In Kürze wollen mehrere Unternehmen Bergbauprojekte in der Tiefsee starten, um Rohstoffe für Batterien zu fördern. Doch das Vorhaben stößt auch auf Kritik.
Noch kein Regelwerk für Tiefsee-Bergbau
Das Interesse am Abbau von Metallen in der Tiefsee ist groß und bald wollen einige Unternehmen Bergbauvorhaben starten – doch die Regeln dafür fehlen bislang. Deshalb tagt zurzeit die Internationale Meeresbodenbehörde- International Seabed Authority – kurz ISA – in Jamaica.
Bis zum 9. Juli 2023 muss die ISA ein Regelwerk für den Tiefsee-Bergbau vorlegen, sonst können interessierte Unternehmen den Abbau auch abseits gesetzlicher Regelungen beantragen.
Abbau von Manganknollen umstritten
Besonders begehrt sind Manganknollen. Die Unternehmen argumentierten, dass die in den Knollen enthaltenen Metalle helfen könnten, den steigenden Rohstoffbedarf für die Energiewende zu decken. Forschende warnen jedoch, dass der Tiefsee-Bergbau große – und wenig erforschte – Risiken für die Ökosysteme am Meeresboden bedeutet.
Dr. Matthias Haeckel, Meeresbiologe am GEOMAR Helmholtz Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, prognostiziert düstere Folgen für den Tiefsee-Bergbau. Der Abbau der Knollen werde die Ökosysteme der Tiefsee in nicht absehbarem Ausmaß zerstören und die Veränderungen würden voraussichtlich Millionen Jahre anhalten. Das Problem: Bei einem Abbau in der Tiefsee wird die gesamte belebte Zone des Meeresbodens zusammen mit den kartoffelförmigen Manganknollen abgetragen, die Maschinen funktionieren wie große Staubsauger.
Damit sich der Abbau in vier bis fünf Kilometern Tiefe lohnt, müssten etwa zwei bis drei Millionen Tonnen Knollen pro Jahr und Abbau-Operation geerntet werden. Das bedeutet 200 bis 300 Quadratkilometer Fläche, die dann komplett abgetragen werden, weil dort die Manganknollen dicht an dicht liegen.
Lebensraum vieler Arten gefährdet
Die Entnahme der Manganknollen zerstört so ein sehr artenreiches Tiefsee-Ökosystem, erklärt Ozeanforscherin Dr. Sabine Gollner, die in den Niederlanden zur Biodiversität in Ozeanen forscht. Auf den Knollen wachsen Schwämme und Korallen, die wiederum etlichen anderen Tieren Lebensraum bieten – einige davon sind noch unentdeckt.
Mit den Manganknollen verschwinden auch die auf ihnen und von ihnen lebende Arten möglicherweise für Millionen Jahre, so Gollner. Denn Manganknollen entstehen extrem langsam aus Ablagerungen – in einer Million Jahre werden sie gerade mal wenige Millimeter dicker.
Auswirkungen des Tiefseebergbaus unklar
Und welche Rolle die Knollen im weitgehend unbekannten Ökosystem der Tiefsee spielen, ist immer noch unklar. Deshalb warnt auch Matthias Haeckel, dass gar nicht klar ist, wie groß die Auswirkungen des Tiefsee-Bergbaus tatsächlich sein könnten. Wir reden auf jeden Fall über langfristige Schädigung, erklärt Haeckel.
Knollen enthalten seltene Erden
Auf der anderen Seite des Meeresschutzes steht das Argument der Abbaufirmen: Die Metalle, die in den Manganknollen am Meeresboden enthalten sind, seien dringend nötig um den wachsenden Bedarf an Batterien zu decken.
Tatsächlich enthalten die Manganknollen seltene Erden, Lithium, Mangan, Kobalt und viele weitere Elemente. Die meisten – wie auch Lithium – liegen aber nur in geringen Konzentrationen vor. Nur die Gewinnung von Kupfer, Kobalt, Mangan und Nickel lohnt sich. Andreas Manhart vom Ökoinstitut Freiburg, hat das in einer Studie umfassend untersucht und schlussfolgert: Nur Kobalt und Mangan könnten den Weltmarkt spürbar entlasten.
Laut Manhart lohne sich mengenmäßig abgesehen vom Mangan nur die Tiefsee-Förderung von Kobalt. Das Metall werde ebenfalls in Lithium-Ionen-Batterien verbaut. Doch da sehe man in den letzten Jahren einen ganz klaren Trend weg vom Kobalt.
Folglich sei der Tiefseebergbau nicht notwendig, um die Energiewende voranzutreiben – so Manhart. Allerdings räumt er ein, dass es schwierig ist, die Rohstoffnachfrage für die nächsten Jahrzehnte vorherzusagen, denn es komme darauf an, welches Szenario man zugrunde legt.
Detailfragen bleiben offen
Die Wissenschaft kann bis zur Entscheidung der ISA im Juli 2023 noch keine Detailfragen klären. Zum Beispiel wie groß eine Abbaufläche sein darf und wo Schutzzonen eingerichtet werden sollen. Deshalb hoffen Forscherinnen und Forscher, dass mit zunehmendem Wissen über das Ökosystem und die Schädigung durch den Tiefseebergbau die Regeln in Zukunft angepasst werden.
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