Künstliche Intelligenz (KI) wird in der Psychotherapie an Bedeutung gewinnen. KI und Chatbots könnten Therapien in Zukunft sinnvoll ergänzen und Betroffene im Alltag unterstützen.
Eine KI-App vom Mannheimer Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) soll das Risiko für psychische Krankheiten bei Jugendlichen verringern. Sie leitet Übungen an, gibt Tipps - immer individuell angepasst, um die psychische Gesundheit zu stärken.
Mit KI-App gegen psychische Erkrankungen bei Jugendlichen
Das Forschungsteam hat ein KI-Modell entwickelt, das Vorhersagen der Stimmungslage erstellt. Dann werden die passendsten Übungen ausgewählt.
"Wenn man sich vorstellt, dass man zum Beispiel aus den Informationen, die man gestern hatte, etwas über morgen sagen kann, dann ist es eben das, was wir lernen wollen mit dieser KI", erklärt Georgia Koppe von ZI für Seelische Gesundheit. "Der Vorteil davon ist, dass man präziser Vorhersagen machen kann. Und diese wiederum nutzen kann, um in die Trainings, die wir in der App geben, besser zu platzieren."
Chatbots - die neuen Psychotherapeuten?
Testnutzerinnen zufrieden mit KI-App vom ZI für Seelische Gesundheit
Erste Zwischenergebnisse einer Studie zeigen: Wenn Künstliche Intelligenz (KI) Übungen auswählt, profitieren die Jugendlichen verstärkt. Zwei Testnutzerinnen sagen dazu:
Die App ist noch kein Medizinprodukt, sie darf also nicht im Rahmen von psychotherapeutischen Behandlungen benutzt werden. Doch solche KI-Apps werden kommen.
"Da ist ein sehr großes Potenzial zur Unterstützung der konventionellen Psychotherapie. Denn so eine Woche hat ja 168 Stunden, und eine Sitzung ist nur eine Stunde davon", sagt Florian Bähner, Psychiater am ZI für Seelische Gesundheit Mannheim. "Da können natürlich solche Apps durchaus unterstützen, einfach im Alltag auch das Gelernte besser anzuwenden."
Medizinische Diagnose per Chatbot - keine gute Idee
KI und Chatbots als Ergänzung von Verhaltenstherapien
Vor allem Verhaltenstherapien könnten durch KI deutlich verbessert werden. KI-Apps könnten die zeitlichen Lücken zwischen Therapiestunden füllen und im Alltag mit Übungen unterstützen. Auch Chatbots als zusätzliche Ansprechpartner sind denkbar.
Aber Chatbot ist nicht gleich Chatbot: Start-ups wie "Wysa" oder "Woebot Health" bieten bereits Chatbots an, die bei psychischen Problemen helfen sollen. Aber diese sind noch keine zugelassenen Medizinprodukte und ihre Antworten wirken oft vorgefertigt. Freie Gespräche sind kaum möglich, was den Nutzen einschränkt.
Neue KI-Sprachmodelle wie ChatGPT antworten zwar in natürlicher Sprache. Aber verlässliche Therapiegespräche können diese Sprachmodelle nicht führen. Sie machen zu viele Fehler und können keine plausiblen Therapiepläne verfolgen. Dennoch helfen die Sprachmodelle in Zukunft, KI-Apps zu verbessern und kleine Sprachdialoge im Alltag ermöglichen.
Es gebe viele gute Sprachmodelle, die man in solche Algorithmen integrieren könnte, sagt Georgia Koppe vom ZI für Seelische Gesundheit Mannheim. "Das sehe ich als unkritisch." Aber damit einen Therapeuten ersetzen? "Da würde ich natürlich jetzt erst mal sagen: Nein, um Gottes Willen."
KI kann aber in Zukunft vor allem auch die Therapeuten unterstützen - zum Beispiel bei Diagnosen oder aktuellen Daten zum Verlauf.
In Großbritannien hilft KI schon auf dem Weg zum Therapieplatz: Der Chatbot "Limbic Access" vermittelt im Rahmen einer Studie Therapieplätze und stellt erste Diagnosen. Die Zahl der Selbsteinweisungen sind um 15 Prozent gestiegen, zeigt eine Analyse mit fast 130.000 Betroffenen.
Emotionserkennung mit Künstlicher Intelligenz
Wie viel schon heute möglich ist, verdeutlicht ein Forschungsprojekt der Universität Basel. Ihr KI-Modell beobachtete Emotionen und Stimmungen in Videositzungen und berechnete die Wahrscheinlichkeit für einen Therapieabbruch.
Diese Emotionserkennung ist derzeit in der EU aber nicht erlaubt und auch insgesamt sind die rechtlichen Rahmenbedingungen streng: "Wenn wir uns vergleichen mit den Kolleg*innen in Australien, in den USA, dann so, dass wir hier unter wesentlich schwereren Bedingungen arbeiten. Selbst, wenn wir nicht vorhaben, eine App in Verkehr zu bringen haben, sind wir mit sehr hohen regulatorischen Anforderungen konfrontiert", sagt Ulrich Reininghaus von ZI für Seelische Gesundheit Mannheim.
Großes Potenzial für KI in der Psychotherapie
Herausforderungen, aber auch viel Potenzial für die Zukunft. Denn das KI-Zeitalter beginnt erst gerade. Janik Fechtelpeter, Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim sieht großes Entwicklungspotenzial für KI: "Wovon wir jetzt noch längst nicht alles ausgeschöpft haben."
Die Mannheimer KI-App ist von Anfang an zusammen mit Jugendlichen entwickelt worden. Auch sie sehen für die Anwendung in der Psychotherapie großes Potenzial. "Dadurch, dass die Wartezeiten für einen Therapieplatz so lange sind, denke ich schon, dass das vor allem die Zeit überbrücken kann", sagt Mitentwicklerin Sina Dietrich.
Es könne ein erster Schritt für die Menschen sein, schon mal mit dieser Welt in Berührung zu kommen.
Große Hoffnungen und Erwartungen. Klar ist: KI und Chatbots werden in der Psychotherapie wahrscheinlich immer wichtiger und könnten in Zukunft Betroffene vor allem im Alltag unterstützen.
Künstliche Intelligenz in der Medizin KI-Chatbot vermittelt Psychotherapie-Plätze
Ein KI-Chatbot unterstützt Betroffene bei der Suche nach einer Psychotherapie. Laut einer Analyse hat der Chatbot die Zahl der Selbsteinweisungen in England erhöht. Kann der Chatbot bald auch in Deutschland helfen?