Zwei Besatzungsmitglieder der Mission Polaris Dawn sind aus ihrem Raumschiff in der Umlaufbahn für wenige Minuten ins freie Weltall ausgestiegen. Es war der erste privat finanzierte "Weltraumspaziergang".
Zwei Besatzungsmitglieder der Weltraummission Polaris Dawn sind aus ihrem Raumschiff in der Umlaufbahn für wenige Minuten ins freie Weltall ausgestiegen. Es war der erste privat finanzierte sogenannte Weltraumspaziergang. Polaris Dawn ist eine Mission des US-amerikanischen Unternehmers und Milliardärs Jared Isaacman.
Polaris Dawn: Weltraumspaziergang diente auch dem Test neuer Raumanzüge
Sehr enganliegender Schnitt, Superheldendesign, nichts auf dem Rücken und feingliedrige Handschuhe - so sehen die Anzüge aus, die SpaceX der Mannschaft der Polaris Dawn-Mission geschneidert hat. Ganz im Gegensatz zu den dicken, etwas unförmigen Anzügen mit großem Rucksack, die auf der ISS im Einsatz sind.
Die Astronauten der Polaris Dawn-Mission müssen allerdings auch nicht, wie auf der ISS, mehr als sechs Stunden ins All, sondern betraten nur für jeweils 20 Minuten ein Skywalker genanntes Gestell, das an die Raumkapsel montiert ist. Bis zu den Knien ragte ihr Körper dann ins freie Weltall.
In dieser Zeit testeten sie die SpaceX-Anzüge auf ihre Funktionalität. Sie erhielten den Sauerstoff währenddessen nicht aus einem Versorgungstornister auf dem Rücken, sondern per Schlauchleitung aus dem Raumschiff. An dieser Versorgungsleitung hingen nicht nur jene zwei Astronauten, die die Kapsel verließen, sondern auch die anderen zwei Besatzungsmitglieder.
Denn: Für die Dauer des ersten privat finanzierten Spacewalks musste das komplette Raumschiff luftleer gepumpt werden. Die für die Mission benutzte Kapsel von SpaceX ist zu klein, um eine Luftschleuse einzurichten. Deshalb wurde die ganze Kapsel von Luft leergepumpt und dann einfach die Tür zum All geöffnet - das komplette Innere des Raumschiffs und alle vier Besatzungsmitglieder wurden unmittelbar dem Vakuum des Alls ausgesetzt und mussten deshalb ihre schützenden Druckanzüge tragen.
Start der Polaris Dawn Mission wurde mehrfach verschoben
Die Mission mit vier Privatpersonen sollte ursprünglich bereits Ende August starten, wurde aber wegen schlechter Wetterbedingungen mehrfach verschoben. Polaris Dawn - übersetzt Polarstern Morgendämmerung - so lautet der Name der Weltraummission, sollte ursprünglich am 27. August 2024 von Cape Canaveral/Florida aus starten. Jedoch machten zuerst ein Heliumleck und dann schlechte Wetterbedingungen für die sechs Tage nach dem Start geplante Rückkehr zur Erde einen Strich durch die Rechnung.
Am 10. September 2024 musste der Start dann nochmals um etwa zwei Stunden verschoben werden. Denn nicht nur bei der Landung, auch beim Start spielt das Wetter eine entscheidende Rolle. So müssen die Wetterbedingungen im Fall eines Flugabbruchs eine Notlandung auf dem Wasser zulassen, die Wellen auf dem offenen Meer dürfen dafür nicht zu hoch sein. Polaris Dawn startete schließlich am 10. September 2024 um 11.23 Uhr MESZ und erreichte ohne Probleme seine Umlaufbahn.
An Bord befinden sich zwei Männer und zwei Frauen. Allesamt sind keine Berufsastronauten, sondern Privatpersonen. Organisiert und finanziert wird der Flug von Jared Isaacman, einem US-amerikanischen Unternehmer mit Weltallerfahrung. Er fliegt nun schon zum zweiten Mal ins All. Uwe Gradwohl vom SWR beantwortet die wichtigsten Fragen zur Mission Polaris Dawn.
Wer ist Jared Isaacman?
Jared Isaacman ist ein US-amerikanischer Pilot und Inhaber eines Unternehmens, das Kampfpiloten ausgebildet. Die Mission Polaris Dawn ist bereits der zweite Flug von Isaacman ins All. Sein erster Flug im September 2021 war auch der erste Start einer Crew, zu der kein einziger Berufsastronaut gehörte.
Isaacman selbst war Commander der Mission an Bord einer Raumkapsel des Raumfahrtunternehmens SpaceX. SpaceX hat seine Raumschiffe vom Typ Crew Dragon mit NASA-Geld entwickelt. Sie sind aber im Besitz von SpaceX und können sowohl von der NASA als auch von gut betuchten Privatpersonen gechartert werden. In diesem Fall war das Jared Isaacman.
Der Flug dauerte damals drei Tage und stand im Zeichen einer Spendensammlung für ein amerikanisches Kinderkrankenhaus. Knapp 240 Millionen US-Dollar wurden bei der Mission Inspiration4 gesammelt, der Großteil davon kam von Isaacman selbst und von Elon Musk, dem Besitzer des Raumfahrtunternehmens SpaceX.
