Jürgen Klopp hat Liverpool zum 1. Platz in der Premier League verholfen. War hier Künstliche Intelligenz im Spiel? Kann man mit Datensammeln Weltmeister werden?
Fussballfans kennen die immer komplexeren Statistiken über Ballbesitz oder Passquoten schon längst. Antrittsgeschwindigkeit, Passgenauigkeit, Schusswinkel, Atemfrequenz, Erholungszeiten – alles wird erfasst und ausgewertet.
Scouting und Tracking: Datenanalyse ist wichtig
Die Grundlage für die Analyse bilden zwei verschiedene Kategorien von Daten: Mit sogenannten Scouting-Daten lassen sich alle Aktionen eines Spielenden statistisch erfassen: Wie oft wird geschossen? Wie oft wird das Tor getroffen? Wie viele der Pässe finden ihr Ziel? Wie viele Zweikämpfe werden gewonnen?
Hinzu kommen sogenannte Tracking-Daten. Mit ihnen wird das Laufverhalten und das Positionsspiel erfasst. Für sich genommen sind diese Daten wertlos. Wer Erfolg haben will, muss verstehen, wie die Einzelinformationen zusammenhängen. Traditionell machen Scouts diesen Job – doch immer öfter übernehmen Computerprogramme diese analytische Leistung.
Der FC Liverpool, Champions League-Sieger 2019 und noch immer eins der besten Teams im englischen Männerfußball, gilt darin weltweit als führend. Branchenkenner sagen: Der Club setzt auf Künstliche Intelligenz, also auf Algorithmen, die gewisse Muster in Daten erkennen und ihren Quellcode selbständig weiterentwickeln. Fünf Datenanalysten, genannt Data Scientists, arbeiten in Liverpool. Sie hätten, so erzählt man sich, 2015 auch ausgerechnet, dass der deutsche Trainer Jürgen Klopp für Liverpool der richtige sei, obwohl der am Ende in Dortmund keinen Erfolg mehr hatte.
Trend zum Datensammeln kommt aus dem amerikanischen Baseball
Die Idee, massenhafte Daten im Sport zu sammeln, kommt aus den USA. Genauer gesagt aus dem Baseball. Ähnlich wie Finanzanalysten an der Wall Street Unternehmensbilanzen analysierten, begannen Sport-Fanatiker Ende der 1970er-Jahre, das Baseball-Spiel in seine statistischen Einzelteile zu zerlegen. So verhalfen sie bald einigen Proficlubs zum Erfolg. Auch andere US-Sportarten übernahmen die komplexen Analyseverfahren.
Im europäischen Fußball hielten solche Berechnungen lange keinen Einzug. Dass ausgerechnet der FC Liverpool einer der Vorreiter ist, ist kein Zufall: Der englische Club gehört zum amerikanischen Sportvermarktungskonzern Fenway Sports Group. Dessen Gründer John W. Henry wurde als Rohstoffhändler an der Börse reich. Er erfand einen Algorithmus, mit dem er Kursschwankungen auf dem Soja-Markt vorhersehen konnte.
Umkämpfter Datenmarkt im Fußball
Hugo Bordigoni ist Informatiker und auf Fußballdaten spezialisiert. Er hat kürzlich einen Vertrag mit Liverpool abgeschlossen. Die Daten-Nerds vom Liverpooler Team kennt er persönlich. In seinem Pariser Startup-Unternehmen Skill-Corner arbeiten zehn Personen an Bildschirmen und starren auf Grafiken, die an abstrakte Kunst erinnern. Hugo Bordigoni ist kaum größer als Lionel Messi, er ist blass und sehr schmächtig. Ein Weltklasse-Fußballer wäre er allenfalls an der Playstation. Doch er verfügt vielleicht über mehr Daten über Fußball als irgendwer sonst.
Bordigoni ist spezialisiert auf Machine Learning und entwickelte eine künstliche Intelligenz, die Fußballspiele auf der ganzen Welt beobachtet und automatisch in riesige Datensätze umwandelt. Die Zusammenarbeit mit dem FC Liverpool bahnte sich kurz nach der Fußball-WM 2018 an – für den Franzosen, dessen Land gerade Weltmeister geworden war, ein doppelter Grund zur Freude.
Die Technologie hinter Bordigonis Arbeit ist Bilderkennung durch sogenannte neuronale Netzwerke, ähnlich wie sie im autonomen Fahren oder bei der Gesichtserkennung durch Überwachungskameras angewendet wird. Im Fußball ist das bereits ein umkämpfter Markt.
