Gespräch

Wie KI bei der Behandlung von Hautkrebs hilft

Stand
Moderator/in
Ralf Caspary
Ralf Caspary
Interview
Dr. Titus Brinker, Leiter der Nachwuchsgruppe digitale Biomarker für die Onkologie am DKFZ
Onlinefassung
Leila Boucheligua

Auch in der Krebsmedizin wird längst auf Künstliche Intelligenz gesetzt. Wie sich die Stärken von Technik und Mensch so ergänzen lassen, dass die Patienten bestmöglich davon profitieren können, erklärt Titus Brinker vom Deutschen Krebsforschungszentrum im Gespräch mit dem SWR.

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz wird auch in der Krebsmedizin immer wichtiger. Dabei stellt sich unter anderem die Frage, wie KI sinnvoll eingesetzt werden kann, etwa um Röntgenbilder zu analysieren oder Arztbriefe in verständliches Deutsch zu übersetzen. Das ist auch Thema beim diesjährigen Deutschen Krebsforschungskongress der unter anderem vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg mitorganisiert wird.

Über den Einsatz von KI in der Krebsmedizin hat der SWR mit Dr. Titus Brinker, Leiter der Nachwuchsgruppe digitale Biomarker für die Onkologie am DKFZ, gesprochen. 

Software unterstütze Hautärzte und-ärztinnen bei der Hautkrebs-Erkennung

SWR: Herr Brinker, Sie sind Hautarzt. Wird die KI in Zukunft ihren Job stark verändern?  

Titus Brinker: Auf jeden Fall wird die KI meinen Job insofern verändern, als meinen Patienten viel genauere Diagnostik angeboten werden kann. Auch die Prognosen kann ich für meine Patienten dadurch verbessern. Durch diese Softwaresysteme können Patientinnen und Patienten künftig viel individueller, aber auch reproduzierbarer und objektiver behandelt werden.  

SWR: Zum Thema Diagnostik: Sie haben einen Preis erhalten für die Entwicklung einer Software, die Hautärzte beim Krebs-Screening sinnvoll unterstützt. Was macht diese Software genau?  

Brinker: Diese Software ist tatsächlich in der Lage, sich selber zu erklären, so wie es ein Hautarzt gegenüber einem Kollegen tun würde. Wir haben der Künstlichen Intelligenz in diesem Falle beigebracht, den Diagnostik-Prozess, so wie er in der Klinik abläuft, an einem Hautmal nachzuvollziehen. Es wird nicht einfach eine Diagnose gefällt, so wie man das früher kannte oder wie die meisten Systeme heute noch funktionieren.  

Man kann sich das so vorstellen: In das Dermatoskop, also die Lupe, die der Hausarzt zur Untersuchung der Haut nutzt, haben wir zusammen mit einer großen Firma eine Software eingebaut. Da ist vorne eben nicht nur einfach eine Linse drauf, sondern ein Display.

Wenn diese digitale Lupe über die Haut gefahren wird, dann wird das Muttermal, auf das sie diese Lupe halten, in seine Einzelteile zerlegt und durch die Software die einzelnen Areale in Fachsprache beschrieben. Auf Grundlage dieser Einzelmerkmale wird dann eine Entscheidung vorgeschlagen, sodass der Facharzt komplett nachvollziehen kann, wie diese Entscheidung getroffen wurde. 

Das macht die Diagnostik natürlich viel sicherer und vor allem überprüfbarer für den Hautarzt. Das Vertrauen in eine KI ist so viel größer, als wenn ich ein System hätte, bei dem ich nicht verstehe, wie es zu der Diagnose kommt. Bis heute macht KI schließlich auch Fehler.

Gerade deshalb ist es besonders wichtig, dass eine gewisse Überprüfbarkeit hergestellt wird und nicht nur das Potenzial des Computers genutzt wird, sondern auch das unglaubliche große Potenzial, das die Jahre oder jahrzehntelange medizinische Ausbildung mit sich bringt.

So wird beides zusammengeführt, um aus Künstlicher Intelligenz und dem Menschen, also einem ausgebildeten Facharzt, ein Dreamteam mit bestmöglicher Sicherheit und Genauigkeit bei der Hautkrebs-Diagnostik für die Patientinnen und Patienten zu erschaffen.  

