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Boomer, Millenials, Gen Z – Was die Generationen trennt und eint

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Autor/in
Sofie Czilwik
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Gábor Paál
Gábor Paál

Boomer, Millenials, Gen Z – seit Jahrzehnten labeln Gesellschaften Alterskohorten in bestimmte "Generationen". Das Problem: Diese "Generationen" gibt es nicht.

Die Boomer haben die Welt zerstört, die Millenials sind verweichlicht, die Gen Z ist viel zu anspruchsvoll.

Doch was ist dran an diesen Zuschreibungen? Die kurze Antwort: So gut wie nichts. Sie werden der Wirklichkeit nicht gerecht.

Boomer, Millennials, Gen Z, Generation Alpha: Was versteht man unter einer Generation?

Alle 20 bis 30 Jahre entsteht eine neue Generation, so die Theorie. Die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1956 und 1965 nennt man die Babyboomer. Wer zwischen 1966 und 1980 geboren wurde, zählt zur Generation X. Zur nachfolgenden Generation Y gehören all diejenigen, die bis 1995 geboren sind. Bis 2009 spricht man dann von der Gen Z und die jüngste Generation sei die Generation Alpha.

Wer hat sich den Generationenbegriff ausgedacht?

"Der Generationsbegriff in der Soziologie wurde eigentlich maßgeblich von dem Soziologen Karl Mannheim geprägt", erklärt die Berliner Soziologin Katja Schmid. "Schon Ende der 1920er-Jahre hat er einen Aufsatz veröffentlicht mit dem Titel "Das Problem der Generationen" und definiert Generation dadurch, dass Individuen gleicher oder benachbarter Geburtsjahrgänge eben dann potenziell auch dieselben sozialen und politischen Erfahrungen machen, und zwar in ihrer Jugendphase."

Wo ist das Problem bei der Definition von "Generationen"?

Die Hypothese der Generationen unterstellt, dass sich bestimmte Jahrgänge vor allem aufgrund ihrer generationstypischen Erfahrungen von anderen Jahrgängen unterscheiden. Nun denken zwar heutige 20-Jährige in vielen Punkten anders als heutige 50-Jährige, doch das kann verschiedene Gründe haben:

  • Alterseffekte: Ältere Menschen haben andere Bedürfnisse und aufgrund ihrer Lebenserfahrung andere Einstellungen als jüngere. So ist jüngeren Menschen eine feste Partnerschaft in der Regel weniger wichtig als älteren. Tendenziell werden Menschen mit dem Alter konservativer – an der Wahlurne wie im Privatleben. Aber das war schon vor hundert Jahren so und hat nichts mit "Generationen" zu tun.
  • Periodeneffekte: Einschneidende gesellschaftliche Veränderungen prägen. – So führten die Corona-Pandemie oder der Ukraine-Krieg dazu, dass sich bestimmte Einstellungen in der gesamten Gesellschaft verändert haben – aber über alle Altersgruppen hinweg.
  • Kohorteneffekte: Dies wären tatsächlich Effekte, die "generationsspezifisch" wären.

Der Alters- und der Periodeneffekt sind offenbar tatsächlich nachweisbar, beim Kohorteneffekt – und damit bei der "Generationenthese" – ist die Befundlage deutlich schwächer.

Beispiel: Einstellung zu Zuwanderung

Die Soziologin Katja Schmid hat in einer Studie untersucht, ob Menschen verschiedener Generationen Zuwanderung umso positiver gegenüberstehen, je häufiger sie mit Menschen aus anderen Ländern in Kontakt kommen – sei es in der Schule, an der Universität, als Nachbarn oder im Kirchenchor.

Ich habe in der Studie rausgefunden, dass es über die Generationen hinweg keine lineare Veränderung gibt hin zu positiveren Einstellungen. Sondern ab der Kriegsgeneration gibt es eine positive Veränderung. Und die jüngeren Generationen verändern [...] deren Einstellung nicht mehr so stark zu den direkten davor. Das ist so der Generationeneffekt, der vermutet wurde, aber der eben nicht so gefunden wurde.

