Die Antwort ist: an der Amygdala. Die Amygdala ist der Bereich im Gehirn, der bei Stress aktiviert wird. Ist ihre Funktion gestört, können psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen die Folge sein. Das Problem: Die Amygdala ist bei Menschen, die in der Stadt wohnen, deutlich aktiver als bei Personen, die auf dem Land zuhause sind.
Spaziergänge in der Natur reduzieren Stress
Die Natur hat nämlich, das ist schon lange bekannt, eine äußerst beruhigende Wirkung. Gerade Landschaften mit viel Vegetation können dazu beitragen, dass sorgenvolle und ängstliche Gedanken verschwinden und die Aufmerksamkeit und Gedächtnisleistung steigen. Diese Wirkung macht sich auch in der Amygdala bemerkbar. Das hat das Berliner Forscherteam in einem Experiment herausgefunden.
Die Wissenschaftler forderten einige der 63 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf, eine Stunde lang in der Natur spazieren zu gehen – die restlichen blieben in der Stadt. Tatsächlich zeigte sich bei den Personen, die in der Natur unterwegs gewesen waren, schnell ein Effekt. Die Aktivität der Hirnregion war bereits nach einem einstündigen Spaziergang ähnlich gering wie die von auf dem Land lebenden Menschen.
Zarte Stimme, großer Effekt
An dieser Stelle kommt der Vogelgesang ins Spiel. Natürlich hat nicht jeder einen Wald vor der Haustüre. Das ist aber auch nicht nötig, denn das Gezwitscher wirkt in ähnlicher Weise wie ein Spaziergang in der Natur. Wer den Vogelstimmen aktiv zuhört, assoziiert diese mit der natürlichen Umwelt und lenkt so seine Aufmerksamkeit vom Stress der Umgebung und der eigenen Gedanken ab.
Dafür reicht schon ein kleiner Zeitraum, wie die Forschenden aus Berlin und Hamburg in ihrer Studie feststellten: Sechs Minuten lang beschallte das Team insgesamt 295 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, entweder mit Verkehrslärm oder mit Vogelgesang. Das Ergebnis: Die Vogelstimmen vertreiben ängstliche Gedanken und verbessern die Stimmung. Der Verkehrslärm hinterlässt schlechte Laune.
Erkenntnisse zur Paranoia sind neu
Mit den Erkenntnissen bestätigt das Wissenschaftlerteam bereits vorliegende Forschung. Neu ist allerdings, dass das Vogelgezwitscher nicht nur die Symptome von affektiven Störungen wie Depression und Angststörungen verbessern, sondern auch paranoiden Gedanken reduzieren kann. Dies erklären die Forschenden damit, dass Naturgeräusche im Gegensatz zum Stadtlärm oder auch dem Kontakt mit anderen als nicht als bedrohlich wahrgenommen werden.
Prävention durch Vogelgezwitscher
Vogelgezwitscher ist also nicht nur schön, sondern in gewisser Weise auch therapeutisch wirksam. Diese Erkenntnis ist alles andere als banal, könnte so doch auf einfache, angenehme und günstige Weise Prävention betrieben werden. Gerade Personen, die anfälliger für psychische Erkrankungen sind, weil sie eben in der Stadt wohnen oder eine genetische Veranlagung haben, können davon profitieren.
Vorschläge dafür stehen bereits im Raum: Eine Klang-CD anzuhören ist einer davon. Oder, noch viel schöner: morgens das Fenster öffnen, kurz innehalten und dem Gesang der Vögel lauschen.