Die Weltbevölkerung wächst, während die Fläche für Tierhaltung knapper wird. Können Quallen und Meeresalgen in Zukunft tierisches Protein aus Geflügel, Rind und Schwein ersetzen?
Quallen als Nahrung der Zukunft
Weitere gute Inhaltsstoffe der Mangrovenqualle
Landen Quallen als Future-Food bald auf unseren Tellern?
Meeresspargel als Nährstoffquelle
Hintergrund: Darum hat das jetzige Ernährungssystem keine Zukunft
Quallen als Nahrung der Zukunft
Im Leibniz-Zentrum für marine Tropenforschung in Bremen wird nach möglichen Nahrungsmitteln aus dem Meer geforscht. Besonders die Mangrovenqualle, auch Cassiopea-Qualle genannt, scheint Potenzial zu haben. "Die Mangrovenqualle hat eine sehr proteinhaltige Biomasse," weiß Dr. Holger Kühnhold, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Leibniz-Zentrum für marine Tropenforschung.
Im Schnitt beziehen wir aktuell zwei Drittel unserer Proteine aus tierischen Produkten wie Rind, Geflügel und Schwein. Diese haben etwa einen Proteingehalt von 20 bis 25 Prozent. Doch die Tierhaltung verursacht enorme Umweltschäden. Expertinnen und Experten empfehlen daher, weniger tierische Proteine zu essen und den restlichen Proteinbedarf vor allem durch Hülsenfrüchte zu decken. Pflanzliche Proteine verursachen nicht nur weniger Treibhausgase und können Stickstoff binden, sondern haben auch einen höheren Proteingehalt als Fleisch. Süßlupinen, Soja oder auch Kürbiskerne schlagen mit einem Eiweißgehalt von 35-40 Prozent Fleischprodukte. Future-Foods, wie beispielsweise Insekten, Algen oder Quallen haben ebenfalls einen höheren Proteingehalt als tierische Produkte: Mit über 25 Prozent Protein könnten sie in Zukunft eine gute Ergänzung zu den Hülsenfrüchten sein.
Quallen verbrauchen außerdem viel weniger Ressourcen als Rinder, Geflügel und Schweine.
Weiterer Pluspunkt: Die Quallen mögen den Klimawandel, durch den die Temperatur in den Weltmeeren seit den 1960er-Jahren deutlich ansteigt. Den Quallen gefällt das: Sie können sich im wärmeren Wasser schneller fortpflanzen und wachsen besser. Dementsprechend gibt es immer mehr Quallen, was sie als Nahrung für den Menschen interessant macht. Mangrovenquallen nutzen außerdem Licht als Energiequelle, und brauchen entsprechend wenig anderes Futter. Eine Ökobilanz für die Quallen gibt es bisher allerdings noch nicht.
Weitere gute Inhaltsstoffe der Mangrovenqualle
Obwohl Quallen zu 90 Prozent aus Wasser bestehen, beinhaltet ihre Trockenmasse neben Proteinen weitere gesunde Stoffe, nämlich Fette und Spurenelemente wie Kalzium und Natrium. Zudem sind sie frei von Cholesterin, haben einen hohen Anteil an Kollagen und sind zudem kalorienarm. Winzige Algen in den Mangrovenquallen, betreiben Photosynthese und produzieren für Menschen wichtige und qualitativ hochwertige Stoffe, wie beispielsweise Antioxidantien und ungesättigte Fettsäuren.
Landen Quallen als Future-Food bald auf unseren Tellern?
Im Labor des Leibniz-Zentrum für marine Tropenforschung werden Quallen als gegarte Variante, als Quallen-Chips und als Proteinpulver getestet. Die Mangrovenqualle werde in Europa allerdings bisher noch nicht gefischt, erklärt Dr. Holger Kühnhold. Es gebe aber bereits Fischereien, die sich auf Fangmethoden für andere Quallenarten spezialisiert haben und diese saisonal fischen. Denn: In Asien stehen Quallen schon seit 2.000 Jahren auf dem Speiseplan. Wer also mal Quallen probieren will, wird im Asia-Markt fündig. Diese sollten aber gründlich eingeweicht und abgewaschen werden. Sonst bleiben Rückstände von Aulan, einem Aluminiumsalz, mit dem die Quallen haltbargemacht werden, im Essen.
Europäische Quallen gibt es im Supermarkt bisher noch nicht. Die Novel-Food-Verordnung der EU regelt, dass Quallen erst als neues Nahrungsmittel in Europa zugelassen werden müssen. Noch ist nicht abzusehen, ob oder wann die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit die Produktion von Quallen flächendeckend in der EU erlaubt.
Doch es wird nicht nur an Quallen geforscht, auch Meeresspargel hat als Lebensmittel in Zukunft Potenzial.
