Stellen Sie sich vor, Sie würden für immer auf Fleisch verzichten. Sich nur von Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten ernähren. Nie wieder in den Genuss eines saftigen Steaks kommen. Könnten Sie das? Oder würden Sie spätestens im Sommer schwach werden und heimlich Würstchen von Nachbars Grill mopsen?
Was sich für viele immer noch unvorstellbar anhört, ist für immer mehr Menschen in Deutschland bereits Alltag. Die Zahl der Nicht-Fleisch-Esser und auch die Zahl der Menschen, die sich vollständig pflanzen-basiert ernähren, steigt. Doch nur weil man auf Fleisch verzichtet, muss man den Geschmack tierischer Produkte nicht missen. Denn Ersatzprodukte liegen voll im Trend, aber dazu später mehr.
- Ernährung als Selbstbestimmung
- Wandel in Zahlen
- Vegan, vegetarisch, flexitarisch oder omnivor – Wer isst was?
- Der Markt für Ersatzprodukte wächst
- Produkteigenschaften
- Plant Based ist nicht gleich vegan
- Achtung bei den Inhaltsstoffen
- Was ist eigentlich das Problem mit Fleisch?
- Fleischalternativen der Zukunft
- Ausblick
Ernährung als Selbstbestimmung
Ernährung ist etwas sehr Individuelles und Persönliches. Oft ist sie auf die eigenen Bedürfnisse und die jeweilige Lebenssituation angepasst. Dabei spielt nicht nur das Essen eine zentrale Rolle, auch werden ökologische Aspekte bei der Wahl der Ernährungsform miteinbezogen. Der Schutz der Umwelt ist für immer mehr Menschen ein Argument, weniger oder gar kein Fleisch mehr zu konsumieren. Und auch ethische Beweggründe spielen immer wieder eine Rolle. Denn oft sind ungünstige Bedingungen bei der Aufzucht und der Tiermast, die Tiertransporte und die Futtermittelerzeugung ein Problem in Massen- und Intensivtierhaltung.
Wandel in Zahlen
In Deutschland bezeichnen sich aktuell rund 24 Prozent der Menschen als Flexitarier, 5 Prozent als Vegetarier und rund 2 Prozent lebt vegan. Dabei ernähren sich fast doppelt so viele junge Menschen vegetarisch oder vegan wie Menschen anderer Altersgruppen. Im Alter zwischen 15 und 29 liegt der Anteil an Vegetariern bei 10,4 Prozent. Der Anteil der Veganer liegt bei 2,3 Prozent. Für sie ist der Verzicht auf Fleisch oft auch politischer Natur. Laut dem Fleischatlas 2021 interessieren sich Anhänger der vegetarischen und veganen deutlich öfter für Nachhaltigkeit als Menschen, die keinem bestimmten Ernährungsprinzip folgen. Sie selbst sähen sich als "Pioniergruppe eines zukunftsfähigen Ernährungsstils", heißt es in der Studie. (Quelle: Fleischatlas 2021)
Auch bei der "klassischen" Ernährungsform „Omnivor“ (Allesesser) lässt sich langsam ein Umdenken erkennen. In Deutschland ist der durchschnittliche Fleischkonsum tendenziell rückläufig. Vorläufigen Angaben zufolge lag der pro Kopf Konsum 2020 bei rund 57,3 Kilogramm – so niedrig wie noch nie seit Beginn der Berechnung 1989. (Quelle: BLE)
Zum Vergleich, 1991 waren es noch 63,9 Kilogramm pro Jahr. Dabei entfällt die Hälfte auf Schweinefleisch mit 34,1 Kilogramm, gefolgt von Geflügel-, Rind- und Kalbfleisch. (Quelle: Fleischersatzprodukte/ Statista) Ein Rückwärtstrend ist vor allem beim Schweinefleisch zu beobachten. Worauf der Rückgang zurückzuführen ist, ist allerdings umstritten. (Quelle: BLE)
Vegan, vegetarisch, flexitarisch oder omnivor – Wer isst was?
Während Omnivore (Allesesser) keine Lebensmittel oder Lebensmittelgruppen ausschließen, versuchen Flexitarier bewusst tierische Produkte wie Eier, Fisch oder Fleisch zu reduzieren. Dabei orientieren sie sich an der vegetarischen Ernährung, schließen jedoch keine Lebensmittelgruppe strikt aus. Die Qualität der Lebensmittel spielt bei dieser Ernährungsform in der Regel eine zentrale Rolle. So darf beispielsweise Fleisch für viele Flexitarier nur aus artgerechter Haltung stammen.
Vegetarier hingegen, ernähren sich überwiegend von pflanzlichen Lebensmitteln wie Getreide, Gemüse, Obst, Hülsenfrüchten, Nüssen und Samen. Aber auch tierische Produkte wie Eier, Milchprodukte und Honig landen auf dem Teller. Sie verzichten komplett auf Lebensmittel, die von toten Tieren stammen, wie Fleisch, Fisch sowie allen anderen aquatischen Tieren und Produkte wie Gelatine.