Auch andere Studien bestätigen, dass es keine großen Werteunterschiede zwischen den verschiedenen Altersgruppen gibt. So zum Beispiel die Trendstudie "Jugend in Deutschland 2023", bei der 3.000 Personen der Babyboomer, Millennials und der Generation Z befragt wurden.

"Generationen sind eine Erfindung!"

"Menschen tendieren dazu, gerne in Gruppen zu denken", sagt Hannes Zacher. Die behaupteten Generationen gebe es nicht, sie seien eine Erfindung. Zacher ist Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Leipzig.

Dieses Zusammenfassen von Geburtsjahrgängen ist kein gutes Mittel, um empirisch-quantitativ zu forschen." Wir können unterscheiden zwischen Menschen, die 1979, 80, 81, 2000, 2001 und so weiter geboren sind. Das heißt, wir brauchen gar nicht größere Gruppen bilden, wir haben nämlich ein Merkmal, das ist das Geburtsjahr, und wir haben ein Merkmal, das ist das Lebensalter. 

Willkürliche Generationengrenzen

Warum die Gen Z an Silvester 2009 enden und mit dem 1. Januar 2010 eine neue Generation Alpha beginnen soll, erscheint erklärungsbedürftig. Nun könnte man sagen, das sei ja nur eine Annäherung – doch wenn nicht einmal die stimmt?

Vor allem: Das Denken in diesen Schubladen birgt Gefahren.

Das Operieren mit "Generationen" verstärkt Vorurteile und Stereotypen

Entspringt das Denken in Generationen dem Bedürfnis, Menschen in Gruppen zu sortieren, wenn es anderswo immer schwieriger wird?

"Boomer sind unflexibel, arbeiten zu viel, Klimawandel ist ihnen egal."

"Millennials sind faul, unzufrieden und wenig belastbar."

"Der Gen Z ist Freizeit wichtiger als Arbeit, sie hängt dauernd am Handy."

Reverse Altersdiskriminierung

Solche Klischees können zur  Abwertung ganzer Gruppen beitragen und Vorurteile verstärken. Der Arbeitspsychologe Hannes Zacher sieht in diesen Klischees sogar die Gefahr, dass bestimmte Generationen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden könnten.

Ich würde dringend davon abraten, zum Beispiel im Arbeitskontext Menschen in Generationen zu unterteilen, weil dort immer Stereotype mitschwingen über die Millennials, über die Boomer. Und im Grunde ist es dann eine reverse Altersdiskriminierung, die dort stattfindet. Altersdiskriminierung ist gesetzlich nicht erlaubt.

Generationenmythos

Inzwischen ist der Begriff "Generation" in der Wissenschaft umstritten. Manche Wissenschaftler verwenden ihn gar nicht mehr für ihre Forschung. Zu ungenau sei der Begriff, zu unbrauchbar die Methodik. Schaut man sich die Unterschiede zwischen einzelnen Generationen an, sind sie minimal.

Der Soziologe Martin Schröder von der Universität des Saarlandes hat in einer Studie die gängigen Annahmen über die Millenials untersucht. Dabei stützte er sich auf die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), der größten Langzeitstudie, die es in Deutschland gibt. Selbstverwirklichung, Bedeutung von Erfolg im Beruf, Zukunftsängste: Weder bei den Babyboomern noch bei der Generation X oder den Millenials gibt es bei diesen Fragen nennenswerte Unterschiede. Martin Schröder spricht vom Generationenmythos.

Die Junge Alternative während einer Demonstration der AfD im Oktober 2023 in Erfurt. Auf zwei großen Transparenten ist zu lesen: "Junge Alternative", davor "Deutsche Jugend fordert Remigration!"
Unterschiedlicher könnte die Positionen nicht sein: Demonstration der AfD im Oktober 2023 in Erfurt. Auf zwei großen Transparenten ist zu lesen: "Junge Alternative", davor "Deutsche Jugend fordert Remigration!"