Meeresspargel als Nährstoffquelle
Meersspargel, auch Salicornia europaea oder Queller genannt, gehört zu den salztoleranten Pflanzen. Salztolerante Pflanzen wachsen normalerweise zwischen Meer und Festland, wo der Boden immer wieder mit salzigem Meerwasser geflutet wird.
Weltweit versalzen immer mehr landwirtschaftliche Flächen. Die steigenden Temperaturen lassen Wasser schneller verdunsten, sodass salzhaltiges Grundwasser nach oben gezogen wird. Das Salz verdunstet nicht, sondern bleibt in der obersten Bodenschicht zurück. Für den Meeresspargel kein Problem: Er wächst auf salzigem Untergrund und kann auch mit Salzwasser bewässert werden. Das spart Süßwasser, welches immer knapper wird.
In Deutschland wird Meeresspargel seit drei Jahren im kleinen Stil angebaut. Die Salifaktur in Magdeburg ist der erste Meeresspargel-Anbauer in Deutschland. Hier werden knapp 600 Kilo Meeresspargel pro Woche geerntet. Das Salzwasser für die Bewässerung stammt aus einem regionalen Kaliumbergwerk und ist ein Abfallprodukt. In Küstennähe wäre der Anbau sinnvoller, doch große Teile der Nord- oder Ostseeküste unterliegen strengem Naturschutz. Meerespargel, der dort wild wächst, darf deshalb auch nicht gesammelt werden.
Trotzdem gibt es in Deutschland teils schon Meeresspargel an Fischtheken zu kaufen. Diese stammen zum Großteil aus Israel. Dort haben große Betriebe durch hohe Verdunstung schon Jahrzehnte mit zu salzigen Böden zu kämpfen, sodass fast nur noch salztolerante Pflanzen angebaut werden können.
So gesund ist Meeresspargel
Der Meeresspargel enthält nicht nur natürliches Jod, sondern auch Mineralstoffe und Spurenelemente, darunter Magnesium, Calcium, Eisen und Zink. Außerdem liefert das Salzkraut die Vitamine A und C sowie B-Vitamine, reichlich Chlorophyll und sekundäre Pflanzenstoffe, die beispielsweise antioxidativ wirken. Der Ballaststoff-Anteil des Meeresspargels ist mit dem von Nüssen vergleichbar, gleichzeitig liefert das Gemüse aber kaum Fett und hat wenig Kalorien.
Essen der Zukunft Quallen-Tagliatelle mit blanchiertem Meeresspargel und Meeresspargel-Pesto
In Zukunft könnten Quallen und Meeresalgen tierisches Protein aus Geflügel, Rind und Schwein ersetzen. Ökocheckerin Katharina hat ein Rezept aus dem möglichen Essen der Zukunft getestet.
Hintergrund: Darum hat das jetzige Ernährungssystem keine Zukunft
Auf das jetzige weltweite Ernährungssystem sind bis zu 37 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen zurückzuführen. Der Lebensmittel-Sektor ist also einer der größten Treiber des Klimawandels. Gleichzeitig nimmt die Weltbevölkerung zu: Schätzungen zu Folge könnten wir in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts mehr als 10 Milliarden Menschen auf der Erde sein. Die Vereinten Nationen gehen deshalb davon aus, dass zwischen 2050 und 2070 doppelt so viel Nahrung produziert werden muss wie heute. Essen wir so weiter wie bisher, werden bald alle ökologischen Belastungsgrenzen der Erde erreicht sein.
Während die Weltbevölkerung also immer weiter wächst, wird fruchtbares Land knapper. Durch Versalzung, Erosion oder Kontamination gehen weltweit jedes Jahr bis zu 10 Millionen Hektar fruchtbare Fläche verloren. Das entspricht etwa der Fläche von Island.
Ungefähr ein Drittel der weltweit zur Verfügung stehenden Landfläche wird als Acker- und Weideland für die Tierhaltung genutzt. Auf einem weiteren Drittel wird Tierfutter, wie beispielsweise Soja angebaut. Die Tierhaltung treibt durch den hohen Methanausstoß den Klimawandel weiter an. Auch die Fischbestände, die einem erheblichen Fischereidruck unterliegen, werden weniger. Derzeit gelten 30 Prozent der weltweiten Fischbestände als überfischt, 61 Prozent als maximal befischt.
Unser Ernährungssystem hat auch erhebliche Auswirklungen auf die Biodiversität. Etwa 70 Prozent der Verluste an biologischer Vielfalt und 75 Prozent der Entwaldung ist auf die Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln zurückzuführen. Zudem werden Süßwasser und Mineraldünger immer knapper und gefährden damit unsere Ernährungssicherheit. Umso wichtiger also, sich mit nachhaltigeren Ernährungsweisen auseinander zu setzen.
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