Mal mehr, mal weniger: Testosteron steuert Haarwuchs je nach Körperstelle
Das Thema betrifft vor allem Männer. Viele wundern sich über den Widerspruch, dass auf dem Kopf die Haare weniger werden und an anderen Körperstellen der Haarwuchs zunimmt.
Der Hautarzt Gerhard-Alfons Lutz erklärt, dass zwei Faktoren eine Rolle spielen: der Hormonhaushalt und die genetische Programmierung der Haarfollikelzellen. Mit Hormonen ist vor allem Testosteron gemeint, denn es wirkt an unterschiedlichen Stellen der Haut verschieden: Auf dem Kopf sind die Hautzellen so programmiert, dass Testosteron die Haare ausfallen lässt, während im übrigen Körper das Testosteron zu verstärktem Haarwachstum führt. Das heißt, auf dem Kopf hat das Testosteron eine wachstumshemmende, in der Nase, zwischen den Augenbrauen oder auch auf der Brust, dem Rücken und dem Bauch dagegen eine wachstumsfördernde Funktion.
Erblich bedingt: Reaktion der Haarwurzeln auf das Testosteron
So kommen Jungs in der Pubertät zu ihrer Körper- und Schambehaarung, weil das Testosteron das Haarwachstum am ganzen Körper anregt. Gleichzeitig fängt bei manchen jungen Männern das Haar schon mit Anfang 20 an, sich zu lichten – es klingt widersprüchlich, aber beides ist eine Folge von Testosteron. Wie stark die Haarwurzel aber – in die eine oder andere Richtung – auf Testosteron reagieren, ist sehr stark erblich bedingt.
Glatze: Wenn die Haare nicht mehr nachwachsen
Es gibt eine US-Studie, die gezeigt hat, wie Glatzen entstehen. Zu einer Glatze kommt es ja nicht deshalb, weil Haare ausfallen – das tun sie ohnehin regelmäßig – sondern weil sie nicht mehr nachwachsen. Und das wiederum liegt offenbar daran – zumindest ergab das die Studie – dass die entsprechenden Stammzellen in der Kopfhaut sich nicht weiterentwickeln. Das heißt, in der Kopfhaut gibt es Stammzellen, die sich normalerweise weiterentwickeln und zu Haarfollikelzellen spezialisieren. Manchmal tun sie das aber nicht; dann bleiben die Zellen in ihrem unreifen Stammzellstadium und entwickeln sich nicht weiter. Warum das aber so ist, dass Stammzellen nicht weiter reifen, ist noch nicht geklärt.
Evolution: Nicht jede Entwicklung bringt einen Überlebensvorteil
Warum aber hat es die Natur so eingerichtet, dass Männer einerseits Glatzen bekommen, andererseits sich die Körperbehaarung jedoch verdichtet? Das konnte mir niemand sagen, auch beim Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie hatten sie keine Erklärung dafür. Vermutlich ist der zunehmende Körperhaarwuchs eher eine Begleiterscheinung. Also einfach die Fortsetzung dessen, was in der Pubertät unter dem Einfluss von Testosteron sehr schnell geht – nämlich dass überall am Körper plötzlich verstärkt Haare wachsen. Das hört nicht auf, sondern geht einfach verlangsamt weiter und stört ansonsten nicht.
Es ist ja häufig so in der Evolution, dass man bestimmte Phänomene nicht damit erklären muss, dass sie einen unmittelbaren Überlebensvorteil bringen. Sondern in der Evolution kann sich auch manches entwickeln, was als Nebeneffekt von etwas anderem entsteht, solange es nicht weiter stört bzw. das Überleben und die Fortpflanzung nicht beeinträchtigt. Dazu gehören eben auch Haare auf dem Rücken oder auf den Ohren ebenso wie die berühmten dichten Augenbrauen von Theo Waigel – sie haben noch keinen Mann umgebracht geschweige denn davon abgehalten, Kinder in die Welt zu setzen. Und das ist das, worauf es in der Evolution ankommt.
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