Zum dritten Mal sind die computer- und informationsbezogenen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der 8. Jahrgangsstufe international untersucht worden. Trotz großer Anstrengungen haben sie in Deutschland deutlich an Digitalkompetenz verloren.
Deutschland liegt immer noch leicht über dem internationalen Mittelwert was die digitalen Kompetenzen von Achtklässlern angeht, aber bundesweit sind die Kompetenzen seit den letzten Erhebungen 2013 und 2018 deutlich abgesackt. Und zwar obwohl sich die Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten und Software deutlich verbessert hat.
ICILS-Studie für Digitalkompetenz: Heranwachsende beherrschen meist nur einfache Aufgaben am PC
In der Studie wird geprüft, wie gut Achtklässler grundsätzlich mit Computern und digitalen Medien umgehen können, ob sie diese zum Recherchieren und Kommunizieren von Informationen nutzen und wie reflektiert sie damit umgehen können. Also ganz konkret, ob sie wissen, mit welchen Programmen sie bestimmte Dateien öffnen können, ob sie Datei-Endungen kennen oder ob sie erkennen, wie glaubwürdig recherchierte Informationen sind.
Und eigentlich hatten wir angenommen, dass die sogenannten Digital Natives, also die Generationen, die mit digitalen Medien und Geräten aufgewachsen sind und von klein auf damit zu tun hatten - auch leicht den Umgang damit beherrschen. Dass das ein Trugschluss ist, hat sich schon bei der Erhebung 2018 gezeigt.
Aber dass diese Entwicklung sich sogar noch verschlechtert, damit hatte kaum jemand gerechnet. Vor fünf Jahren waren es 33 Prozent der Heranwachsenden, die nur die einfachsten Anwendungen am PC durchführen konnten. Dieser Anteil ist jetzt auf knapp 41 Prozent gestiegen. Sie können zum Beispiel einen Link in einer E-Mail öffnen oder ein Bild in ein Dokument einfügen, scheitern aber an komplexeren Aufgaben.
Digitalkompetenz laut ICILS-Studie auch abhängig von sozialer Herkunft
In einer zunehmend digital geprägten Lebenswelt werden diese Schülerinnen und Schüler Probleme bekommen – nicht nur in der Schule, sondern auch im Alltag und später im Beruf. Und es trifft eben – wie meistens bei den Leistungsvergleichen - vor allem Kids in nicht gymnasialen Schulformen. Und dort Heranwachsende mit Zuwanderungshintergrund, mit einer anderen Familiensprache als Deutsch und mit benachteiligter sozialer Herkunft. Der sogenannte digital divide - die digitale Trennung - wird immer größer.
Die Ausstattung der Schulen mit digitalen Endgeräten und Software hat sich deutlich verbessert. 2018 haben sich noch zehn Schülerinnen und Schüler einen PC oder ein Tablet geteilt, heute teilen sich nur noch fünf ein digitales Endgerät. Aber das ist natürlich auch noch viel zu wenig, denn eigentlich müsste jedes Kind Zugang dazu haben.
Digitalpakt 2 soll Digitalkompetenz von Heranwachsenden verbessern
Und um den Digitalpakt 2 - also die Fortführung der Unterstützung - wird zur Zeit auch noch gestritten, denn seit Mai ist die Unterstützung ausgelaufen. Jetzt müssen sich Bund und Länder zusammenraufen, um wieder Geld in die Schulen zu geben. Das ist dringend nötig, denn die Bereitschaft auf Schülerseite ist groß - 90 Prozent aller Schülerinnen und Schüler wollen gerne mehr mit digitalen Medien lernen.
Die Studienleiterin Birgit Eickelmann von der Universität Paderborn erklärt, es reicht offenbar nicht, Tablets und Software zur Verfügung zu stellen und damit im Unterricht zu arbeiten. Denn das machen bereits 70 Prozent der Lehrkräfte - auch das ein Ergebnis der Studie.
Aber eine Ursache allein lässt sich nicht festmachen - das sagen die Expertinnen und Experten. Sie weisen auf allgemeine Probleme hin wie die steigende Heterogenität der Schülerinnen und Schüler - vor allem in den Schulen außerhalb des Gymnasiums hin. Aber auch auf den allgemeinen Lehrkräftemangel und Nachholbedarf durch die Corona-Pandemie. Aber warum genau die Kompetenz der Heranwachsenden trotz großer Anstrengungen jetzt sogar noch abnimmt, auf diese Frage herrschte Ratlosigkeit bei der Vorstellung der Studie.
Digitale Spaltung soll durch gezielte Maßnahmen verhindert werden
Die KMK-Vorsitzende Christine Streichert-Clivot sagt, die Studie zeige eine Entwicklung, die auch in anderen Bildungsstudien gespiegelt wird. Nämlich den engen Zusammenhang zwischen Herkunft und den Bildungschancen. Hier zeige sich nun ein weiterer Bereich, auf den das einwirkt: die digitale Spaltung.
Die KMK will vor allem auf die individuelle Förderung durch adaptive Lernsoftware oder auch Mittel der KI setzen und sagt dieser Bereich müsse gestärkt und vermehrt in den Schulen eingesetzt werden. Das werde in Deutschland noch viel zu selten genutzt. Nur jeder zehnte Achtklässler in Deutschland sei an einer Schule, die adaptive Lernsysteme für Schüler und Lehrer nutzt, im EU-Schnitt ist es jeder fünfte, im internationalen Vergleich sogar fast jeder vierte.
Aber dazu braucht es eben auch einer gezielteren, kontinuierlichen und zeitgemäßen Lehrerfortbildung. Das unterstreicht auch die Studienleiterin Birgit Eickelmann von der Uni Paderborn. Sie fordert darüber hinaus, auch gerade die Schulformen jenseits der Gymnasien stärker zu unterstützen.
"Die Kreidezeit ist vorbei" Tablets aus dem Unterricht verbannen? Kommentar zur Digitalisierung an Schulen
40 Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen fordern von den Kultusministern ein Moratorium der Digitalisierung an Schulen. Ein Kommentar von Ralf Caspary aus der Wissenschaftsredaktion: