Wetter- und Klimaprognosen funktionieren unterschiedlich, aber nähern sich immer mehr an. Wetterberichte sagen Temperatur und Niederschläge der nächsten Tage voraus. Die Klimawissenschaft simuliert die globale Entwicklung weit in die Zukunft.
Wetterkunde und Klimawissenschaft arbeiten heute eng zusammen
Beide Wissenschaften versuchen, das chaotische Geschehen in Atmosphäre und Ozeanen mit Computermodellen nachzubilden. Dafür nutzen sie die leistungsstärksten Großrechenanlagen der Welt.
Wettergeschehen spielt sich in der Troposphäre ab
Wie eine zarte Haut spannt sich die Atmosphäre um die Erdkugel. Schon in 20 Kilometern Höhe endet die Troposphäre. In ihr spielt sich praktisch das gesamte Wettergeschehen ab, das von der Sonnenstrahlung angetrieben wird. Sie liefert die Energie für den ewigen Kreislauf aus Verdunstung und Niederschlag, für Meeresströmungen, Wind, Wolken, Hoch- und Tiefdruckgebiete.
Diese Wetterküche ist eine globale Veranstaltung. Voraussagen für Deutschland müssen auch Beobachtungen aus Nordamerika, der Arktis und Asien berücksichtigen. Bei Prognosen, die über zwei Tage hinausgehen, spielt sogar die Südhalbkugel eine Rolle.
Vorhersagen für mehr als 7 Tage: Ozeane in Berechnung einbeziehen
Wer über eine Woche hinaus in die Zukunft gucken will, muss neben der Atmosphäre auch den Zustand der Ozeane in die Berechnung einbeziehen. Dafür arbeiten Wetterkunde und Klimawissenschaft zusammen. Bis vor wenigen Jahren waren das weitgehend getrennte Disziplinen. Während sich die eine mit konkreten Prognosen für das regionale Wetter der nächsten Tage befasste, ging es für die andere um globale Entwicklungen in Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Doch inzwischen verschwimmt die Grenze zwischen Klimaszenario und Wetterprognose.
ICON-Modell – Grundlage aller Wettervorhersagen in Europa
Die Ozeanographin Johanna Bähr arbeitet am Institut für Meereskunde der Uni Hamburg. Zusammen mit Kollegen des benachbarten Max-Planck-Instituts für Meteorologie und des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach hat sie das sogenannte ICON-Modell entwickelt, die Grundlage aller Wettervorhersagen in Deutschland und Europa. Es teilt die gesamte Erdoberfläche in drei Millionen Dreiecke auf. Die Atmosphäre über jedem Dreieck wird wiederum in 90 Schichten unterteilt.
Daraus ergibt sich ein dreidimensionales Gitter mit 265 Millionen Segmenten. Für jedes einzelne wird ein Wert für Temperatur, Windrichtung, Windstärke, Luftdruck und Luftfeuchte in die Modellrechnung eingespeist. Im besten Fall sind das exakte Messwerte, die von einer Wetterstation, einem Satelliten, einem Höhenballon oder einer Messboje übermittelt worden sind. In den meisten Fällen müssen die Anfangswerte allerdings geschätzt werden. Dann berechnen die Computer die Wechselwirkung zwischen den Segmenten.
Frühere Modelle funktionierten grundsätzlich ähnlich – nur mit viel weniger Segmenten. Denn die große Herausforderung ist: die Zeit! Das Wetter entwickelt sich ja ständig weiter. Die Berechnung muss also deutlich schneller ablaufen als das tatsächliche Wettergeschehen – sonst nützt sie nichts.
Wettervorhersagen: von Jahrzehnt zu Jahrzehnt um einen Tag verbessert
In den vergangenen 50 Jahren hat sich ihre Vorhersagegenauigkeit pro Jahrzehnt um etwa einen Tag verbessert; heute ist die Prognose für die kommenden vier Tage so zuverlässig wie es die 24-Stunden-Vorhersage vor 30 Jahren war.