Mit Daten geniale Transfers ausrechnen
Doch massenhaft Daten über sich, seine Gegner oder Gegnerinnen und potenzielle Neuzugänge zu horten, macht ein Team noch nicht erfolgreich. Denn als Nächstes kommt es auf die Expertise des Clubs an, diese Daten für Spielentscheidungen zu nutzen. Genau das betreibt der FC Liverpool seit Jahren mit Erfolg. Schon 2012 holte Liverpool dafür den promovierten Physiker Ian Graham an Bord – eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Heute sehen Journalistinnen und Journalisten in ihm einen “Guru”.
Der Grund: Graham gelang es durch seine Analysen, dem Club geniale Transfers vorzuschlagen. Mithilfe großer Mengen von Scouting- und Trackingdaten konnte er ausrechnen, welche Spieler am besten ins Gesamtkonzept des Clubs passten – und angesichts niedriger Ablöseforderung unterschätzt waren. Obwohl die von Oligarchen finanzierten Clubs wie Manchester City oder Chelsea mehr Finanzkraft als Liverpool hatten, stellten die Manager an der Anfield Road das momentan beste Team des Landes zusammen. Einblicke in seine Algorithmen gibt der FC Liverpool nicht. Ian Graham und sein Team lehnen systematisch Interviewanfragen ab – auch die von SWR2 Wissen.
Nutzen Deutsche Clubs – ganz nach dem Liverpooler Vorbild – schon flächendeckend Algorithmen oder gar Künstliche Intelligenz? Expertinnen und Experten wie Hugo Bordigoni erklären, dass die englische Premier League hier Wegbereiter ist. Deutsche Fußballclubs interessierten sich zunehmend für die Nutzung von Daten, aber die Bundesliga sei noch lange nicht auf demselben Level laut Bordigoni. Doch letztlich bleibt der Profi-Fußball ein Spiel zwischen 22 Menschen auf dem Platz, für Tausende im Stadion und Millionen an den Bildschirmen. In dem Emotionen, Individual- und Gruppenpsychologie und irrationale Faktoren immer ihren Platz haben werden. Daran werden wohl auch die besten Algorithmen der Welt nie etwas ändern.
SWR 2020 / 2021
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The speed of smell is faster than expected: https://www.nature.com/articles/d41586-024-03351-z
AI can help humans find common ground in democratic deliberation: https://www.science.org/doi/10.1126/science.adq2852
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Der Amerikaner David Baker hat neue Proteine konstruiert. Demis Hassabis und John Jumper aus Großbritannien haben den Code für die Struktur von Proteinen geknackt und mit KI komplexe Protein-Strukturen vorhergesagt. Alle drei bekommen den Chemie-Nobelpreis 2024.
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Künstliche Intelligenz Physik-Nobelpreis für Wegbereiter von KI und maschinellem Lernen
Sie haben das maschinelle Lernen mit Hilfe physikalischer Methoden
verbessert: John Hopfield von der US-Universität Princeton und Geoffrey Hinton von der Universität Toronto. Sie haben Netzwerke zur Mustererkennung entwickelt. Dafür bekommen sie den Physik-Nobelpreis 2024.
Martin Gramlich im Gespräch mit Uwe Gradwohl, SWR-Wissenschaftsredaktion.
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Forensic toxicology backdates the use of coca plant (Erythroxylum spp.) in Europe to the early 1600s
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Die Geschichte der Kriminalisierung von Drogen
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KI generiert Podcast-Gespräch aus Dokumenten
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Unser Podcast-Tipp der Woche:
too many tabs - der Podcast
Carolin Worbs und Miguel Robitzky sind zu viel im Internet. Und meistens auch zu tief: Als Autor:innen für das ZDF Magazin Royale klicken sich die beiden von einem Fakt zum nächsten und betreten im nächtlichen Recherche-Rausch neue Welten. Inspiriert von vergessenen Dokus auf YouTube, bizarren Gerüchten auf Twitter oder Instastories gealterter Schlagerstars haben sie regelmäßig einfach zu viele Tabs geöffnet. Deshalb kommen sie ab jetzt jeden Mittwoch vor dem Mikrofon zusammen, um ihre Tabs gemeinschaftlich zu schließen – aber natürlich nicht, ohne sie noch einmal ausgiebig zu besprechen.
https://1.ard.de/too_many_tabs
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Redaktion: Christoph König und Chris Eckardt
Idee: Christoph König
Informatik KI generiert Podcast-Gespräch aus Dokumenten
„Notebook LM“ von Google kann aus jedem Dokument ein Gespräch zwischen zwei Personen erstellen. Dabei werden auch komplexe Inhalte einfach erklärt. So können etwa Studien für Nicht-Wissenschaftler verständlich gemacht werden. Wir fragen nach, wie gut das schon klappt.
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Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie anfällig das globale Fußballgeschäft ist. Welche Lehren zieht die Bundesliga aus der Krise? Von Lukas Meyer-Blankenburg