Internetsperren sind beliebte Mittel von autoritären Regimen, um eine Opposition zu unterdrücken. Aber nicht immer heißt das, dass kein Zugang zum Internet mehr möglich ist. Vielmehr wird der Zugang meist nur beschränkt und überwacht.
Internet: innerhalb von Minuten hunderttausende Menschen erreichen
Als das Internet – angefeuert vom 1989 erfundenen World Wide Web – in den 1990er-Jahren seinen Siegeszug begann, war wahrscheinlich den wenigsten Menschen klar, welche Macht es irgendwann ausüben würde. Nicht nur auf unseren Alltag – Beruf, Unterhaltung, Kommunikation, Konsum – sondern auch auf Politik.
Die Möglichkeit, innerhalb von Minuten zehntausende oder hunderttausende Menschen zu erreichen und zu mobilisieren, gab es in dieser Form noch nie. Aufstände können über Twitter organisiert werden, Augenzeugenberichte erreichen schneller mehr Menschen als journalistisch aufgearbeitete Artikel. Und eventuell zensierte Berichte und Fake News können Staatschef*innen machen oder stürzen.
Staaten ohne Internet sind nicht konkurrenzfähig
Kein Wunder, dass gerade autoritär geführte Staaten häufig versuchen, den Zugang ihrer Bürger*innen zum Internet zu kontrollieren. Im Extremfall bedeutet das eine Komplettsperre: Auf keinen Dienst des Internets kann dann mehr zugegriffen werden. Allerdings hat das auch massive Auswirkungen auf die Wirtschaft. Ein Land ohne Internet ist schlicht nicht konkurrenzfähig.
China: soziale Medien einschränken – und staatliche Alternativen anbieten
Deswegen wird das Internet meistens nur teilweise gesperrt. Internetanbieter dürfen dann keine Verbindungen mehr zu den betroffenen Diensten zulassen – in Zeiten von Wahlen betrifft dies häufig soziale Medien. Das hat nur geringe Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung eines Landes, aber der Opposition wird eine Möglichkeit der schnellen Kommunikation genommen.
Einen Schritt weiter geht China. Dort werden zwar auch viele unliebsame Dienste gesperrt – darunter etwa Facebook und Google – aber gleichzeitig werden Alternativen angeboten. Die App We-Chat ist an den Nutzerzahlen gemessen eine der beliebtesten Messenger-Apps weltweit: Mehr als 1,2 Milliarden Menschen nutzen den Dienst. Die App bietet außerdem noch andere Dienste an. Etwa einkaufen und bezahlen, Arzttermine buchen oder sogar Jobs suchen. Die App hat sogar einen eigenen App-Store.
Deep packet inspection in China: unerwünschte Nachrichten aufspüren
Der Vorteil für das Regime: Die komplette Überwachung und Zensur aller 1,2 Milliarden Nutzer*innen. Per sogenannter deep packet inspection wird jede einzelne versendete Nachricht auf die Kombination bestimmter Wörter geprüft. Steht die Kombination auf dem Index, dann kommt die Nachricht beim Empfänger nicht an – zumindest bei Nachrichten, die nach China, von China aus oder innerhalb Chinas versendet werden.
Nachrichten, in denen etwa vom “4. Juni” und dem “Tian’anmen Platz” geschrieben wird – Datum und Ort des Massakers am Platz des Himmlischen Friedens – werden nicht weitergeleitet. Die Liste der nicht erlaubten Phrasen kann und wird sehr schnell aktualisiert. Bereits am 31. Dezember 2019 wurden Nachrichten über eine mysteriöse Krankheit, die sich vom Fischmarkt in Wuhan ausgehen soll, zensiert – ungefähr eine Woche bevor uns der erste Bericht über das neuartige Coronavirus erreichte.
China investiert in "Paralleluniversum" – und verkauft Technologie wohl weiter
Insgesamt hat das Internet in China wenig mit dem der restlichen Welt zu tun und wird auch als eine Art “Paralleluniversum” bezeichnet. Das lässt sich China zwar einiges kosten, aber es könnte sich auf Dauer lohnen: Reporter ohne Grenzen vermutet, dass mindestens Kuba, Vietnam, Iran, Belarus und Zimbabwe Technologie zur Zensur des Internets aus China gekauft haben.
Internetsperren sind in Deutschland rechtlich schwer durchzusetzen
Aber auch im vermeintlich freien und demokratischen Deutschland gibt es Internetsperren. Natürlich sind diese Sperren nicht politisch motiviert, sondern betreffen hauptsächlich illegale Inhalte wie Kinderpornografie und urheberrechtlich geschütztes Material.
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Doch ist die Entscheidung, was gesperrt wird in Deutschland, traditionell schwierig: Das 2009 beschlossene Zugangserschwerungsgesetz, das größere Internetprovider dazu zwingen sollte, bestimmte Seiten mit kinderpornografischen Inhalten zu sperren, wurde nie angewandt und bereits Ende 2011 wieder aufgehoben. Zu groß war die Kritik, zu klein der versprochene Nutzen. Welche Seiten gesperrt werden sollten, sollte vom Bundeskriminalamt festgestellt werden. Die Liste der Seiten sollte geheim gehalten werden und nur Stichprobenartig von einem Expertengremium überprüft werden. Eine unabhängige Prüfung, durch ein Gericht etwa, war nicht vorgesehen. Außerdem waren kleiner Internetprovider und Netzwerke von der Sperrung ausgeschlossen.
Vorstoß aus der Privatwirtschaft zum Schutz von Urheberrechten
Seit Anfang 2021 gibt es einen Vorstoß aus der Privatwirtschaft: Die Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII) ist ein Zusammenschluss von Internetzugangsanbietern und Unternehmen aus der Unterhaltungsindustrie. Dieses Mal sind es weder Gerichte noch eine Polizeibehörde, die Sperren beschließen, sondern private Unternehmen. Die Bundesnetzagentur nickt zwar die Sperren ab, aber ein rechtsstaatliches Verfahren findet nicht statt.
Seiten, die gesperrt werden, sind “strukturell urheberrechtsverletzend”. Was genau das bedeutet, liegt im Ermessen der CUII. Kritiker sehen allerdings einen Interessenkonflikt: Ob legal oder nicht, die gesperrten Seiten stehen oft in Konkurrenz zu dem ein oder anderen Mitglied der CUII. Netzaktivist Felix Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte in Berlin sagt dazu:
Der Umgang von Regierungen, Behörden und Unternehmen mit dem Internet macht deutlich, dass es sich hierbei immer noch um eine neue Technologie handelt. Noch gibt es keinen Konsens, was im Internet erlaubt sein darf und was nicht und wer welchen Einfluss haben sollte.
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