Der britische Philosoph, Mathematiker und Sozialkritiker Bertrand Russell (1872 - 1970) war einer der bedeutendsten Denker des 20. Jahrhunderts. Für sein Werk erhielt er 1950 den Nobelpreis für Literatur "als Anerkennung für seine vielseitige und bedeutungsvolle Verfasserschaft, worin er als Vorkämpfer der Humanität und Gedankenfreiheit hervortritt".
Bertrand Russel: reicher Lord bekennt sich zu demokratischem Sozialismus
Bertrand Russell lehnte alle Ideologien und Dogmen ab. Er setzte auf uneingeschränkten Individualismus und die denkerische Freiheit des Menschen. Philosophen, die nicht zu immer neuen Erkenntnissen kamen, bezeichnete er als "tote" Denker.
Russell wurde am 18. Mai 1872 in Wales geboren und stammte aus britischem Adel – ein reicher Lord, der sich zum demokratischen Sozialismus bekannte.
Russell stritt gegen Atomwaffen, Kapitalismus und Kommunismus. Er gilt weltweit als unbestechlicher Denker und moralische Instanz.
… so schrieb er – und ging gleich zweimal für seine Überzeugungen ins Gefängnis. Im Ersten Weltkrieg, weil er Kriegsdienstverweigerung befürwortet und die amerikanische Armee beleidigt. Und später wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“, nach einer Demonstration gegen atomare Aufrüstung.
Erster Weltkrieg: Mathematiker Russell widmet sich politischen Themen
Russell studiert Mathematik und Philosophie in Cambridge. Bald ist er für seinen scharfen Intellekt bekannt. Mit Alfred North Whitehead verfasst er die dreibändige „Principia Mathematica“ – ein Standardwerk der philosophischen Logik, als deren Mitbegründer Russell heute gilt.
In seine etwas abgehobene Welt des reinen Denkens platzt 1914 der Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Russell wendet sich verstärkt gesellschaftlichen und politischen Themen zu. Für einen Neuanfang nach dem Ersten Weltkrieg scheint ihm der Sozialismus der beste Weg. 1918 erscheint sein Buch „Wege zur Freiheit“ über Sozialismus und Anarchismus.
Gegen Kommunismus und Kapitalismus
Der Politikwissenschaftler Armin Pfahl-Traughber erklärt Russells Haltung zum Kommunismus:
Russell kritisiert den Kommunismus, aber auch den Kapitalismus, weil der die Arbeiter ausbeute, ihnen Freiheiten und Grundrechte nehme. Der Philosoph neigt den Ideen des Gildensozialismus und Fabianismus zu – beide Bewegungen sind Anfang des 20. Jahrhunderts in Großbritannien verbreitet. Im Gildensozialismus organisieren sich Berufstätige in Berufsgruppen und verwalten die Produktionsmittel selbst. Der Fabianismus ist ein ethisch begründeter Reformsozialismus.
Bertrand Russell: kritische Haltung zum Krieg, aber kein Pazifist
Oft wird Bertrand Russell als bedingungsloser Pazifist dargestellt, doch das stimmt nicht. Den Krieg der Alliierten gegen Hitler rechtfertigt er durchaus.
Den Krieg der USA gegen Nordvietnam bewertet Russell dagegen als amoralisch und sinnlos.
Russells Themen sind heute noch aktuell: Kapitalismus und Atomwaffen
Russell betont, wie wichtig es sei, frei und unabhängig zu denken. Für ihn brauchen die Menschen keine Vorgaben und schon gar keine Dogmen.
Russell publiziert über 60 Bücher und zahllose Aufsätze. 1950 erhält er den Literatur-Nobelpreis.
An Neujahr 1970 bekommt Bertrand Russell eine schwere Bronchitis. Er stirbt am Tag darauf mit 97 Jahren. Seine Asche wird, wie er es sich gewünscht hat, über walisischen Hügeln verstreut.
27.10.1948 Bertrand Russell – Der britische Philosoph im Interview auf Deutsch
27.10.1948 | Bertrand Russell war einer der populärsten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Berühmt wurde er zunächst in der Mathematik, durch sein mit Alfred Whitehead verfasstes Standardwerk „Principia Mathematica“, in der die beiden die Grundlagen der Mathematik neu herleiteten. Russell befasst sich darin auch eingehend mit logisch-mathematischen Paradoxien wie der „Menge aller Mengen, die sich nicht selbst enthalten“. Aber als der Erste Weltkrieg ausbrach, verschiebt sich Russells Interesse mehr Richtung Politik. Pazifismus, Sozialismus, gesellschaftliche Ordnungen. Das sind die Themen, die ihn fortan beschäftigen. Den Ostblock-Kommunismus lehnt er ab, im Zweiten Weltkrieg relativiert er auch seinen Pazifismus. Er schreibt ein Buch über „Ehe und Moral“, für das er 1950 den Literaturnobelpreis bekommt. Zwei Jahre vorher besucht er Berlin für eine Vorlesungsreihe. Zu diesem Anlass gibt er am 27. Oktober 1948 dem NWDR (Nordwestdeutscher Rundfunk) ein Interview in deutscher Sprache. Russell ist zu diesem Zeitpunkt 74 Jahre alt und spricht darüber, wie man seiner Ansicht nach zu einer Weltregierung kommt, über deren Chancen und Risiken.
