Bildung

Petition: Alte Prüfungsaufgaben sollen allen kostenlos zur Verfügung stehen

Stand
Autor/in
Anja Braun
Anja Braun, Reporterin und Redakteurin SWR Wissen aktuell.
Onlinefassung
Ralf Kölbel
Ralf Kölbel, Online-Redakteur bei SWR Wissen aktuell sowie Redakteur bei Redakteur bei SWR Kultur DAS Wissen.

Mit öffentlichem Geld entwickelte Prüfungsaufgaben sollten nach einer Prüfung öffentlich, kostenfrei und einfach zugänglich allen zur Verfügung gestellt werden, fordert eine Petition.

Seit Jahren fordern die NGOs „Frag den Staat“ und Wikimedia Deutschland, alte Prüfungsaufgaben für Schülerinnen und Schüler kostenfrei und online zugänglich zu machen. Die meisten Bundesländer geben die alten Prüfungsaufgaben stattdessen an Verlage ab, die daraus ein einträgliches Geschäft gemacht haben.

Petition fordert freien Zugang zu Prüfungsaufgaben

Doch mit öffentlichem Geld entwickelte Aufgaben sollten im Nachgang auch öffentlich und kostenfrei und einfach zugänglich allen zur Verfügung gestellt werden - so die Autorinnen und Autoren der Petition, die sich an die Kultusministerien wendet.

Die Möglichkeit, alte Prüfungsaufgaben fürs Üben zu nutzen, gibt es längst nicht überall. Was es jedoch gibt, ist die Möglichkeit, alte Prüfungsaufgaben käuflich zu erwerben. Um die 18 Euro kostet zur Zeit zum Beispiel einer der schmalen Bände des Stark-Verlages, der regelmäßig die Abschlussaufgaben des Vorjahres - und zwar pro Prüfungsfach ein Buch - veröffentlicht.

Eine Petition mehrerer NGOs will erreichen, dass alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland freien Zugang zu ehemaligen Prüfungsaufgaben bekommen. Bücherregal zur Abiturvorbereitung.
Eine Petition mehrerer NGOs will erreichen, dass alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland freien Zugang zu ehemaligen Prüfungsaufgaben bekommen.

Schülerinnen Schüler in Baden-Württemberg müssen viel Geld für Übungsaufgaben bezahlen

Das hält Max Kronmüller von Frag den Staat für keine gute Alternative, denn die Schülerinnen und Schüler müssten dann Geld dafür bezahlen, dass sie sich mit den früheren Prüfungsaufgaben vorbereiten können. Unter Beachtung der Bildungsgerechtigkeit, die ja in Deutschland ein großes Problem ist, hält Kronmüller das für "sehr problematisch".

Für diejenigen, die sich den Kauf der Prüfungsaufgaben nicht leisten können – und vielleicht auch gar nichts von diesem Angebot erfahren – kann der Weg zu alten Prüfungsaufgaben schwierig sein. Denn meist hängt es davon ab, ob die einzelne Lehrkraft oder die Schulen hier selbst Initiative ergreifen und die Prüfungsaufgaben der Vorjahre zur Vorbereitung bereit stellen, sagt Franziska Kelch von Wikimedia: Im Moment sei es so, dass es in allen Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt sei, ob und wie Schülerinnen an Aufgaben fürs Abitur oder auch für andere Schulprüfungen kommen.

Schülerin beim Lernen (Symbolbild) Der Zugang zu alten Prüfungsaufgaben ist in Deutschland von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt.
Der Zugang zu alten Prüfungsaufgaben ist in Deutschland von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt.

Daher sollten, so Kelch, alle Schülerinnen und Schüler gleichermaßen die Möglichkeit haben, auf Prüfungen öffentlich und frei zugreifen zu können, "damit sie sich auch selbstständig auf Prüfungen vorbereiten können - und nicht davon abhängig sind, ob die Aufgaben vielleicht in der Schulcloud sind oder auch nicht, ob sie sie von Lehrerinnen und Lehrern bekommen können - damit alle die gleichen Möglichkeiten haben, diese Aufgaben nutzen zu können."

Niedersachsen und Schleswig-Holstein bieten Übungsaufgaben im Internet kostenlos an

Zwei Bundesländer haben bereits vorgemacht, dass das geht: Nämlich Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Dort gibt es Online- Portale, wo sich die Schülerinnen und Schüler für unterschiedliche Schulformen einfach die alten Abschlussprüfungsaufgaben herunterladen können. Und zwar nach Fach und Jahr sortiert. Ein sehr komfortables System.

