Was wir essen, hat womöglich Einfluss auf unser Wesen, unsere Stimmungen und auf die psychische Gesundheit. Zumindest haben Forscher:innen weltweit immer mehr Hinweise darauf.
Die Darm-Hirn-Achse
Es scheint diverse Verbindungen zwischen unserem Darm und dem Gehirn zu geben – die sogenannte Darm-Hirn-Achse. Matthias Laudes vom Exzellenzlehrstuhl für Innere Medizin des Universitätsklinikums Kiel sagt: Dass der Darm in irgendeiner Form mit unserem Gehirn kommuniziert, ist seit vielen Jahren bekannt. Es gibt mindestens drei Möglichkeiten:
1. Unsere Ernährung kann mit dem Darmnervensystem in Interaktion treten und elektrische Signale über die Nervenbahn ins Gehirn leiten.
2. Je nachdem was wir essen, werden verschiedene Hormone gebildet und verschiedene Hormone lösen dann im Gehirn verschiedene Reaktionen aus.
3. Unsere Ernährung beeinflusst natürlich die Darmbakterien. Die Gemeinschaft der Darmbakterien unterscheidet sich in ihrer Mischung von Mensch zu Mensch, geprägt von Geburt, Umwelt und Ernährung. Und sie beeinflusst offenbar auch, wie wir uns fühlen.
Glück kommt aus dem Darm
Davon jedenfalls ist die Psychiaterin Kamila Jauch-Chara überzeugt, Leiterin des Zentrums für Integrative Psychiatrie in Kiel: "
Was alles im Gehirn ankommt
Bis vor einiger Zeit galt die Blut-Hirn-Schranke als Grenze. Durch sie schützt sich das Gehirn, trifft eine Auswahl, welche Stoffe hereingelassen werden und welche nicht. Inzwischen aber weiß man, dass manche Stoffwechselprodukte der Darmbakterien, so genannte Metabolite, diese Barriere zum Gehirn überwinden. Und so könnten Entzündungsbotenstoffe auch ins Gehirn gelangen.
Versuche an Mäusen
Solche Aussagen stützen sich allerdings meist auf Versuche an Mäusen. In Bezug auf den Menschen können die Forscher oft nur Zusammenhänge beobachten. Also zum Beispiel, wie eine große Gruppe von Menschen sich ernährt – und welche Krankheiten sie bekommt.
Hier fällt besonders die westliche Ernährungsweise negativ auf. Wer viel Fleisch, viel tierisches Fett, Frittiertes und Zucker isst, bekommt statistisch häufiger körperliche Erkrankungen wie Diabetes und Stoffwechselstörungen – aber eben auch geistige Auffälligkeiten, wie eine Verschlechterung der Gehirnfunktion und eine Zunahme von Ängsten. Allerdings bleibt das Henne-Ei-Problem: Führen Ängste zu einer schlechteren Ernährungsweise – oder umgekehrt?
Die Darmflora kann den Verlauf von Depressionen beeinflussen
Eine weitere Beobachtung ist in diesem Zusammenhang, dass Menschen mit Depressionen auch Veränderungen in der Darmflora aufweisen, sagt die Psychiaterin und Psychosomatikerin Kamila Jauch-Chara:
Ein Weg zur seelischen Heilung könnte es also sein, die Mikroorganismen im Darm wieder aufzupäppeln.
Joghurt als Depressionsprophylaxe
Die Idee von Kamila Jauch-Chara klingt erstaunlich simpel: Sie möchte ihren stationären Depressionspatient:innen vier Wochen lang täglich probiotischen Joghurt verordnen. Der enthält nämlich Bakterienstämme, die auch im Darm beheimatet sind. Zu Beginn und am Ende der Studie soll die Darmflora der Patienten analysiert und ihre Stimmung per Fragebogen erhoben werden. Die Joghurtindustrie, versichert die Forscherin, sei nicht beteiligt.
Kein Ersatz für Psychotherapie
Ganz wichtig ist ihr auch zu sagen: Ernährung kann eine zusätzliche Therapie bei Depressionen sein, bei weitem nicht die einzige und erste.
Mehr Vollkornprodukte, mehr Ballaststoffe
Die Forscherin glaubt auch: Es wird nicht bei Joghurt allein bleiben. Wahrscheinlich werde es viele Lebensmittel geben, die hierzu verwenden können. Sie starten mit Probiotika, weil in Tierexperimenten gute Ergebnisse entdeckt wurden. Man wisse aber auch, dass das menschliche Mikroorganismen durch Vollkornprodukte günstig beeinflusst werden können. "Es dauert länger. Es kann aber sein, dass jenseits gesunder Ernährung bestimmte Nahrungsmittel noch an Bedeutung zu nehmen. Und das sind die Präbiotika. Alles, was ballaststoffreich ist, gehört in diesen Bereich", so die Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Kiel.
Ernährungsumstellung braucht langen Atem
Fest steht: Wer seine Ernährung ändert, ändert allmählich auch seine Bakterienzusammensetzung im Darm. Hoch im Kurs steht derzeit die mediterrane Diät mit viel frischem Gemüse, Olivenöl, etwas Fisch, Nüssen und Vollkornprodukten – und wenig Fleisch. Sie soll entzündungshemmende Effekte haben.
Der Diabetologe und Entzündungsforscher Matthias Laudes betont aber, dass bei der Ernährungsumstellung ein langer Atem gefragt ist:
Gesunder Körper, gesunder Geist
Obwohl also noch nicht abschließend bewiesen ist, in welchem Ausmaß unsere Ernährung unsere Stimmung und unsere psychische Gesundheit beeinflusst, schadet es nicht, sich schon einmal mit weniger Zucker und gesättigten Fetten vollzustopfen und auf eine mediterrane Ernährung umzuschwenken. Dass es dem Körper gut tut, gilt als bewiesen. Und in einem gesunden Körper wohnt ja bekanntlich auch ein gesunder Geist.