Veganer gehen noch einen Schritt weiter und verzichten bei ihrer Ernährung auf alle tierischen Produkte, also auch Milchprodukte, Eier und Honig. Zudem werden Gebrauchsgegenstände aus Tierkörperteilen wie z.B. Wolle, Fell und Leder eher gemieden.
Der Markt für Ersatzprodukte wächst
Während Ersatzprodukte vor einigen Jahren noch eine Randexistenz führten, finden sie sich mittlerweile in fast jedem Supermarkt oder Discounter. Besonders beliebt: Milchersatzprodukte aus Soja, Mandel oder Hafer. Aktuell ist die Innovationsentwicklung im Bereich der Fleischersatzprodukte das am schnellsten wachsende Feld der Ernährungsindustrie. Unternehmen versuchen nicht nur den Geschmack und das Aussehen von Fleisch zu perfektionieren, sondern tüfteln auch an immer neuen Zusammensetzungen, um die Inhaltsstoffe zu optimieren. So liefert Fleisch dem Körper nicht nur Eiweiß, Selen und Zink, sondern auch Eisen und das Vitamin B12. All diese Nährstoffe sind für eine gesunde Entwicklung wichtig. Daran müssen sich die Fleischersatzprodukte messen lassen.
Zu Beginn wurden vor allem Soja und Weizenproteine als Basis für Fleischersatzprodukte eingesetzt. Mittlerweile werden zunehmend Lebensmittel wie Erbsen, Kichererbsen, Lupine und Reis als Grundstoffe verwendet.
Produkteigenschaften
Die Lebensmittelindustrie lässt sich immer wieder neue Labels einfallen, um Produkte zu kennzeichnen. Für Verbraucher kann es da schwer sein, den Überblick zu behalten. Das Label Vegan kennzeichnet Produkte, die keinerlei tierische Bestandteile wie Fleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier oder Honig enthalten. Das gilt auch für die Verpackung: Bei einem Produkt mit dem Vegan-Label dürfen beispielsweise keine Klebstoffe auf tierischer Basis für die Verpackung eingesetzt werden.
Bei pflanzenbasierten Produkten, auch Plant Based genannt, ist die Basis der Inhaltsstoffe pflanzlich. Sie enthalten ebenfalls keinerlei tierische Inhaltsstoffe. Produkte, die als vegetarisch gekennzeichnet werden, beinhalten keinerlei Fleisch und Fisch, können aber Zutaten wie Milchprodukte, Eier und Honig enthalten.
Der Begriff Plant Food, also „pflanzliches Essen“, bezieht sich auf unverarbeitete Pflanzen, die Teil der menschlichen Ernährung sind. Hiermit sind unter anderem Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Gewürze gemein, die in ihrer natürlichen Form konsumiert werden. All diese Begriffe und Label sagen allerdings nichts über den Anbau der Produkte und die Umweltverträglichkeit aus. Wer darauf Wert legt, kann zum Beispiel auf Bio-Siegel achten.
Plant Based ist nicht gleich vegan
Der Begriff pflanzenbasiert oder auch Plant Based umfasst alle Produkte, die zwar aus Pflanzen hergestellt, aber den Geschmack, die Textur und/oder das Aussehen von tierischen Produkten nachahmen. Besonders beliebt sind pflanzenbasierte Getränke wie Mandeldrinks als Milchalternative, fleischlose Burger-Patties oder Ei-Ersatzprodukte.
Vegane Lebensmittel können durchaus als Plant Based bezeichnet werden, Plant Based aber nicht unbedingt als vegan. Studien haben gezeigt, dass Verfechter einer veganen Ernährung und Lebensweise eine eher ablehnende Haltung gegenüber Produkten haben, die Fleische nachahmen. Sie leben bewusst vegan und benötigen daher auch keine Ersatzprodukte, die Fleisch in irgendeiner Weise imitieren oder nachahmen.
Auch wenn sich pflanzenbasierte Ersatzprodukte an der vegetarischen und veganen Ernährung orientieren, stammen die Hauptkonsumenten aus der Gruppe der Flexitarier. Sie versuchen zwar ihren Fleischkonsum aktiv zu reduzieren, wollen aber trotzdem nicht auf den Geschmack verzichten.
Achtung bei den Inhaltsstoffen
Auch wenn die Basis-Zutaten von Fleischalternativen oft gesund sind, sind es die industriell gefertigten Ersatzprodukte oftmals nicht. Umfragen haben gezeigt, dass Verbraucher Lebensmitteln mit Labels wie "vegetarisch", "vegan" oder "bio" oft mehr Vertrauen entgegenbringen und damit ein gesundes Produkt assoziieren. Fakt ist: Bei vielen Ersatzprodukten – egal mit welchem Label – handelt es sich um Fertigprodukte. Besonders kritisch sehen Ernährungsexperten hier die oft hohe Kaloriendichte, den Salz- und den Fettgehalt und die enthaltenen Zusatzstoffe. Eine Untersuchung von Ökotest zeigt außerdem: Viele Ersatzprodukte enthalten Allergene wie Soja und Gluten, die ebenfalls kritisch bewertet werden. (Quelle: Ökotest)
Was ist eigentlich das Problem mit Fleisch?
