Am 13. August 1961 beginnt in Berlin der Bau der Mauer – nachdem der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht am 15. Juni 1961 noch behauptet hatte, niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten.
Protestkundgebung vor dem Schöneberger Rathaus
Am 16. August findet vor dem Schöneberger Rathaus eine große Protestkundgebung statt. Dort spricht auch der Regierende Bürgermeister Willy Brandt. Es ist eine seiner entschiedensten und emotionalsten Reden. Er macht deutlich: Es geht hier um weit mehr als nur um Berlin. Man dürfe sich das nicht bieten lassen.
Brandt warnt vor weiterer Appeasement-Politik. Denn die Versuche, durch politische Kompromisse und wirtschaftliche Abkommen der DDR-Führung entgegenzukommen, seien offenbar gescheitert und hätten diese nur noch zu weiteren Repressionen ermutigt. Und wer jetzt noch aus dem Westen zur Leipziger Buchmesse reise, solle gleich drübenbleiben.
Brandt-Rede ist "Rhetorisches Kunststück"
Der Historiker Stefan Wolle hält die Rede für ein großes rhetorisches Kunststücke, sagte er in SWR2 Wissen:
„Auf der einen Seite findet Willy Brandt in der Situation die richtigen Worte, um die Empörung der deutschen Bevölkerung in Ost und West auszudrücken. Gleichzeitig aber will er nicht Öl ins Feuer gießen.“
Aber ist die Botschaft der Rede nicht auch: Diplomatie und Entgegenkommen bringen nichts? Spricht hier nicht ein anderer Brandt als der Versöhnungspolitiker, als der er später bekannt wird? Aus Sicht von Wolle kein Widerspruch:
„Die Forderungen, die er in seiner Rede im Konkreten stellt, sind ja relativ harmlos: Boykott der Leipziger Messe, Boykott von Sportveranstaltungen. Aber er fordert ja keine militärischen Maßnahmen. Viele haben damals gesagt: Jetzt müssten die Amerikaner ihre Panzer auffahren lassen oder die Mauer wegräumen und so weiter. Aber das fordert ja Willy Brandt überhaupt nicht.“
Weder die Bundesregierung noch die Alliierten wollen weitere Eskalation
Brandt weiß, dass weder die Bundesregierung noch die Alliierten eine weitere Eskalation wollen. „Das war auch die Haltung von Konrad Adenauer übrigens: Wir sollten jetzt nicht versuchen, in irgendeiner Art und Weise die Situation zu verschärfen. Denn über diese ganzen Jahren, das wird heute in unseren friedlichen Zeiten manchmal vergessen, in der ganzen Zeit schwebt über allem die Drohung des Atomkriegs, der nuklearen Selbstvernichtung der Menschheit."
Und weiter: „Brandt weiß zu diesem Zeitpunkt schon, dass die Mauer nur durch eine Politik der kleinen Schritte, wie es dann später genannt wurde, zu beseitigen ist. Und diese Politik war eben zukunftsfähig. Die hat nach 28 Jahren eben nicht unwesentlich dazu beigetragen, dass die Mauer friedlich verschwunden ist."
Mauerbau 1961 in Originaltönen
15.6.1961 Walter Ulbricht: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten"
15.6.1961 | Zwei Monate, bevor in Berlin die Mauer errichtet wird, dementiert der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht diese Pläne: Niemand habe die Absicht, eine Mauer zu errichten. Doch in welchem Zusammenhang fielen diese Worte? Die Situation: Immer mehr DDR-Bürger flüchteten nach West-Berlin – etwa 300 am Tag. Das war für die DDR auch ein wirtschaftliches Problem. Sie bezifferte die Kosten auf eine Milliarde Mark. Walter Ulbricht drängte deshalb die sowjetische Führung unter Chruschtschow, die Grenze nach West-Berlin zu schließen. Aber Moskau wollte primär etwas anderes: nämlich einen formellen Friedensvertrag. Und zwar mit West-Berlin als einer sogenannten "Freien und neutralen Stadt" – die also nicht zur Bundesrepublik und somit auch nicht zur NATO gehören sollte.
13.8.1961 DDR-Nachrichten zum Mauerbau
13.8.1961 | Der Deutschlandsender war das Radioprogramm des Staatlichen Komitees für Rundfunk der DDR. So berichtete es am Tag, als die DDR die Sektorengrenze abriegelte, um zunächst eine Grenze aus Stacheldraht zu ziehen, und schließlich eine Mauer zu bauen.
Im Rundfunk der DDR wurde außerdem die Anweisung des Innenministerium verlesen, die die Grundlage für die Grenzmaßnahmen darstellt.