Wie soll der Weltraumflug dieses Mal verlaufen?
Diesmal will Isaacman nicht drei, sondern fünf Tage im All bleiben. Der Flug soll zu mehreren Premieren und Rekorden in der Raumfahrt führen. Seine Mitflieger sind ein ehemaliger US-Kampfpilot und zwei Angestellte von SpaceX - für alle drei ist es der erste Aufenthalt im All.
Ihr Raumschiff vom Typ Crew Dragon soll die Erde auf 1.400 Kilometer Höhe umkreisen - höher als je zuvor ein Raumschiff mit Menschen an Bord. Nur bei den Apollo-Flügen zum Mond waren Menschen noch weiter von der Erde entfernt. Dabei wird der Crew Dragon zeitweise auch durch den sogenannten Van-Allen-Gürtel fliegen - einen Bereich mit intensiver gesundheitsgefährdender kosmischer Strahlung, in dem sich Raumfahrer nicht allzu lange aufhalten sollten.
Statt eines großen Panoramafensters für den Blick auf die Erde wie bei Isaacmans erstem Flug verfügt der Crew Dragon nun über eine Tür zum All. Durch sie sollen erstmals zwei Privatastronauten die Raumkapsel verlassen und 15 bis 20 Minuten außerhalb des schützenden Raumschiffs verbringen. Das wäre der erste private Weltraumspaziergang.
Für den Außeneinsatz müssen alle vier Crew-Mitglieder ihren Raumanzug anziehen, weil der Crew Dragon keine Luftschleuse besitzt und das Innere der Raumkapsel dem Vakuum des Weltraums ausgesetzt sein wird. Dann sollen Jared Isaacman und Sarah Gillis, Ingenieurin bei SpaceX, das Raumschiff verlassen. Der gesamte Außeneinsatz mit allen Vor- und Nachbereitungen soll rund zwei Stunden dauern.
Worum geht es diesem Flug - auch um Forschung oder nur um Rekorde?
Es wird viel Technik getestet. Beim Ausstieg wird ein neu entwickelter Raumanzug der Firma SpaceX genutzt. Isaacman scheint sich überhaupt gerne mit seinem Geld als erster Tester neuentwickelter SpaceX-Technik einzukaufen.
So ist erstmals auch ein Test von SpaceX-Technik zur Kommunikation im All mit Laserlicht statt mit Funkwellen geplant. Weitere 36 Experimente, fast alle im medizinischen Bereich, werden für US- amerikanische Forschungseinrichtungen und Universitäten durchgeführt.
Zum Beispiel wird untersucht, wie die Strahlung im Weltall den menschlichen Körper beeinflusst, wieso Astronauten und Astronautinnen bei langen Weltraumflügen Probleme mit den Augen bekommen und wie Ultraschall beim Erkennen und Überwachen der Dekompressionskrankheit bei Tauchern und Astronauten eingesetzt werden kann.
Wie soll es nach dem ersten Flug der Mission Polaris Dawn weitergehen?
Polaris Dawn soll, so Isaacmans Plan, nur der erste von drei Flügen seines Polaris-Programms sein. Abschluss und Höhepunkt soll der erste Flug von Menschen an Bord eines Starships von SpaceX werden - jenes Riesenraumschiffs, das bei seinem letzten Test Anfang Juni 2024 seine erste fast komplette Erdumrundung geschafft hat - aber noch Jahre davon entfernt ist, eine Lizenz für den Flug mit Besatzung zu erhalten.
Auch wenn auf der fünftätigen Mission verschiedene Experimente zur Auswirkung von Flügen ins All auf den menschlichen Körper durchgeführt werden, ist die Mission gleichzeitig ein Zeichen der wachsenden Weltraumtourismus-Branche.
Mehr zum Thema "Missionen ins All"
Kommentar Erste deutsche Astronautin fliegt mit Privatmission ins All
Rabea Rogge soll frühestens Ende des Jahres die erste deutsche Frau werden, die ins All fliegt. Was sie von ihren männlichen Kollegen unterscheidet: Es wird eine private Mission sein, mit der sie fliegt. Peinlich für die deutsche Raumfahrt.
Raumfahrt Tourismus: Machen wir bald Urlaub im All?
Statt Städtetrip in Zukunft für einen Kurztrip ins All? Einmal schwerelos sein und sich wie eine Astronautin fühlen. Der Weltraumtourismus nimmt Fahrt auf. Aber wo beginnt das Weltall überhaupt? Und wann fühlt man sich schwerelos?
Raumfahrt Private Mondmission erfolgreich, aber mit Extrarunde
Zum ersten Mal ist einem privaten Raumfahrt-Unternehmen die Landung auf dem Mond geglückt. Die Landefähre heißt Odysseus und gehört dem
US-Unternehmen Intuitive Machines. Doch kurz vor der Landung versagt die Höhenmessung, die Mission gelingt nur ganz knapp.
Stefan Troendle im Gespräch mit Uwe Gradwohl, SWR-Raumfahrtexperte