„Ich glaube, die Welt könnte noch einen Weltkrieg überleben, aber nicht zwei“, sagt er am Ende des Interviews. Deshalb müsse man dafür sorgen, dass es keinen Weltkrieg mehr gibt, und wenn doch, dass dies dann der letzte ist.
Das Interview führt laut Archiveintrag Ernst Bloch – der aber nicht identisch ist mit dem gleichnamigen Philosophen. Quelle: RBB | Hinweis: Im Podcast "SWR2 Wissen" gibt es ein ausführliches Porträt über Bertrand Russell.
Hiroshima
6.8.1945 BBC berichtet von Atombombe auf Hiroshima
6.8.1945 | Die BBC-Nachrichten informieren über den Atombombenabwurf auf Hiroshima. Der Bericht konzentriert sich auf die Bombe als technische Errungenschaft und auf ihre strategische Bedeutung. Ihre direkten Folgen werden mit keiner Silbe erwähnt. Über die Zahl der Todesopfer wird nicht einmal spekuliert. Sie finden keine Erwähnung.
9.8.1945 Präsident Trumans Radioansprache zur Atombombe auf Hiroshima
9.8.1945 | Nazi-Deutschland ist besiegt, Japan noch nicht. US-Präsident Harry S. Truman ist von der Alliierten-Konferenz in Potsdam zurückgekehrt. Im Rundfunk spricht er über das zerstörte Berlin und seine Vorstellung vom Wiederaufbau Deutschlands. Und er rechtfertigt den Einsatz der Atombombe in Hiroshima. Man habe so eine Militärbasis zerstört.
August 1945 "We don't mind about 100.000 Japs": Otto Hahn irritiert über Reaktion eines Engländers auf Hiroshima
August 1945 | Der Chemiker Otto Hahn erfährt vom Atombombenabwurf in Hiroshima als Gefangener in einem britischen Internierungslager. Dort saß er zusammen mit anderen hochrangigen deutschen Naturwissenschaftlern wie Carl Friedrich von Weizsäcker. Später erinnert er sich an diesen Moment im August 1945.
Vietnam
17.2.1968 Rudi Dutschkes Rede auf dem Internationalen Vietnamkongress
17.2.1968 | Der Sozialistische Deutsche Studentenbund organisiert den Internationalen Vietnamkongress im Auditorium Maximum der TU Berlin. 5.000 Teilnehmer aus 14 Ländern waren gekommen – eines der zentralen Ereignisse der deutschen Studentenbewegung. Wichtigste Akteure sind Karl Dietrich Wolff und Rudi Dutschke. Wir hören die Rede von Rudi Dutschke – zwei Monate vor dem Anschlag auf ihn.
29.4.1975 Saigon wird evakuiert: Das Ende des Vietnamkriegs
Am 29. April 1975 nehmen die kommunistischen Vietcong die südvietnamesische Hauptstadt Saigon ein. Damit endet der Vietnamkrieg nach fast zwei Jahrzehnten, in denen mehr Bomben fallen als im Zweiten Weltkrieg und schätzungsweise zwei bis vier Millionen Menschen sterben. Nach der Kapitulation von Südvietnam bricht in den letzten Apriltagen 1975 in Saigon Panik aus. Tausende wollen vor den kommunistischen Truppen fliehen. Bilder zeigen Menschen, die verzweifelt versuchen, in einen US-Hubschrauber zu gelangen und von Marines zurückgestoßen werden. Die Evakuierung von Saigon geht als „Operation Frequent Wind“ in die Geschichte ein. Die letzten Tage der bis dahin größten militärischen Niederlage der USA erlebt der Korrespondent Dietrich Mummendey vor Ort. Hier sein letzter Bericht aus Saigon vom 29. April 1975.
Persönlichkeiten
Biografien Philosophie im Porträt
Die Lebenswege und wichtigsten Ideen bedeutender Denkerinnen und Denker zum Hören und Lesen. Von der Antike bis in die Gegenwart.