13.8.1961 Beginn des Mauerbaus in Berlin: Reportagen von der Sektorengrenze
Der 13. August 1961 gilt als Beginn des Mauerbaus. Eine Mauer ist an dem Tag allerdings noch nicht zu sehen, aber Stacheldraht: Die DDR riegelt die Sektorengrenze ab und reißt stellenweise die Straßen auf. Dass irgendwas passiert, ist unübersehbar. Schon in den frühen Morgenstunden schicken Sender Freies Berlin (SFB) und RIAS ihre Reporter an die Sektorengrenze. Wir hören zunächst Götz Kronburger vom SFB.
Eine Viertelstunde später meldet sich RIAS-Reporter Rainer Höynck vom Potsdamer Platz.
Später fährt Erich Nieswandt vom SFB für den Sender Freies Berlin von einem Grenzübergang zum anderen. Wir hören ihn erst am Brandenburger Tor und anschließend an der Bernauer Straße.
Die Situation an der Bernauer Straße ist bizarr, denn auf der südlichen Straßenseite verläuft die Sektorengrenze direkt an der Hauswand: Die Häuser gehören zu Ost-, der Bürgersteig zu Westberlin. Später wurden die Hauseingänge zugemauert, die Menschen konnten nur noch über die Hinterhöfe in ihre Wohnungen gelangen. Immer wieder sind aber auch Bewohner in den Westen geflohen, indem sie aus dem Fenster über die Grenze sprangen. Teilweise wurden sie mithilfe von Feuerwehr-Sprungtüchern auf dem Bürgersteig aufgefangen, erklärt der Historiker Stefan Wolle in SWR2 Wissen:
"Davon gibt es Fotos und eben auch Rundfunkreportagen. Die Bernauer Straße geriet schnell in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit durch die spektakulären Fluchtaktionen. Später wurden dann diese Häuser ganz abgerissen, damit die Posten der DDR freies Schussfeld haben, um auf Flüchtlinge zu schießen.“
13.8.1961 Die Mauer entsteht – Umfrage unter DDR-Bürgern
13.8.1961 | Am Tag, als die DDR-Regierung die Sektorengrenze abriegelt – die Vorstufe zum Mauerbau – sendet Radio DDR eine Umfrage unter den eigenen Bürgerinnen und Bürgern. Gesendet werden ausschließlich Stimmen, die die Regierung in Ostberlin für die Maßnahmen loben. Sie „hätten schon viel früher“ kommen müssen.
14.8.1961 Walter Ulbricht im Gespräch mit Arbeitern und Soldaten
14.8.1961 | Am Tag nach Beginn des Mauerbaus begleitet das DDR-Fernsehen Walter Ulbricht, wie er sich in Ostberlin unters Volk mischt und mit Arbeitern und Soldaten spricht – vorbereitet durch eine überschwängliche Anmoderation.
14.8.1961 Propagandamusik zum Mauerbau: "Unser schönes Berlin wird sauber sein"
14.8.1961 | Zur DDR-Propaganda gehörte auch Musik. Einen Tag nach Abriegelung der Sektorengrenze in Berlin sendet Radio DDR am 14. August 1961 einige Lieder, die die Maßnahmen der Regierung als Befreiung und Säuberung Berlins glorifizieren. Den Anfang macht das folgende Stück des Komponisten Walter Kubiczeck. Der Text stammt von Eberhard Fensch. Laut der Ansage im Radio wurden dieses und andere Stücke angeblich innerhalb weniger Stunden geschrieben.
Im Lied ist von den „Kalten Kriegern am Rhein“ die Rede. Dies spielt auf einen Vorwurf an, der in der DDR immer zu hören war, dass es in Bonn Pläne gäbe, die DDR zu annektieren und schließlich die Grenzen von 1939 wieder herzustellen.
Willy Brandt
4.9.1958 Willy Brandt über Flüchtlinge aus der DDR
4.9.1958 | Tausende Menschen kehren der DDR bis zum Mauerbau den Rücken. Besonders stark ist der Andrang in den Westberliner Flüchtlingslagern. Der Regierende Bürgermeister Willy Brandt nimmt Stellung.
