Bildung

BW beschließt Sprachförderung für Kinder - wie kann die aussehen?

Stand
Interview
Martin Gramlich (SWR Kultur Impuls) im Gespräch mit Dr. Nicole Bachor-Pfeff (PH Karlsruhe)
Onlinefassung
Lilly Zerbst
Portraitbild der Reporterin Lilly Zerbst.
Autor/in
Knut Bauer
SWR-Reporter und -Redakteur Knut Bauer

Jedes fünfte Kind in der vierten Klasse kann nicht richtig lesen und rechnen. Die Landesregierung in Baden-Württemberg will dem mit einem Programm zur Sprachförderung für Kitas entgegenwirken.

Mit einem breit angelegten Programm zur Sprachförderung an Kitas und Grundschulen reagiert die Landesregierung in Baden-Württemberg auf den Leistungsabfall vieler Schüler. Erste Maßnahmen des neuen Konzepts starten bereits im kommenden Schuljahr.

Politik will frühe Sprachförderung von Kindern fördern

Nach den schlechten Testergebnissen bei den letzten Bildungsstudien gibt der baden-württembergische Ministerpräsident ein klares Ziel vor:

Alle Kinder sollen am Ende der Grundschule vernünftig lesen, schreiben und rechnen können.

Dafür sollen Kinder mit Sprachdefiziten frühzeitig gefördert werden. Wer bei den Einschulungsuntersuchungen mit erheblichen sprachlichen Problemen auffällt, soll in Zukunft bereits ein Jahr vor der Einschulung eine verbindliche Sprachförderung erhalten – vier Stunden pro Woche in kleinen Gruppen. Grünen-Kultusministerin Theresa Schopper betont, wie wichtig es ist, Kinder schon früh zu fördern:

Die Kinder, die am Anfang nicht im Zug sitzen, sondern nur die Rücklichter des Zuges sehen, haben auch später nicht die Türe offen.

Expertin hält das Programm für "Schritt in die richtige Richtung"

Martin Gramlich, SWR Kultur Impuls, hat mit Dr. Nicole Bachor-Pfeff von der Pädagogischen Hochschule (PH) Karlsruhe zur frühkindlichen Sprachförderung gesprochen.

SWR Kultur Impuls: Die Landesregierung will verpflichtende Sprachförderung schon vor der Einschulung, wenn Förderbedarf festgestellt wird. Sie will Einrichtung von sogenannten Juniorklassen für Kinder, die auch nach so einer Sprachförderung noch nicht genug Deutsch sprechen. Für die Grundschule und auch in der ersten und zweiten Klasse soll es zusätzliche Sprachförderstunden geben. Sind das die richtigen Maßnahmen?

Nicole Bachor-Pfeff: Alle Maßnahmen, die in die Richtung Sprachförderung gehen, sind aktuell richtig und wichtig. Denn wir brauchen Sprachförderung verstärkt und immer mehr an der Schule. (...) Die Frage, ob es Optimierungsbedarf an der einen oder anderen Stelle gibt, die stellt sie natürlich auch. Aber es ist auf jeden Fall mal der richtige Schritt in die richtige Richtung.

Jedes fünfte Kind in der vierten Klasse kann nicht richtig lesen und rechnen. Die Landesregierung  BW bringt deshalb ein Programm zur Sprachförderung auf den Weg.
Jedes fünfte Kind in der vierten Klasse kann nicht richtig lesen und rechnen. Die Landesregierung BW bringt deshalb ein Programm zur Sprachförderung auf den Weg.

Kritik: Zu wenige ausgebildete Lehrkräfte für die Sprachförderung

SWR Kultur Impuls: Was fehlte aus ihrer Sicht noch?

Nicole Bachor-Pfeff: Ich bin mir noch nicht ganz sicher, wie die Ausbildung der Leute aussehen soll, die nachher diese Konzepte und die Sprachbildung durchführen. Also so, wie es da im Moment für mich aus den Schriften zu lesen ist, fehlt es mir an der genügenden Ausbildung.

Da sehe ich noch nicht, wie das gestaltet werden soll. Da hoffe ich auf eine positive Überraschung. Ich weiß von Seiten der Hochschulen, dass wir alle Signale gesendet haben, hier zu unterstützen und Programme anzubieten, Programme zu entwickeln. Aber da sind wir jetzt einfach mal neugierig.

Sprachförderung in Kitas - Schritt in Richtung Bildungsgleichheit

SWR Kultur Impuls: Ministerpräsident Kretschmann hat zu dem neuen Sprachförderungsprogramme gesagt, das sei eines der wichtigsten Projekte der Landesregierung überhaupt. Wie sehen Sie das? Ist die Sprachförderung bisher oft unterschätzt worden?

Nicole Bachor-Pfeff: Ja, es ist unterschätzt worden. Und ich bin sehr froh und sehr dankbar, dass der Fokus jetzt endlich darauf fällt. Denn die Schere der Bildungsbenachteiligung geht wirklich extrem weit auseinander und immer weiter, weil wir an der Sprachkompetenz der Kinder scheitern.

Vorlesen trägt der Sprachförderung bei - ob zu Hause oder in der Kita.
Vorlesen trägt der Sprachförderung bei - ob zu Hause oder in der Kita.

Ich möchte jetzt gar nicht unbedingt von der Zweitsprach-Kompetenz sprechen, sondern davon, wie viel in einer Familie kommuniziert wird, wie viel Wert auch auf Bildungssprache gelegt wird. Bildungssprache fängt bei mir schon da an, wenn ich anfange, den Kindern etwas vorzulesen.

Wenn Kinder aus einem Elternhaus kommen, in dem das nicht praktiziert wird, in dem Schrift keine Alltagsrelevanz hat, dann habe ich ein Problem, wenn diese Kinder in die Schule kommen, und da hat die Kita eine unglaubliche Aufgabe.

Aus Studien wissen wir, dass die Kinder, je jünger sie sind, umso sensibler sind. Und dass wir in dieser Phase unheimlich viel bewerkstelligen können, was dann später in der Schule mit viel mehr Aufwand neben dem Schulalltag laufen muss.

Sprachförderung an Kitas: Je früher desto besser

SWR Kultur Impuls: Welche Rolle spielten prinzipiell der Kita-Besuch vor der Grundschule?

Nicole Bachor-Pfeff: Auf jeden Fall spielt der Kita-Besuch eine ganz große Rolle (...) Wenn wir hier gut ausgebildete Sprachförderkräfte haben oder Sprachbildner:innen, dann haben wir eine große Chance. Dann brauchen wir auch nicht über Juniorklassen oder sowas zu sprechen, denn ich bin mir völlig sicher, dass wir in dieser Zeit sehr, sehr, sehr viel bewirken können.

SWR Kultur Impuls: Das setzt aber natürlich auch voraus, dass die Kinder in die Kita gehen.

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