Fridays for Future und "Junge Alternative" in der gleichen "Generation"

Menschen in Kategorien einzusortieren würde dann Sinn ergeben, wenn dies zur Orientierung beiträgt. Aber das tut es nicht, sagt Hannes Zacher, denn: "Es gibt viel mehr Unterschiede zwischen den Menschen innerhalb einer Generation als Unterschiede zwischen verschiedenen Generationen."

Katja Schmid nennt ein Beispiel, wie weit auseinander die Mitglieder einer Generation liegen können. Hier Fridays for Futures-Aktivistinnen, dort die rechtsextreme Identitäre Bewegung.

Auf Plakaten steht einer jungen Frau und (ihren) Kindern steht: "Meine Freunde bleiben hier", "Unsere Zukunft soll BUNT sein" und "AfD – Auf keinen Fall, Digga": Demonstration gegen Rechtsextremismus im Februar 2024 in Hamburg. Nach Angaben von "Fridays for Future" nahmen mehr als 50.000 Menschen teil.
Genau das Gegenteil fordern Teilnehmerinnen einer Demonstration gegen Rechtsextremismus im Februar 2024 in Hamburg, zu der u. a. "Fridays for Future" aufgerufen hatte: "Meine Freunde bleiben hier", "Unsere Zukunft soll BUNT sein" und "Auf keinen Fall, Digga!" als Auflösung des Kürzels AfD.

Generationen gibt es nicht – aber sie dienen der Identifikation

Einen positiven Effekt kann der Generationenbegriff laut Hannes Zacher dann doch haben. Er dient zur Identifikation:

Aus psychologischer Sicht ist das ein interessantes Phänomen, weil jüngere Menschen möchten nicht gerne als Generation Corona abgestempelt werden. Es gibt aber Studien, die zeigen: Wenn ältere Menschen die Wahl haben, sich als Babyboomer zu identifizieren oder als alte Menschen, dann ist es für sie psychologisch vorteilhafter, wenn sie sich als Boomer beschreiben. Das steigert ihren Selbstwert.

Mit Boomern werden Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Loyalität und harte Arbeit assoziiert.

Das heißt, aus psychologischer Sicht ist das Generationenkonzept auch etwas, was durchaus hilfreich sein kann, weil es in unserer Vorstellung existiert.

Die Selbsttäuschung der Boomer

Umfragen, die belegen wollen, dass Millennials besonders nach Sinn in ihrem Job suchen, werden durch Langzeitstudien widerlegt, die zeigen, dass Menschen, die in der Finanzkrise sozialisiert wurden, gut bezahlte Jobs suchen. Eine sinnvolle Arbeit wünschen sich zudem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jeden Alters.

Und Boomer, die überzeugt sind, in ihrer Arbeit belastbarer und leistungsbereiter gewesen zu sein, übersehen oft, wie sehr sich seitdem die Arbeit verdichtet hat, wie sehr die mediale Belastung durch die Digitalisierung vorangeschritten ist. Und wie niedrig die Einstiegsgehälter in vielen Branchen gemessen an den Lebenshaltungskosten oft sind.

"Wenn eine jüngere Person beispielsweise zu spät zur Arbeit kommt, liegt das nicht daran, dass sie Millennial ist, sondern dass sie vielleicht private Probleme hat", sagt Hans Zacher. "Und da nachzufragen und zu fragen, warum eine Person häufiger zu spät kommt, das erfordert mehr Energie, als das Generationenkonzept zu bemühen."

Stereotype über Generationen verstärken Vorurteile oder lassen sie erst entstehen. Sie können ärgern, verletzen oder diskriminieren. Und sie verstellen den Blick auf die Realität: Generationen verbindet viel mehr als sie trennt.

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