In allen anderen Bundesländern herrscht dagegen ein großer Flickenteppich. Auf die Anfragen von Frag den Staat und Wikimedia, warum nicht einfach überall die alten Aufgaben online zur Verfügung gestellt werden können, hieß es laut Franziska Kelch von Wikimedia, "(…) dass das Urheberrecht dem im Weg steht."

In Aufgaben würden ja oft sogenannte Drittmaterialien verwendet, also zum Beispiel in der Deutschklausur das berühmte Gedicht für die Gedichtinterpretation oder ein Ausschnitt aus einem Zeitungsartikel oder ähnliches.

Abiturprüfung (Symbolbild) Schülerinnen und Schülerinnen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben über ein Online-Portal freien Zugang zu alten Prüfungsaufgaben. Das erleichtert die Vorbereitung auf Abschlussprüfungen.
Schülerinnen und Schülerinnen in Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben über ein Online-Portal freien Zugang zu alten Prüfungsaufgaben. Das erleichtert die Vorbereitung auf Abschlussprüfungen.

Ministerien berufen sich auf Urheberrrecht von Drittmaterialien

Diese Drittmaterialien seien natürlich zumindest zum Teil urheberrechtlich geschützt, beziehungsweise sie gehören Verlagen und deren Autorinnen und Autoren. Die Ministerien sagen: Deswegen können wir die Aufgaben nicht zugänglich machen, weil wir auch die Drittmaterialien nicht zugänglich machen können.

Wir sind aber der Ansicht, dass das dem Ganzen nicht im Wege stehen muss, und das zeigen ja auch die Beispiele Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die einen Weg gefunden haben, diese Drittmaterialien eben mit den Aufgaben auch zugänglich zu machen.

Land Baden-Württemberg kassiert bei der Weitergabe der Prüfungsaufgaben an Verlage mit

Zum Beispiel verweisen diese Portale mit einem Link zu einem Zeitungsartikel oder Radiobeitrag, der für eine Aufgabe benutzt wurde. Deshalb ist das Urheberrecht hier keine echte Hürde, meint Franziska Kelch, die die Petition von wikimedia aus betreut. Die Bundesländer selbst machen übrigens mit der Weitergabe der alten Abschlussprüfungsmaterialien an private Verlage keinen wirklichen Reibach.

Im Schnitt erhalten die Länder lächerliche Summen in Höhe von 200 Euro für den Verkauf der Lizenzen. Hamburg verschenkt sie sogar. Nur Baden-Württemberg lässt sich dazuhin noch mit 10 Prozent am Verkauf beteiligen.

Wikimedia und Frag den Staat hatten im vergangenen Jahr versucht, die Aufgaben durch eigene Verträge mit den Kultusministerien freizukaufen, um sie später umsonst online stellen zu können. Die meisten Bundesländer lehnten das ab - unter Berufung auf das Urheberrecht oder antworteten gar nicht auf die Anfrage. Nur Baden-Württemberg ließ sie einen Vertrag unterzeichnen, doch der war sehr skurril, ärgert sich Max Kronmüller:

Im Vertrag, den wir unterschrieben haben und den in fast identischer Form der Stark-Verlag auch unterzeichnet hat, ist nämlich eine Klausel drin, dass die Aufgaben in Baden-Württemberg von der Vertragspartei selbst zu besorgen sind.

Die Verlage müssen sich die alten Prüfungsaufgaben in der Regel über Umwege besorgen, bekommen sie also nicht direkt von den jeweiligen Kultusministerien.
Die Verlage müssen sich die alten Prüfungsaufgaben in der Regel über Umwege besorgen, bekommen sie also nicht direkt von den jeweiligen Kultusministerien.

Auch Verlage müssen sich Prüfungsaufgaben über Umwege besorgen

Das heißt konkret, dass der Verlag , aber auch "Frag den Staat" die Aufgaben nicht aus dem Kultusministerium bekommen, sondern sich vermutlich, so Kronmüller "irgendwie über Kontakte zu Lehrern oder Lehrerinnen oder zu Schulen" über Umwege besorgen müssten. Da sei eigentlich "ein ganz komisches Unterfangen, wie diese ganze Sache funktioniert."

Deshalb wollen Kronmüller und Kelch mit der Petition den Kultusministerien nochmal deutlich machen, dass es Handlungsbedarf gibt. Die gesammelten Unterschriften sollen im Juni bei der nächsten Sitzung Kulturministerkonferenz überreicht werden. Denn es könne, so Kronmüller, eigentlich auch nicht sein, dass sich nur ein paar NGOs darum kümmerten. Denn es sei, so Kronmüller eigentlich "eine Aufgabe des Kultusministeriums, die Aufgaben auch den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung zu stellen."

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