Mehr Transparenz zu schaffen, halte ich gerade auch deshalb für wichtig, weil unglaublich viel operiert wird. Es gibt nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern ein System, das Operationen finanziell stark belohnt. 

Hautuntersuchung per Handy
Mittlerweile gibt es auch Apps, bei denen eine KI per Handy Hautauffälligkeiten diagnostizieren soll.

KI und Mensch arbeiten zusammen als "Dreamteam"

SWR: Sie haben da etwas ganz Wichtiges gesagt: Das ist ein Team aus Arzt und KI.  

Brinker: Ja, das ist zentral, weil es bis jetzt immer um Arzt gegen Maschine ging. Das ist aber totaler Blödsinn. Letztlich setzt man die Technik am intelligentesten ein, wenn man die Stärken beider Seiten nutzt. Was man als Mensch klar anerkennen muss, ist dass ein Computer natürlich viel genauer rechnen kann. Das ist mittlerweile auch in der Bild-Klassifikation so.  

SWR: Was können Sie denn besser als der Computer? 

Brinker: Vieles; zum einen hat ein Mensch einen Körper und kann anders als Computer eine reale Beziehung zu einem anderen Menschen eingehen. Er kann Verantwortung übernehmen. Und er ist eben nicht insel-intelligent, sondern hat einen gesunden Menschenverstand.

Ein Mensch erkennt so vor allem Artefakte. Eine KI dagegen entscheidet immer, egal, was ich ihr zeige. Wenn ich die Lupe also beispielsweise auf mein Nasenloch halte, dann hält sie das womöglich auch für ein Melanom. 

Außerdem gibt es in der Medizin oft Ausreißer, für die die KI nicht gut trainierbar ist. Da muss ein Mensch genauer hinsehen und vielleicht noch mal eine andere Diagnostik durchführen. Das Ziel, Wissen zu integrieren und alle Sinne zu nutzen, also die generalistische Künstliche Intelligenz, von der viele träumen, die gibt es bis heute nicht.

Letztlich sind ohnehin die Patienten der Chef und sollen entscheiden, wie das Ganze funktioniert. Wir haben am DKFZ eine große Studie mit Patienten gemacht, die gezeigt hat, dass es nicht gewollt ist, dass einem ein Computer sagt, dass man Krebs hat, sondern ein Mensch, der einem gegenüber Verantwortung übernimmt.  

Was ist Künstliche Intelligenz?

Dennis Horn geht Fragen rund um Künstliche Intelligenz auf den Grund und erklärt zuerst: Was ist KI überhaupt genau? Film für Informatik, Medienkompetenz & Ethik in Klasse 7-10.

Planet Schule: Dennis Digital - Dennis und die Künstliche Intelligenz WDR Fernsehen

Apps zur Erkennung von Hautkrebs sind meist nicht sehr zuverlässig

SWR: Es gibt mittlerweile auch Apps, mithilfe derer man seine Hautauffälligkeiten selbst diagnostizieren kann. Was halten Sie davon?  

Brinker: Stiftung Warentest hatte im Januar diesen Jahres einen großen Bericht veröffentlicht, in dem alle 17 in Deutschland verfügbaren Haut-Screening-Apps getestet wurden. Alle sind dabei durchgefallen, bis auf eine, die AppDoc heißt. Da sind sehr erfahrene Fachärzte aus Heidelberg am Werk und keine KI. Das war die einzige App, die keine Fehler gemacht hat.

Was der Test gezeigt hat, ist letztlich, dass die Marktführer mit den meisten Patienten die gröbsten Fehler gemacht haben, denn die haben das Geld ins Marketing gesteckt, aber nicht in gute Daten, um eine KI zu trainieren. Da passiert es dann, dass einem Patienten mit schwarzem Hautkrebs, der dringend operiert werden muss, gesagt wird, dass alles in Ordnung ist.

Er macht sich keine Sorgen, ist beruhigt und gibt der App wahrscheinlich noch fünf Sterne. Ein halbes Jahr später ist er dann irreparabel krank und sitzt hier in Heidelberg im Nationalen Zentrum für Tumorerkrankungen, wo ich ihm dann sagen muss, dass er eine Hirnmetastase hat. Es darf also nicht nur darum gehen, wer die teuerste Werbekampagne hat, sondern es sollte um Qualität gehen.  

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