13.11.1959 Willy Brandt wirbt für das „Godesberger Programm“
13.11.1959 | Die SPD gibt sich ein neues Grundsatzprogramm. Sie reformiert sich und ihren Anspruch – weg von der reinen sozialistischen Arbeiterpartei hin zu einer Volkspartei. Wirtschaftspolitisch bekennt sich die Partei jetzt deutlicher zur Marktwirtschaft. „So viel Markt wie möglich, so viel Planung wie nötig“, ist jetzt die Devise. Willy Brandt, Regierender Bürgermeister von Berlin, wirbt für das neue Programm, das zwei Tage später verabschiedet wird. In seiner Rede auf dem außerordentlichen Parteitag der SPD in Bad Godesberg geht er intensiv auf die Frage eines vielleicht irgendwann wiedervereinigten Deutschlands ein, denn manche in der SPD argumentieren, man solle mit einem neuen Grundsatzprogramm doch bis zu einer Wiedervereinigung warten. Das war wohlgemerkt 1959. Brandt sieht das anders. | http://swr.li/brandt-godesberger-programm
25.10.1962 Gefahr für Berlin? Willy Brandt und Konrad Adenauer
25.10.1962 | Die Kuba-Krise warf auch die Frage auf: Was passiert mit Berlin? Willy Brandt hat gute Gründe, sich damit zu befassen, denn bevor die Sowjetunion auf Kuba anfing, Mittelstreckenraketen zu stationieren, stand immer wieder der Status von Berlin im Zentrum des Ost-West-Konflikts. Der sowjetische Staatschef Nikita Chruschtschow hatte vergeblich versucht, der Stadt den Viermächte-Status zu entziehen und Berlin in eine vom Westen unabhängige, entmilitarisierte Stadt zu verwandeln – die freilich von der DDR umgeben gewesen wäre. Als sich der Westen trotz Drohungen nicht darauf einließ, wurde 1961 die Mauer gebaut. Kein Wunder also, dass viele Sorgen hatten, dass Berlin auch in der Kuba-Krise erneut zur Verhandlungsmasse zwischen Washington und Moskau werden könnte. Darauf bezieht sich die Rede des Regierenden Bürgermeisters Willy Brandt vor dem Berliner Abgeordnetenhaus am 25. Oktober 1962.
Am 26. Oktober 1962 gibt auch Bundeskanzler Konrad Adenauer eine Erklärung ab.
30.8.1963 Willy Brandt freut sich über Stereophonie
30.8.1963 | Im 40. Jahr seines Bestehens gönnt sich der deutsche Rundfunk eine neue Technik: Die Stereophonie. Vorgestellt wird sie auf der Funkausstellung in Berlin. Der regierende Bürgermeister Willy Brandt hält die Eröffnungsrede und freut sich, dass man jetzt Radio in Stereo hören kann.
Nach der Einführung der Stereophonie dauert es allerdings noch lange, bis sie sich wirklich durchsetzt. Bis zum Ende der 1960er-Jahre können nur 12 Prozent der Hörerschaft Stereoprogramme empfangen. Erst in den 1980er-Jahren werden wirklich alle Radioprogramme durchgängig in Stereo gesendet.
22.11.1963 John F. Kennedy wird ermordet
22.11.1963 | US-Präsident John F. Kennedy ist im November 1963 auf Wahlkampfreise unterwegs. Mit seiner Wagenkolonne fährt er durch die texanische Stadt Dallas. Er steht aufrecht im offenen Wagen, als mehrere Schüsse auf ihn abgefeuert werden. Einer davon trifft ihn tödlich. Die ganze Welt reagiert schockiert. Unmittelbar nach dem Tod Kennedys wird Vizepräsident Lyndon B. Johnson als Nachfolger vereidigt.
Die Aufnahme enthält mehrere Korrespondentenberichte sowie die Ansprachen von Bundeskanzler Ludwig Erhard und dem Regierenden Bürgermeister von West-Berlin, Willy Brandt.
23.1.1970 Brandt will "gleichberechtigte Beziehungen" mit DDR
23.1.1970 | Bundeskanzler Willy Brandt schreibt am 22.1.1970 einen Brief an den Regierungschef der DDR, Willi Stoph. Er bietet darin Gespräche über gegenseitigen Gewaltverzicht und „gleichberechtigte Beziehungen“ an. Das ist schon deshalb bemerkenswert, weil die Bundesrepublik die DDR nicht als eigenständigen Staat anerkennt. Der Brief ist somit ein weiterer Schritt in Brandts Entspannungspolitik. Was Brandt in seinem Brief genau geschrieben hat, wird erst am folgenden Tag auf einer Pressekonferenz vorgelesen.
7.12.1970 Willy Brandts Kniefall in Warschau – Livereportage
7.12.1970 | Live-Bericht vom Besuch Willy Brandts im Warschauer Getto. Die Kranzniederlegung war geplant. Der Kniefall eine Überraschung. Gemessen daran, wie diese Geste später im Gedächtnis blieb, geht der Moment in der Reportage von Korrespondent Peter Schnell zügig vorbei. Es folgt die Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrages.