Für die Produktion von einem Gramm tierischen Protein werden im Schnitt rund 10 Gramm pflanzliches Protein benötigt. Heißt: Ein Rind muss beispielsweise deutlich mehr Soja fressen, bis es ausgewachsen ist, als wir Menschen bräuchten, um die gleiche Menge Protein aufzunehmen, die uns das Fleisch des Rinds bringen würde. Darüber hinaus nimmt die Haltung von Nutztieren und der Anbau von Futtermitteln einen großen Teil der weltweiten landwirtschaftlich geeigneten Flächen in Anspruch. Auch wenn der Fleischkonsum in Deutschland rückläufig ist, steigt er global gesehen immer weiter an. In den vergangenen 20 Jahren hat er sich weltweit mehr als verdoppelt. So lag er 2018 insgesamt bei 320 Millionen Tonnen. Dieses Wachstum wirkt sich negativ auf die Frischwasserressourcen aus. Fast ein Drittel des verbrauchten Wassers, das im Zuge der Landwirtschaft genutzt wird, fließt in die Produktion von tierischen Produkten. (Quelle: Livestock’s long shadow - environmental issues and options)
Für die Herstellung von einem Kilogramm Hühnerfleisch werden durchschnittlich 4.300 Liter Wasser benötigt, bei Rindfleisch liegt der Wasserbedarf sogar bei 15.000 Litern Wasser pro Kilogramm. Zum Vergleich, der Wasserbedarf für ein Kilogramm Soja liegt bei 1.800 Litern (Quelle: Fleischatlas 2021) und bei Kartoffeln sogar nur bei 130 Litern. (Quelle: BW Agrar)
Fleischalternativen der Zukunft
Neben pflanzenbasierten Ersatzprodukten gibt es noch weitere Ideen, wie unsere Ernährung der Zukunft ohne Fleisch aussehen könnte:
Essbare Insekten sind in vielen Regionen unserer Erde bereits fester Bestandteil des Speiseplans. Weltweit gibt es 2.111 verzehrbare Insektenspezies. Sie weisen in der Regel einen hohen Protein- und Fettgehalt auf und liefern eine Vielzahl an lebenswichtigen Nährstoffen wie Kupfer, Eisen, Selen und Zink sowie Ballaststoffe. Ihre Aufzucht ist im Vergleich zur konventionellen Tierhaltung kostengünstig und ökologisch nachhaltiger, auch weil die Zucht wenig Platz braucht. Insekten lassen sich vielseitig einsetzen: Zu Mehl oder ähnlichem verarbeitet, lassen sie sich in zahlreichen Produkten wie Riegeln oder Burger-Patties verwenden. Darüber hinaus können sie auch als Ganzes gebraten und verzehrt werden.
In-vitro-Fleisch oder "Clean Meat" wird als eine mögliche Alternative zur etablierten Tierproduktion diskutiert und erforscht. "In-vitro" steht dabei für "im Glas". Dabei handelt es sich um ein synthetisch erzeugtes Fleischprodukt, das aus tierischen Stammzellen gezüchtet wird. Im Labor entstehen so Muskelfasern, bzw. Fleisch in einer Petrischale. In Zukunft könnten Haltung und Schlachtung von Tieren dadurch theoretisch überflüssig werden. Allerdings ist es bis dahin noch ein weiter weg. Das Verfahren befindet sich noch in der Entwicklung und benötigt in der Herstellung sehr viel Energie. Hier spielt also auch die Energiewende eine entscheidende Rolle, denn erst wenn der benötigte Strom zur Herstellung des In-vitro-Fleischs aus erneuerbaren Quellen stammt, wird sich der CO2-Fussabdruck erheblich verkleinern.
Auch Fleisch aus dem 3D-Drucker ist eine mögliche Lösung für Menschen, die zwar aus Tier- oder Klimaschutzgründen kein echtes Fleisch mehr essen möchten, trotzdem aber nicht auf den Geschmack und die Struktur verzichten wollen. So hat das israelische Start-up Redefine Meat ein Verfahren entwickelt, bei dem aus pflanzlichen Rohstoffen Fleischalternativen mithilfe eines 3D-Druckers nachgebildet werden. Im Gegensatz zu anderen Herstellern und Verfahren soll es somit möglich sein, nicht nur Hackfleisch oder kleine Stücke Fleischersatz herzustellen, sondern ganze Steaks inklusive Fett- und Muskelstruktur anzubieten. Auch dieses Verfahren befindet sich noch in der Entwicklung.
Ausblick
Egal ob vegan, vegetarisch, flexitarisch oder doch omnivor – jeder muss für sich die passende Ernährungsform finden. Aber ganz egal wie diese aussieht, Verbraucher haben bereits jetzt zahlreiche Möglichkeiten auf Fleisch und andere tierische Produkte zu verzichten und es werden immer mehr.
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