Seit Jahrzehnten suchen Forscherteams auf der ganzen Welt nach einem Medikament gegen Alzheimer – bisher ist immer noch kein Mittel mit durchschlagender Wirkung gefunden. Jetzt sorgt ein neuer Wirkstoff für Schlagzeilen: Lecanemab. Ein neuer Hoffungsträger?
Lecanemab heißt der Antikörper, der den Verlauf der Krankheit möglicherweise bremsen kann. Allerdings sind die Daten noch sehr dünn: Bisher gibt es nur eine Pressemitteilung der Pharmafirmen Biogen und Eisai, die den Wirkstoff entwickelt haben. Darin heißt es, das Fortschreiten der Krankheit werde um 27 Prozent gebremst. Nächstes Jahr könnte das Mittel auf den Markt kommen. Ist das nun der Durchbruch, auf den alle gewartet haben? Ulrike Till mit einer ersten Einschätzung:
Experten warnen vor überzogenen Hoffnungen an das Medikament
Die Herstellerfirmen sind geradezu euphorisch und sprechen von einem Meilenstein. Einige unabhängige Experten bewerten die Ergebnisse aber deutlich vorsichtiger und warnen vor überzogenen Hoffnungen. Denn noch ist unklar, was die gemessene Verzögerung des Krankheitsverlaufs für die Betroffenen konkret bedeutet.
Rund 900 Probandinnen und Probanden mit frühen Symptomen von Alzheimer wurden mit dem experimentellen Antikörper Lecanemab behandelt, weitere 900 erhielten ein Placebo. Der Antikörper richtet sich gegen das Eiweiß Beta-Amyloid, das sich im Gehirn von Alzheimerpatienten ablagert. Weder Ärzte noch Patienten wussten, wer den echten Wirkstoff erhielt und wer nicht. Eineinhalb Jahre lang bekamen die Studienteilnehmer zweimal im Monat Infusionen mit dem Antikörper oder mit Placebo; nach einem halben Jahr zeigten sich erste Unterschiede.
Behandelte Patienten hatten etwas bessere Werte bei Demenztest
Am Ende der Testreihen waren die typischen Ablagerungen im Gehirn bei den mit Lecanumab behandelten Patienten zurückgegangen; außerdem zeigten sie etwas bessere Ergebnisse bei Gedächtnistests und anderen Aufgaben. Allerdings ist die genaue Auswertung der Testresultate schwierig: Die Probandinnen und Probanden mussten Aufgaben eines etablierten Demenztests absolvieren – die Testskala reicht von Null bis 18. Auf dieser Skala schnitten die Patienten, die den Antikörper bekommen hatten, um knapp einen halben Punkt besser ab als die Placebogruppe.
Lecanemab kann Alzheimer weder heilen noch stoppen
Statistisch war der Unterschied signifikant; auch im Alltag können so kleine Unterschiede relevant sein. Ob sie es wirklich sind, muss sich noch zeigen. Klar ist aber jetzt schon: Alzheimer lässt sich auch mit Lecanemab weder heilen noch stoppen – möglich ist bestenfalls ein langsamerer Verlauf. Auch Patienten, die schon schwerer erkrankt sind, werden vermutlich nicht davon profitieren: Das Mittel zielt nur auf Menschen im Frühstadium der Erkrankung.
Medikament hat möglicherweise starke Nebenwirkungen
Und es gibt riskante Nebenwirkungen – weniger als bei anderen Antikörpern gegen Alzheimer, aber trotzdem nicht zu vernachlässigen: Bei rund jedem fünften Behandelten zeigten sich Anzeichen von Hirnschwellung oder Blutung, die meisten Betroffenen spürten das aber gar nicht. In knapp drei Prozent der Fälle verursachte die Hirnschwellung Beschwerden.
Noch liegen die Daten nur in der Pressemitteilung der Hersteller vor, eine ausführliche Präsentation soll im November folgen. Laut Stat News könnte die vorläufige Zulassung von Lecanemab in den USA schon im Januar erfolgen, der Zulassungsantrag in Europa ist fürs kommende Frühjahr geplant. Auch die Pharmariesen Roche und Eli Lilly wollen in den nächsten Monaten Ergebnisse zu ihren Alzheimer-Antikörpern veröffentlichen; auch ihre Wirkstoffe zielen auf die Beseitigung der Ablagerungen im Gehirn.
Welt-Alzheimertag Alzheimer Früherkennung: die neusten Forschungsansätze
An Früherkennungsmethoden für die Alzheimer-Erkrankung wird weltweit fieberhaft geforscht. Denn das Ziel ist: Die Krankheit in einem sehr frühen Stadium zu erkennen und zu stoppen. Hier die jüngsten Forschungsansätze: