Acht Bundesländer wollen eine Widerspruchslösung bei der Organspende. Beschränkt das die Entscheidungsfreiheit von Bürger*innen, oder ist die Widerspruchslösung fairer als die geltende Entscheidungslösung? Ein Kommentar
Acht Bundesländer haben einen Antrag zur Änderung des Transplantationsgesetzes in den Bundesrat eingebracht. Sie fordern die Einführung der Widerspruchslösung - das heißt, alle Menschen kommen erstmal als Organspender in Frage. Wer keine Organe spenden will, müsste in Zukunft aktiv widersprechen, der Organspendeausweis würde damit obsolet.
Klingt eigentlich nach einer guten Sache - aber es gibt auch Kritik: Die Widerspruchlösung greife in die Entscheidungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger ein. Ist das ein gutes Argument? Ein Kommentar aus der SWR Wissenschaftsredaktion.
Keine gesellschaftliche Spaltung durch Widerspruchslösung in Österreich
Manch ein Skeptiker behauptet: Die Widerspruchslösung einzuführen, traut sich die Politik sowieso nicht. Dazu müsse man nur auf die heftigen Debatten rund um die Corona-Impfpflicht schauen. Wehe, der Staat kommt auf die Idee, sich in die medizinische Selbstbestimmung seiner Bürgerinnen und Bürger einzumischen. Allein der Vorschlag einer Widerspruchslösung würde die Gesellschaft schon spalten.
Dabei gibt es die Widerspruchslösung in anderen Ländern schon lang - im Nachbarland Österreich beispielsweise seit 1995 - und das, ohne direkt eine Revolution ausgelöst zu haben.
Bei Widerspruch zur Organspende droht keine gesellschaftliche Ächtung
Die Argumentation von Gegnern der Widerspruchslösung hat aber noch einen ganz anderen Denkfehler - und der zeigt sich eigentlich bereits im Wort: Widerspruchs-Lösung. Niemand redet von einer Organspende-Pflicht.
Klar, eine Impf-Pflicht kann man durchaus kritisch sehen. Wäre sie tatsächlich flächendeckend in Deutschland eingeführt worden, hätte das bedeutet: Wer die Corona-Impfung verweigert, kann an vielen Teilen des gesellschaftlichen Lebens nicht mehr teilnehmen.
Aber: Wer der Organspende widersprechen will, muss keine gesellschaftliche Ächtung auf sich nehmen, kann weiterhin zu Konzerten und Veranstaltungen gehen und seine Kinder in den Kindergarten bringen.
Die Widerspruchslösung ist gerecht
Wer der Organspende widersprechen will, muss lediglich: widersprechen - und das ist nicht komplizierter als das, was gerade die Menschen tun, die aktiv der Organspende zustimmen. Nämlich: ein Formular ausfüllen.
Da wäre es doch nur fair, diesen Akt nicht der Gruppe zu überlassen, die in der klaren Überzahl ist: Laut Umfragen stehen nämlich 84 Prozent der Deutschen einer Organspende positiv gegenüber.
Das einzige Problem: Wir alle haben einen inneren Schweinehund. Und so haben derzeit nur knapp die Hälfte dieser 84 Prozent einen Organspendeausweis - zum Nachteil derer, die auf der Warteliste für ein Spenderorgan stehen. Und das kann jeden und jede von uns treffen - auch diejenigen, die ihre Organe selbst nicht spenden würden.
Initiative im Bundesrat: Keine unzumutbaren Nachteile durch Widerspruchslösung
Fassen wir also zusammen: Die Widerspruchslösung bringt niemandem einen unzumutbaren Nachteil - sie verschiebt den Nachteil, aktiv werden zu müssen, lediglich auf die Personen, die in der Unterzahl sind. Davon profitieren am Ende alle.
Wer sich vom Staat nicht reinreden lassen will, hat ein gutes Recht dazu - aber ich finde, dafür kann man ruhig mal ein Formular ausfüllen.
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Ein Symbol unter der Haut, das zeigt: Ich möchte meine Organe spenden. Ein solches Tattoo kann man sich in einem Herxheimer Tattoo-Studio stechen lassen.