Für die nächsten ein bis zwei Stunden haben Wetterapps inzwischen eine sehr zuverlässige Antwort auf diese Frage. Dahinter steht kein großes vom Computer berechnetes Wettermodell, sondern die direkte Beobachtung mit Satelliten und einem über ganz Deutschland verteilten Radarmessnetz. Von Rostock bis Memmingen liefern 17 Beobachtungstürme eine Momentaufnahme der Wolken und Niederschläge.
Allerdings:
Deshalb kann das Wetter in sechs Stunden besser vorhergesagt werden als das in drei. Denn hinter der Zwei-Stunden-Prognose, dem sogenannten Nowcasting, klafft eine mehrstündige Vorhersagelücke. Das globale Wettermodell steht nämlich erst nach vier bis sechs Stunden zur Verfügung. So viel Zeit benötigt das Einsammeln aller Messdaten und deren Verarbeitung im ICON-Modell. Doch diese Lücke will der DWD bald schließen, sagt Henning Weber:
Sieben-Tage-Vorhersage ist Grundlage aller Wetterberichte in den Medien
Damit die Vorhersage für jede Region in Deutschland möglichst präzise ist, arbeitet der DWD mit einer erhöhten Auflösung. Konkret bedeutet das: Für Europa verwendet es doppelt so viele Dreieck-Segmente wie das normale ICON-Modell, für Deutschland sogar sechsmal so viele. Die Prognosepunkte sind dann nur noch gute zwei Kilometer voneinander entfernt. So kann das Modell sogar kleine Gewitterzellen berücksichtigen. Das Ergebnis ist eine Sieben-Tage-Vorhersage. Sie ist die Grundlage aller Wetterberichte – egal ob sie im Fernsehen und Hörfunk gesendet, in Zeitungen gedruckt oder über Websites und Smartphone-Apps online veröffentlicht werden.
Monats- und Langfristprognosen erfordern andere Modelle
Wettervorhersagen, die über sieben Tage hinaus reichen, beruhen auf einem anderen Modell. Es stammt entweder vom US-amerikanischen Wetterdienst oder vom europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage im englischen Reading. Beide bieten eine grobe Vorausschau auf die kommenden zwei Wochen. Dann enden alle tagesgenauen Vorhersagen und es beginnt das Feld der Monats- und Langfristprognosen. Das europäische Zentrum erstellt sie für die kommenden sechs Wochen. Der DWD veröffentlicht seit 2016 zusätzlich eine saisonale und seit 2020 auch eine Klimavorhersage für das nächste Jahrzehnt. Angegeben werden dabei nur grobe Durchschnittswerte für Temperatur und Niederschlagsmenge im Vergleich zum langjährigen Mittel. Andreas Paxian ist in der Offenbacher Behörde dafür zuständig:
Saisonvorhersagen noch unzuverlässig, trotzdem besteht viel Interesse
Von einer zuverlässigen Prognose sind die Saisonvorhersagen noch weit entfernt. Trotzdem gibt es zahlreiche Interessenten für die Daten des Wetterdienstes.
Exakte Sommerurlaubswetterprogrnose schon im Winter: leider nicht möglich
Für die Urlaubsplanung hätte man gerne schon im Februar eine Antwort auf die Frage, ob der August an der Ostsee verregnet oder sonnig wird. Doch das wird die Klimawissenschaft wohl auch in Zukunft nicht bieten können, meint Johanna Bähr, die das ICON-Modell mitentwickelt hat.
Hindcasting hilft bei Prognosen zum Klima
Ob ein Wetterbericht gestimmt hat oder nicht, lässt sich mit einem Blick in den Himmel schnell beurteilen. Auch Saisonvorhersagen können nach Monaten an der Wirklichkeit gemessen werden. Das Vertrauen in Klimaszenarien, die für die nächsten Jahrzehnte höhere Temperaturen, eine Zunahme von Extremwetterereignissen, Überflutungen und Dürren vorhersagen, muss anders hergestellt werden. Zwar rechnet die Klimawissenschaft ebenfalls mit Modellen der Atmosphäre, zum Beispiel mit dem ICON-Modell. Aber kann das auch unter ganz anderen klimatischen Bedingungen zu richtigen Ergebnissen führen?
Hindcasting nennen die Fachleute das. Aber es hat Grenzen:
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