Am 5. November findet die Präsidentschaftswahl in den USA statt. Wie bei den letzten Wahlen stellt sich erneut die Frage, ob Desinformation Einfluss auf den Ausgang der Wahl nehmen kann.
Welchen Einfluss kann Desinformation wirklich auf Wahlen haben? Wie kann man das überhaupt messen oder schätzen? Was sind US-spezifische Faktoren, die das Land anfälliger oder resistenter dagegen machen?
Wie sieht es juristisch aus – was fällt unter Desinformation, wann ist das strafbar und wann zulässige Meinungsäußerung? Und welche Desinformations-Kampagnen konnten in diesem Wahlkampf bereits identifiziert werden, welche sind zu erwarten? Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft haben sich auf Einladung des Science Media Centers damit auseinandergesetzt.
Verbreitung von Fake News in den USA einfacher als in Europa
Eine große Rolle bei der Verbreitung von Fake News spielt der Medienmarkt in den USA. Dort gibt es kaum öffentlich- rechtliche Strukturen wie in Deutschland, sondern einen komplett liberalisierten Markt.
Das hat dazu geführt, dass hier sehr viel in der privaten Hand von großen Tech-Unternehmen ist. Diese verbinden dann Print und Fernsehen noch mit digitalen Plattformen und haben so eine riesige Schlagkraft. Curd Knüpfer von der dänischen Uni Ostende ist Experte für politische Kommunikation in den USA. Er weist darauf hin, dass in den USA ganze Tech-Sektoren und Einzelpersonen mit diesen Medienunternehmen mittlerweile auch ideologische Interessen verfolgen.
Tech-Konzerne und Milliardäre nehmen Einfluss auf Berichterstattung
Da ist Elon Musk zu nennen, der sich klar für Trump positioniert und Jeff Bezos, Chef von Amazon, der der ihm unterstellten Zeitung Washington Post verboten hat, sich für die Demokraten einzusetzen. Das sind klare Signale. Schwieriger ist es, die tatsächliche Auswirkung von Desinformation auf die Wahlen zu erforschen, beschreibt Edda Humbrecht, Expertin für Desinformation an der Uni Jena:
"Wir wissen mittlerweile von Desinformation, dass es weniger darum geht, dass Menschen getäuscht werden durch einzelne Geschichten, sondern die Problematik eher darin besteht, dass es zu Verunsicherung führt und Vertrauensverlust in die Demokratie, insbesondere vor Wahlen. Wir haben das erlebt bei den letzten Wahl und der Aussage, die Wahl sei geklaut worden, was dann in den Sturm auf das Capitol gegipfelt hat."
Negativ-Kampagnen habe gerade bei den Republikanern eine gewisse Tradition
Desinformation zielt darauf, das Vertrauen in demokratische Prozesse zu erschüttern. Die Republikaner setzen dabei stark auf negatives Campaigning. Das bedeutet, den politischen Gegner zu verleumden und bereits bestehende Vorurteile zu verstärken.
Ein Beispiel dafür ist, dass Trump im Zusammenhang mit den Hurrikanschäden gesagt hat, Präsident Biden würde republikanische Staaten beim Wiederaufbau und der finanziellen Unterstützung vernachlässigen. Negatives Campaigning ist in den USA schon lange ausgeprägt - und wird eigentlich nur von den Republikanern in großem Stil betrieben.
Tatsächlich werden die Demokraten da viel schärfer beobachtet, sagt der Politologe Curd Knüpfer: "In der Tat ist es so, dass die Demokraten vor allem auch von Pressevertretern, von Institutionen oftmals so behandelt werden, als müssten sie sich an die Regeln halten. (…) und dagegen hat man diese Gegenspieler, Donald Trump, disruptiv et cetera, wo nicht die gleichen Maßstäbe genutzt werden, weil man ja eh davon ausgeht, dass er macht, was er will."
Demokraten nutzen keine KI für Wahlwerbung
Ähnlich verhält es sich auch beim Einsatz von KI im Wahlkampf. Bei den Demokraten gibt es eine klare Leitlinie, dass man keine generative KI benutzt für Wahlkampfwerbung, sondern nur für die Analyse. Bei den Republikanern dagegen gibt es keine Grenze. Trumps Wahlkampfteam nutzt generative KI, um Fake-Bilder zu produzieren - zum Beispiel von Taylor Swift, die angeblich für Trump wirbt oder Kamela Harris, die als Kommunistin abgebildet wird.
Oder Bilder, auf denen Trump von afroamerikanischen Frauen umarmt wird - alle eigentlich klar als Fälschung erkennbar. Aber dass das Trump nicht schadet, zeigt die Schwäche der etablierten Institutionen in den USA. Die können Fake News und Desinformation nicht mehr einfangen und auch nicht mehr mit wahren Informationen dagegen halten. Da haben bereits ganz viele Schutzmaßnahmen versagt.
Gefahr durch manipulierte Inhalte Welchen Einfluss hat KI auf Wahlen?
Experten befürchten, dass im Zuge von Wahlen vermehrt KI zum Einsatz kommt, um Desinformationen zu verbreiten und die Menschen zu beeinflussen.
Russische Strategie: westliche Demokratien destabilisieren durch Desinformation
Ein banger Blick geht auch immer nach Russland, das im US-Wahlkampf seine ganz eigenen Interessen verfolgt. In der Regel ist die russische Strategie recht schlicht - nämlich durch Desinformation die Demokratie zu destabilisieren. In den USA hätten sie dabei besonders leichtes Spiel, betont Kommunikationswissenschaftlerin Humbrecht:
"Die USA ist so polarisiert, dass sie da eigentlich gar nicht mehr so viel machen müssen. (…) Also, es wird sicher Desinformation geben und das spielt auch eine Rolle, weil es eben diesen Effekt hat, generelle Verunsicherung herbeizuführen und eben auch ein gewisses Gefühl bei den Bürgerinnen und Bürgern: Was kann ich denn eigentlich noch glauben, oder kann ich überhaupt noch irgendwas glauben?
Zudem versucht Russland gerade, Influencer an sich zu binden, die in Social-Media-Nischen sehr erfolgreich sind und viele tausend Follower haben. Zum Beispiel Gamer, die live Videospiele spielen. Das scheint die neue Strategie von Russland zu sein, gezielt diese Nischen zu besetzen und von dort aus auch noch Verunsicherung zu streuen.
Versagen vieler Gatekeeping-Mechanismen
Trotzdem warnen Expertinnen und Experten davor, später vor allem Desinformationskampagnen für den Wahlausgang verantwortlich zu machen. Damit würde man nur einer Wahrheit ausweichen, die wir alle nicht wahrhaben wollten. Der Politiloge Curd Knüpfer geht davon aus, "dass sich mittlerweile ein Großteil des Establishments in den USA von der Demokratie losgesagt hat, dass eine der zwei großen Parteien jetzt relativ offen auf Bundesebene faschistischen Parolen eine Plattform bietet."
Er glaubt, man müsse das "als sytemische Krise sehen. Da haben ganz viele Gatekeeping-Mechanismen versagt in den USA". Und, so Knüpfer, es sei jetzt die "große Geschichte, dieses Umschwenken von wirklich antidemokratischen, illiberalen Parolen und einer Politik, der das komplett egal sein wird, welche Regularien die EU rausgibt et cetera, wenn sie an die Macht kommt."
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