Seit Anfang 2020 lenken Zahlen Deutschland durch die Corona-Krise. Sie zeigen, wie die Pandemie verläuft: Gehen sie rauf oder runter? Sind wir durch eine neue Welle gefährdet? Oder lassen die Neuinfektionen nach?
Zahlen suggerieren harte Fakten, bilden Realität aber nicht vollständig ab
Die Zahlen suggerieren harte Fakten, doch sie bilden nicht die komplette Realität ab. Denn wie sich ein Virus von Mensch zu Mensch ausbreitet, ist komplex und hängt von vielen sich ändernden Einflüssen ab. A
Mathematikerinnen und Mathematiker wollen die Ausbreitung des Virus vorhersagen und berechnen, wie sich die Pandemie beenden lässt. Doch ständig ändern sich die Rahmenbedingungen – durch Kontaktbeschränkungen, Impfungen, Schnelltests, Virus-Mutanten. Benötigte Daten treffen nur mit Verzögerung ein oder sind lückenhaft.
Rechnen am Modell
Wissenschaftler entwickeln ein mathematisches „Modell“, eine stark vereinfachte Beschreibung der Realität. Sie sammeln mögliche Einflüsse und Umstände und fragen, wie diese sich auf die Infektionszahlen auswirken.
Wie sich eine ansteckende Krankheit in der Bevölkerung ausbreitet, beschreiben Expertinnen und Experten unter anderem mit Differenzialgleichungen.
Differenzialgleichung: kontinuierlichen Verlauf berechnen
Bei einer Differenzialgleichung wird nicht eine einzelne Zahl „x“ gesucht, sondern ein kontinuierlicher Verlauf von Zahlen. Die Differenzialgleichung gibt an, wie sich dieser gesuchte, unbekannte Verlauf in bestimmten Situationen ändert. Bei der Pandemie ist es der Verlauf der Infektionszahlen. Punktuell sind nur Änderungen bekannt: Wie viele Menschen sich neu infiziert haben, genesen sind, geimpft wurden oder gestorben sind. Erfasst man diese Änderungen, die sich gegenseitig beeinflussen, mathematisch, so entstehen Differenzialgleichungen.
Wissenschaftliches Modellieren ist jedoch ein Geschäft mit der Unsicherheit. Es liefert ein mögliches Szenario, das nicht zwingend auch so eintreffen muss.
Inzidenz gibt Aufschluss über aktuelles Infektionsgeschehen
Mathematische Methoden werden nicht nur für Vorhersagen benötigt, sondern auch, um das aktuelle Infektionsgeschehen anzugeben. Zentral ist dabei die sogenannte „Inzidenz“: Wie viele Menschen pro 100.000 haben sich in einer Woche neu infiziert?
So richtet sich etwa die von Bund und Ländern im April 2021 beschlossene „Bundesnotbremse“ stark nach der aktuellen Inzidenz: Liegt sie in einem Landkreis oder in einer Stadt drei Tage lang über 100, müssen Geschäfte geschlossen werden und es gelten strikte Kontaktbeschränkungen.
Das Problem: Die „Sieben-Tage-Inzidenz“ gibt nur die registrierten Neuinfektionen an. Die Dunkelziffer, das heißt, wie viele Menschen sich infiziert haben, keine Symptome zeigen und nicht getestet wurden, ist unbekannt. Hinzu kommen zeitliche Verzögerungen: Nach einer Infektion kann es Tage dauern, bis Symptome auftreten; es kann dauern, bis man zum Arzt geht und getestet wird; bis das Testergebnis vorliegt; bis es ans Gesundheitsamt gemeldet wird; bis es beim Robert-Koch-Institut eintrifft. Deshalb müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler versuchen, die Daten, die noch fehlen, mit statistischen Methoden auszugleichen
Wissenschaft gibt Einschätzungen, Politik trifft Entscheidungen
Wie sich ein Virus ausbreitet und wie sich Menschen verhalten, ist komplex. Mit Mathematik versucht die Wissenschaft, Unwägbarkeiten einzuschätzen und mögliche Szenarien durchzuspielen. Entscheiden aber muss die Politik.
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