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Männersache – Neue und alte Verhütungsmethoden

Stand
Autor/in
Antonia Mertens
Onlinefassung
Justina Bretzel

Männer übernehmen mehr Verantwortung beim Verhüten. Sind Hodenring und Verhütungsslip Alternativen zum Kondom?

Mit der Pille zu verhüten, ist zunehmend out. Genauso die Idee, Verhütung sei vor allem Frauensache. Mehr Männer sind heute bereit, Verantwortung zu übernehmen. Doch fehlen Alternativen zu Kondom und Vasektomie. Auch weil sich die Pharmaindustrie aus der Entwicklung zurückgezogen hat. Aber Spermien-Forschung, Silikonring und Samenleiterventil zeigen: Der Erfindergeist ist groß.

Hormonpille immer unbeliebter: Kondom ist Verhütungsmittel Nummer 1

Als die Hormonpille für Frauen im Jahr 1961 auf den deutschen Markt kam, wurde Verhütung Frauensache. Seit einigen Jahren verliert die Pille an Attraktivität, das zeigen Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Zuletzt wurden im November 2023 etwa 1000 sexuell aktive Erwachsene zwischen 18 und 49 Jahren dazu befragt.

Studienleiterin Sara Scharmanski fasst die Ergebnisse zusammen: Vor allem junge Frauen wollen die Hormonpille nicht nehmen. Bei den 18- bis 29-Jährigen verhüten nur 46 Prozent damit. Zum Vergleich: 2018 waren es noch 72 Prozent. Die Gründe kennt Scharmanski aus der Jugendsexualitätsstudie der BZgA: Hormone scheinen nicht mehr zu einem auf Gesundheit und Achtsamkeit, aber auch auf ökologische Nachhaltigkeit bedachten Lifestyle zu passen.

Auch Männer fordern mehr Gleichberechtigung in der Verhütungsfrage

Hier bewegt sich also etwas. Aber nicht nur auf Frauenseite. Auch Männer beschäftigen sich zunehmend mit dem Thema und fragen, ob Verhütung nicht doch auch Männersache ist. So etwa das Emanzipatorische Verhütungskollektiv Leipzig. Seine Mitglieder setzen sich für Gleichberechtigung bei der Verhütungsfrage ein und fordern mehr Auswahl bei männlichen Verhütungsmitteln.

Es geht uns auch nicht darum, "weibliche" Verhütungsmethoden zu delegitimieren. Die haben nach wie vor ihre Berechtigung, und es gibt gute Gründe, die anzuwenden. Wir wollen nur die Alternative aufmachen und zeigen: Hey, es gibt diese. Und die Methoden sind kombinierbar.

Kondom oder Sterilisation – Mann hat (kaum) Auswahl

Derzeit gibt es für Männer vor allem zwei Verhütungsmöglichkeiten, auch Kontrazeptiva genannt. Kondome werden sehr häufig verwendet. Richtig benutzt, sind sie sehr sicher. Das Problem: Viele Männer kaufen das falsche Größenmodell, weshalb Kondome oft reißen oder verrutschen.

Darum entscheiden sich rund acht Prozent der deutschen Männer zwischen 18 und 49 Jahren für die zweite Möglichkeit: die Sterilisation oder Vasektomie. Das hat die Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vom November 2023 ergeben.

Die Vasektomie dauert zwischen 15 und 30 Minuten, erfolgt ambulant und ist weitestgehend schmerzfrei.

Zeugungsfähigkeit oder Verantwortungsbewusstsein: Was ist männlich?

Heiner Fischer, Familienvater und Inhaber der Beratungsfirma "Väterwelten", weiß: Viele Männer haben Angst, dass eine Sterilisation der eigenen Sexualität schadet oder die männliche Identität negativ beeinflusst.

Diese Sorge um die eigene Männlichkeit hält auch Franka Frei für den Grund, warum die Verhütung bisher meist an den Frauen hängengeblieben ist. Sie ist Autorin des Buchs "Überfällig – Warum Verhütung auch Männersache ist". Sie fragt:

Wer sagt, dass es nicht wahnsinnig männlich und stark und tapfer ist, wenn ein Mann sich nicht zu schade ist, Nebenwirkungen auf sich zu nehmen, die sonst automatisch an seiner Partnerin hängenbleiben?

Zu viele Nebenwirkungen: WHO-Studie zur "Pille für den Mann" abgebrochen

Forderungen nach mehr Verhütungsmöglichkeiten, die am männlichen Körper ansetzen, sind nicht neu. 2009 wurde die "Hormonspritze" für den Mann weltweit getestet. 400 Probanden nahmen an der WHO-Studie teil und bekamen alle acht Wochen eine hormonelle Injektion, die ihre Spermienproduktion stoppte.

