Ende dieses Jahres soll der Atomausstieg in Deutschland abgeschlossen sein. Aber Stimmen werden immer lauter, die in der Atomkraft eine nötige Brückentechnologie sehen. David Beck aus der SWR Wissenschaftsredaktion zu den Vor- und Nachteilen von Atomkraft als Brückentechnologie.
Die Folgen des Klimawandels sind garantiert
Atomkraft ist gefährlich. Zwei Super-GAUs in den vergangenen 35 Jahren, die ganze Landstriche unbewohnbar gemacht haben. Die Namen der Städte Tschernobyl und Fukushima sind Synonyme geworden für die Katastrophen, die sich dort abgespielt haben. Aber gibt es eine viel gefährlichere Form Strom zu produzieren, und zwar mit fossilen Brennstoffen. Atomkraft birgt ohne Frage ein Risiko, aber die Folgen des Klimawandels sind kein Risiko, sie sind garantiert.
In den letzten 20 Jahren hat sich der Anteil der emissionsarmen Stromproduzenten weltweit kaum verändert. Zwar wird heute ungefähr doppelt so viel Strom aus erneuerbaren Energien produziert als noch Anfang der 2000er, allerdings verbrauchen wir auch fast doppelt so viel Strom. Und wenn die Mobilität oder klimaschädliche Branchen, wie die Stahlherstellung, elektrifiziert werden sollen, dann wird der Strombedarf noch deutlich schneller steigen als bisher.
Atomkraft als Brückenenergie?
Und natürlich muss der Ausbau der Erneuerbaren schneller vorangehen, als das gerade der Fall ist. Aber selbst mit allen möglichen Förderungen und politischen Anreizen lässt sich die Ausbaurate nicht beliebig steigern. Bis die gesamte Stromproduktion klimaneutral ist, müssen wir weiter Kohle, Öl und Gas verbrennen und so klimaschädliche Treibhausgase freisetzen. Die Frage, ob wir in der Zwischenzeit auf Atomkraft als Brückenenergie setzen, ist also auch die Frage, wie schwer wir es uns machen wollen eine klimaneutrale Stromproduktion zu erreichen.
Technik- und Osteuropahistorikerin Anna Veronika Wendland | 7.6.2022 Technikhistorikerin findet: Darum sollten wir über Atomkraftwerke diskutieren
Dieses Jahr sollen die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gehen. Technikhistorikerin Anna Wendland will das diskutieren: Sie will Atomkraft friedlich nutzen.
Während in Deutschland noch fast die Hälfte des Stroms aus fossilen Energieträgern produziert wird, sind es in Frankreich knapp zehn Prozent und in Schweden sogar weniger als zwei Prozent. Beide Länder setzen dafür aber deutlich stärker auf Atomenergie als wir und in beiden Ländern ist bisher kein radikaler Atomausstieg vorgesehen.
In Schweden sollen sogar neue Kraftwerke gebaut werden, um die älteren zu ersetzen. Wie jede Technologie entwickelt sich auch die Atomkraft weiter. Neue Kraftwerke sollen sicherer und Leistungsfähiger werden. Auch gibt es mittlerweile Technologien, um Atommüll noch weiter zu nutzen.
Allerdings wird so das Problem der endgültigen Lagerung ausgebrannten Materials nur verzögert. Noch gibt es keine gute Lösung für ein dauerhaftes Endlager. Und auch das Risiko einer Kernschmelze besteht weiter. Und ob dieses Risiko gegen den Klimawandel aufgewogen werden kann, ist eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist.