Mikroorganismen brauchen häufig Jahrhunderte, um Plastik zu zersetzen. Doch es gibt Ausnahmen: Bestimmte Bakterien können Plastik innerhalb von Monaten auflösen. Diese Bakterien bauen Forschende aus den USA jetzt direkt in das Plastik ein.
In der Apotheke kann man die Bakterien bei Darmproblemen schon kaufen, jetzt soll das Bakterium Bacillus subtilis auch in bestimmten Plastikprodukten leben. Ihr Job: Sie sollen darin erstmal schlummern und dann, wenn das Plastikteil im Müll landet, wachen die Bakterien auf. Die Bakterien sollen das Plastik möglichst schnell und umweltfreundlich zersetzen – so die Idee eines Forschungsteams aus den USA.
Bakterien zersetzen Plastik binnen 5 Monaten
Die Voraussetzungen klingen zunächst gut: Bestimmte Stämme des Bakteriums Bacillus subtilis können Plastik schnell zersetzen. Sie können als Bakteriensporen unter extremen Bedingungen überleben und sich wieder vermehren, wenn die Bedingungen nicht mehr widrig sind.
Das heißt auch: Die Bakterien können in Plastikteilen jahrzehntelang schlummern. Wird das Plastikteil dann später auf dem Kompost entsorgt, werden die Bakterien wieder aktiv und können laut den Studienautoren eine bestimmte Kunststoffart, die Polyurethane, innerhalb von fünf Monaten zu 90 Prozent zersetzen.
Sind die Bakterien auch für die Industrie nutzbar?
Das wäre schnell genug für den Abbau von kleinen Mengen auf dem Kompost, in großen Anlagen müsste der Abbau aber nochmal deutlich schneller gehen, sagt Mikrobiologe Wolfgang Streit von der Universität Hamburg:
Hitze bei Produktion von Plastik stellt Forschende vor Herausforderung
Klar ist: Die verwendeten Bakterien müssen nicht nur lange im Plastik leben können, sondern auch die hohen Temperaturen bei der Kunststoffherstellung überleben. Viele Kunststoffe müssen bei der Herstellung auf über 130 Grad Celsius erhitzt werden. Eigentlich zu heiß für die Bakterien, doch genau dieses Problem hat das Forschungsteam gelöst.
Bakterien werden durch natürliche Selektion hitzeresistent
Sie haben Bakterien so verändert, dass sie auch mit höheren Temperaturen umgehen können. Das Team hat dazu die Prinzipien der natürlichen Evolution ausgenutzt und die Bakterien fast dazu gezwungen, auch mit höheren Temperaturen klarzukommen. Dazu haben die Forschenden die Bakteriensporen immer wieder kurz auf über 100 Grad erhitzt. Ein starker Selektionsdruck – eigentlich sind die Bakterien auf solche Lebensbedingungen nicht angepasst.
Und so sind nach dem ersten Erhitzen direkt über 90 Prozent der Bakteriensporen zerstört worden. Aber ein paar Prozent haben überlebt - sie haben wahrscheinlich zufällige Erbgutveränderungen in sich, um mit Hitze besser klarzukommen. Also konzentrierten sich die Forschenden auf die wenigen überlebenden Bakteriensporen.
Die Bakterien durften sich nach dem Erhitzen erholen und konnten sich wieder vermehren. Dann wurden die Bakterien wieder erhitzt und die Überlebenden wieder eingesammelt. Diesen Prozess hat das Forschungsteam über 40-mal wiederholt und die Temperatur immer weiter gesteigert.
Am Ende haben 100 Prozent der Bakterien überlebt - bei Temperaturen von über 135 Grad. Die Forschenden haben also Bakterien gezüchtet, die auch bei höheren Temperaturen für wenige Minuten überleben können.
Kritik an Hitze-Verfahren bei Bakterien
Damit werden die Plastik-fressenden Bakterien erst so richtig interessant. Bei der Kunststoffherstellung werden sie jetzt nicht mehr zerstört und können später, wenn zum Beispiel die Plastik-Handyhülle auf dem Müll landet, diese in wenigen Monaten zersetzen. Klar ist aber auch: Die Bakterienzucht mit dem ständigen Erhitzen und gezielten Aussortieren ist umstritten:
Mikrobiologe Wolfgang Streit glaubt, dass solche Produkte derzeit in Europa wenig Chancen auf eine Zulassung hätten.
Plastik-fressende Bakterien auch "solo" einsetzbar
Der Ansatz sei wissenschaftlich sehr interessant, aber er hält den Einsatz von Plastik-fressenden Bakterien in anderer Form für sinnvoller: Die Bakterien müssten gar nicht in das Plastik direkt eingeschlossen werden. Stattdessen könnten Bakterien, oder auch nur Enzyme in Zukunft das eingesammelte Plastik in großen Anlagen wahrscheinlich viel effizienter recyceln – sagt Wolfgang Streit:
Und das wäre in Zukunft zumindest für einige Kunststoffarten denkbar. Außerdem könnten in Zukunft noch mehr Enzyme gefunden werden, die beim Plastik-Abbau helfen.
Ob die Bakterien dann aber direkt ins Plastikprodukt eingeschlossen werden, ist eine ganz andere Frage. Aber klar ist: Zumindest im Labor kann das Bakterien-Plastik in wenigen Monaten abgebaut werden.
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