Prof. Michael Zitzmann, Endokrinologe am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie am Universitätsklinikum Münster, untersuchte damals die Hormonwerte der Teilnehmer. Bei 97 Prozent der Männer waren gar keine Spermien mehr da, erinnert sich Zitzmann. Und bei den restlichen drei Prozent so wenige, dass eine Schwangerschaft praktisch ausgeschlossen werden konnte.

Allerdings musste die WHO die Studie im Jahr 2011 vorzeitig beenden. Der Grund: Weltweit kam es zu unterschiedlichen Nebenwirkungen, etwa Libidoverlust, Niedergeschlagenheit oder auch Aggressivität.

Seither hat die Pharmaindustrie kein Interesse mehr, eine "Pille für den Mann" zu entwickeln, bedauert Zitzmann. Der Aufwand sei zu groß, antworteten zwei große Pharmaverbände auf Anfrage von SWR2 Wissen, zumal es ja schon die erfolgreiche Pille für die Frau gibt.

Grundlagenforschung für nicht-hormonelle Präparate

Viele sehen die Zukunft der männlichen Verhütung ohnehin woanders und setzen auf nicht-hormonelle Methoden. Zum Beispiel am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie der Universität Münster. Hier wollen Prof. Stefan Schlatt und sein Kollege Prof. Timo Strünker noch besser verstehen, wie Spermien funktionieren und welche Mechanismen es gibt, sie zu manipulieren. Beide verfolgen dabei unterschiedliche Ansätze.

Als Stammzellenforscher versucht Stefan Schlatt zu verhindern, dass die Stammzellen Vorläufer von Spermien produzieren. Timo Strünker hingegen untersucht, wie sich Spermien auf die Eizelle zubewegen. Dabei knüpft Strünker an Forschungsergebnisse aus den USA und Belgien an. Um sich fortzubewegen und in die Eizelle einzudringen, benötigen Spermien den sogenannten "Ionen-Kanal SLO3". Daraus folgt: Den Ionenkanal gezielt zu hemmen, könnte eine neue Verhütungsmethode werden.

Ob und wann neue medizinische Verhütungsmittel für den Mann auf den Markt kommen, ist unklar. Entscheidender Faktor dafür ist die Pharmaindustrie. Entwicklung und Zulassung sind allerdings sehr teuer und mit enormen finanziellen Risiken verbunden.

Silikonring und Samenleiterventil: bisher kaum Studien zu alternativen Methoden

Es gibt auch Entwicklungen abseits der Pharmaindustrie. Manche Männer benutzen einen Silikonring zur Verhütung. Dabei wird der Penis durch den Ring geführt, sodass die Hoden in den Leistenkanälen verschwinden. Dort sind sie der Körperwärme von 37 Grad Celsius ausgesetzt, was für Spermien zu heiß ist: Die Produktion stoppt.

Nisse Falter vom Emanzipatorischen Verhütungskollektiv hat es ausprobiert: Man trägt den Verhütungsring 15 Stunden täglich, aber das sei nicht unbequem. Kein einziges Spermium befand sich beim ersten Labortest mehr in seinem Ejakulat, erzählt er.

Allerdings ist diese Methode noch nicht gründlich erforscht. Das gilt für die Verhütungssicherheit und auch für etwaige gesundheitliche Nebenwirkungen. Derzeit finden einige kleinere Studien zum Verhütungsring beziehungsweise zur Verhütungsunterhose statt.

Andere Idee, aber ähnliche Situation: Beim sogenannten "Samenleiterventil" handelt es sich um einen kleinen Kippschalter, der an den Samenleitern angebracht wird, um so den Spermien den Weg nach draußen zu versperren.

Ob Silikonring, Kippschalter oder Alternativen abseits der herkömmlichen Verhütungsmethoden auf den Markt kommen, ist unklar. Bislang fehlt Geld für Studien. Aber sie zeigen: Es gibt hier viel Erfindergeist. Und Verhütung ist eben auch Männersache.

Medizin Hormonfrei verhüten – Konkurrenz für die Pille

Für den Mann gibt es Kondome oder Sterilisation. Frauen können hormonfrei mit Diaphragma, Kupferspirale oder der natürlichen Familienplanung verhüten. Das Interesse daran steigt. Doch wo findet man dazu die aktuellsten Informationen?

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