Eine Studie gibt erstmals Hinweise, dass Alzheimer durch medizinische Eingriffe übertragen werden kann. Eine Infektionsgefahr im Umgang mit Alzheimer-Patienten besteht nicht.
Es gibt keine Hinweise, dass man sich im Alltag mit Alzheimer anstecken kann. Eine neue Studie hat nun gezeigt, dass sich Patientinnen und Patienten vor Jahrzehnten möglicherweise über verunreinigte Wachstumshormonspritzen angesteckt haben. Die Therapie wird längst nicht mehr genutzt und der Beweis für eine tatsächliche Ansteckung steht noch aus. Doch diese Möglichkeit der Übertragung von Alzheimer - über den Weg von aus Menschen gewonnenen Medizinprodukten - scheint möglich.
Ist Alzheimer ansteckend? Wachstumshormonspritzen könnten Auslöser der Erkrankung gewesen sein
In die Studie am Institut für Prionen-Erkrankungen in London waren acht Personen einbezogen, die in ihrer Kindheit Wachstumshormone aus dem Gehirngewebe von Verstorbenen erhalten hatten. Ein Verfahren, das zwischen 1959 und 1985 zur Anwendung kam. Fünf der acht Patientinnen und Patienten entwickelten im Alter von 38 bis 55 Jahren Symptome einer Demenz-Erkrankung. Also in vergleichsweise jungen Jahren.
Der Verdacht in dem Team um Prionen-Forscher John Collinge: Mit den Wachstumshormonen wurden sogenannte fehlgefaltete Beta-Amyloid-Eiweiße übertragen, die für die Bildung von Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn verantwortlich sind, die im Zusammenhang mit der Alzheimer-Erkrankung beobachtet werden.
Drei der acht an der Studie Teilnehmenden verstarben während des Untersuchungszeitraums. Bei ihnen fanden sich im Gehirn Anzeichen der Alzheimererkrankung. Die Forschenden untersuchten auch archivierte Proben der Wachstumshormone, mit denen die Patientinnen und Patienten in ihrer Kindheit behandelt worden waren. Und fanden darin die fehlgefalteten Beta-Amyloid-Proteine. Für das englische Forscherteam ein Beweis für die Übertragung der Krankheit durch diese Proteine.
Experten bezweifeln, dass Alzheimer wirklich ansteckend ist
Michael Beekes, Leiter der Forschungsgruppe Prionen am Robert Koch-Institut hält diese Schlussfolgerung für verfrüht. Die Studie liefere keinen sicheren Nachweis, dass Alzheimer-Demenz durch die fehlgefaltete Beta-Amyloid-Proteine übertragen werden kann. Die Zahl von fünf Betroffenen sei sehr klein und damit statistisch wenig aussagekräftig.
Genaue Ursachen von Alzheimer noch nicht abschließend geklärt
In der Fachwelt bestünde außerdem keine Einigkeit zur Diagnostik der Erkrankung vom Alzheimer-Typ, sagte Michael Beekes. Tatsächlich ist die Bedeutung der Eiweißablagerungen für die Alzheimer-Demenz bisher in der Fachwelt umstritten.
Wenn sich in weiteren Studien allerdings herausstelle, dass die übertragenen Beta-Amyloide tatsächlich die Alzheimer-Erkrankung auslösten, dann wären weitere Infektionsgefahren in der Gehirnchirurgie denkbar. Etwa durch eine Transplantation von mit den fehlgefalteten Beta-Amyloiden belasteter harter Hirnhaut der sogenannten Dura Mater. Oder durch unzureichend gereinigte Operationsinstrumente.
Die Gefahr einer Ansteckung durch kontaminierte Wachstumshormone besteht hingegen nicht mehr. Dieses Verfahren wurde 1985 eingestellt, als sich gezeigt hatte, dass mit der Hormonbehandlung die Gehirnerkrankung Creutzfeld-Jakob übertragen werden kann. Die Wachstumshormone werden mittlerweile synthetisch hergestellt. Und für eine Infektion mit Alzheimer durch den alltäglichen Umgang mit Erkrankten gibt es keinerlei Hinweise.
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