Der Biontech/Pfizer Impfstoff ist für Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen. Aber die Stiko empfiehlt die Impfung bisher nur für Kinder mit Risikofaktoren. Was spricht dafür, was dagegen?
Die Verwirrung ist vorprogrammiert: Die EMA hat den Impfstoff von Biontech/Pfizer für Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen, aber die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Impfung von Heranwachsenden nur für sogenannte Risikokinder. Grund ist die bisher zu dünne Datenlage zu Impfungen an Kindern.
Doch aus der Politik kommt Druck, möglichst viele Jugendliche zu impfen, um rasch die Herdenimmunität zu erreichen und im Herbst der möglichen vierten Corona-Welle widerstehen zu können. Und viele Jugendliche sagen, sie möchten geimpft werden, um wieder mehr Freiheiten zurück zu erhalten.
Kinder gegen Covid-19 impfen oder nicht? Pro und Contra aus der SWR Wissenschaftsredaktion
Pro: "Kinder nicht zu impfen ist egoistisch"
Von David Beck
"Wer seine Kinder nicht impfen lassen will, ist egoistisch. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich verstehe, dass sich Eltern große Sorgen machen. Wahrscheinlich mehr als um sich selbst und das ist auch gut so, denn Kinder brauchen besonderen Schutz. Deswegen wollen viele – natürlich Eltern, aber auch die Stiko – noch warten, ob sich die Impfstoffe auch für Kinder als wirklich sicher erweisen. Aber das geht nur, wenn Kinder damit auch geimpft werden. Denn nur so fallen seltene und sehr seltene Nebenwirkungen auf. Und zu sagen 'Ja, Kinder sollen damit geimpft werden, damit wir herausfinden, ob der Impfstoff auch sicher ist – aber bitte nicht meine' ist egoistisch.
Auch zu sagen 'Aber Kinder haben doch kein großes Risiko schwer zu erkranken' ist egoistisch – weil es beim Impfen nicht nur um den individuellen Schutz geht. Jede Impfung kann Infektionsketten unterbrechen und so andere Menschen schützen. Dieser Effekt ist umso größer, wenn durch Impfungen symptomlose Infektionen verhindert werden, wie sie eben bei Kindern sehr häufig sind. Diese fallen seltener auf und das Ansteckungsrisiko für andere ist größer als bei Menschen, die isoliert sind.
Oft haben Kinder im Kindergarten, in der Schule und bei Freunden sehr viele Kontakte. Deshalb gibt es auch viele Menschen, die man schützen kann, indem Kinder geimpft werden. Dadurch werden natürlich auch die Kinder selbst geschützt. Denn auch wenn es selten ist: Kinder können schwer an Covid-19 erkranken und sie können – auch bei symptomlosen Infektionen – an Langzeitfolgen leiden.
Das Prinzip, andere durch Impfungen zu schützen, ist nicht neu. Spätestens seit Beginn der Corona-Pandemie wissen auch die meisten von uns, wie das heißt: Herdenimmunität. Wenn wir die erreichen wollen, dann müssen wir so viele Menschen wie möglich impfen – auch Kinder."
Contra: "Kinder müssen einen echten Nutzen von der Impfung haben"
Von Veronika Simon
"Ohne Frage: Es ist gut und wichtig, dass es Corona-Impfstoffe gibt, die man auch bei Kindern und Jugendlichen einsetzen kann. Es gibt bestimmte Vorerkrankungen oder auch besondere Konstellationen, bei denen alle froh sind, wenn die Kinder vor einer Corona-Infektion geschützt sind.
Geht es um die breite Masse, sieht die Kosten-Nutzen-Rechnung anders aus. Wenn ein gesundes Kind geimpft werden soll, muss es auch selbst einen echten Nutzen davon haben. Schließlich entscheidet es nicht allein, ob es geimpft wird.
In der aktuellen Pandemie sind Kinder zwar von den Umständen stark belastet, die Krankheit selbst bedroht sie aber nicht so schwer. Es gibt auch im jüngeren Alter schwere Verläufe, aber die sind sehr selten. Man muss sich sehr sicher sein, um den Eltern guten Gewissens zu raten, ihre Kinder trotzdem impfen zu lassen. Eigentlich geht das nur, wenn das Risiko durch die Impfung quasi gleich null ist. Doch das kann man aktuell noch nicht ganz sicher sagen. Die Impf-Studien mit Jugendlichen waren zu klein, um sehr seltene Nebenwirkungen auszuschließen.
Natürlich ist das langfristige Ziel, eine Herdenimmunität in der Bevölkerung zu erreichen. Dafür ist jeder und jede Geimpfte wichtig, egal wie alt. Aber die Sicherheit der Impfungen bei Kindern wiegt schwerer als der passive Schutz von Erwachsenen. Zumal Erwachsene selbst die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen.
Wenn alle Lehrer, Trainer und Eltern geimpft sind, gibt es aus medizinischer Sicht keine Eile mehr für eine Impfung bei gesunden Kindern und Jugendlichen.
Dieser Meinung ist übrigens auch die Weltgesundheitsorganisation: Sie drängt darauf, erstmal weltweit die Alten und die besonders Gefährdeten zu impfen, bevor in den reichen Ländern die Kinder dran kommen. So könnte der immer noch knappe Impfstoff eingesetzt werden, um schwere Verläufe zu verhindern und Menschenleben zu retten."