24.4.1974 DDR-Spion Günter Guillaume wird verhaftet
24.4.1974 | Am 24. April 1974 wird der DDR-Agent Günter Guillaume verhaftet, zusammen mit seiner Ehefrau Christel. Er ist zu dem Zeitpunkt Referent im Bundeskanzleramt von Willy Brandt.
Die Nachricht von Guillaumes-Verhaftung ist an dem Tag Gesprächsthema Nummer eins in den Medien und natürlich auch im Bundestag in Bonn. Es wird spekuliert, was Günter Guillaume im Auftrag der DDR ausspioniert haben könnte, wie nah er dem Kanzler stand und welche politische Tragweite der Fall besitzt.
In den folgenden Tagen verlagert sich das Interesse von Medien und Politik immer weiter weg vom DDR-Spion Günter Guillaume und hin zu Bundeskanzler Willy Brandt. Zwei Wochen nach der Verhaftung von Guillaume, am 6. Mai 1974, erklärt Willy Brandt seinen Rücktritt.
24.4.1974 Medienspekulationen um die Spionage-Affäre Guillaume
24.4.1974 | Der enttarnte DDR-Spion Günter Guillaume wird nach seiner Verhaftung am 24. April 1974 immer mehr zum Problem für Bundeskanzler Willy Brandt. Nicht, weil brisante Geheimdokumente auftauchen, sondern weil in den Medien über Affären von Guillaume zu Bonner Sekretärinnen und über mögliche weitere Spione rund ums Kanzleramt gemunkelt wird.
Ein bisschen James Bond in Bonn – die männlichen Journalisten, aber auch Bonner Politiker ergehen sich hörbar süffisant in ihren Spekulationen.
8.5.1974 Rundfunkansprache von Ex-Kanzler Willy Brandt zu seinem Rücktritt
8.5.1974 | Weil im Zuge der Guillaume-Affäre um den verhafteten DDR-Spion im Bonner Kanzleramt der politische Druck auf Bundeskanzler Willy Brandt zunimmt und ihm die eigene SPD-Parteiführung die Rückendeckung verweigert, reicht Brandt am Abend des 6. Mai 1974 Bundespräsident Gustav Heinemann seinen Rücktritt ein.
In einer kurzen Ansprache im Rundfunk erklärt er zwei Tage später, am 8. Mai 1974, seine Beweggründe. – Noch Jahre später wird Willy Brandt mit der Entscheidung, zurückgetreten zu sein, hadern. Schon damals hielten viele diesen Schritt nicht für nötig.
16.5.1974 Helmut Schmidt wird 1974 zum Bundeskanzler gewählt
16.5.1974 | Nachdem Willy Brandt im Zuge der Guillaume-Affäre um einen DDR-Spion im Kanzleramt am 6. Mai 1974 seinen Rücktritt erklärt hat, wird zehn Tage später im Bonner Bundestag sein Nachfolger gewählt.
Helmut Schmidt, der laut eigener Aussage Brandt den Rücktritt noch ausreden wollte, übernimmt am 16. Mai 1974 die Regierungsgeschäfte. Er ist dabei ziemlich nervös, wie im folgenden Beitrag zu hören ist, während sein Vorgänger Brandt den Bundestag allein und schweigsam verlässt.
10.11.1989 Der Tag nach der Maueröffnung
10.11.1989 | Einen Tag nach Öffnung der Mauer fand vor dem Schöneberger Rathaus in Berlin eine Kundgebung mit westdeutschen Spitzenpolitikern statt: Walter Momper, Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher und der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl.
8.12.1990 DDR-Spion Guillaume bedauert Brandt-Rücktritt
8.12.1990 | Als angeblicher DDR-Flüchtling war Günter Guillaume mit seiner Frau Christel 1956 nach Westdeutschland gekommen. Nach einigen Jahren Partei-Arbeit in der SPD schaffte er es schließlich bis ins Kanzleramt von Willy Brandt. Seine Enttarnung löste den größten Spionage-Skandal der Bundesrepublik aus, in dessen Folge Willy Brandt als Kanzler zurücktrat.
Nachdem Guillaume einen Teil seiner Haftstrafe wegen Landesverrats abgesessen hatte, durfte er bei einem Gefangenen-Austausch 1981 in die DDR zurückreisen.
Am 8. Dezember 1990 erläutert der nunmehr arbeitslose Ex-Agent im Interview sein Bedauern über den Rücktritt Willy Brandts.
DDR-Strafprozess gegen Walter Praedel 1961
20.12.1961 DDR-Strafprozess gegen Walter Praedel 1961 (1/4)
20.12.1961 | 1/4 | Walter Praedel war 50 Jahre alt, als er im Oktober 1961 eine Scheune im Dorf seiner Schwägerin anzündete. Niemand kam ums Leben. Am 20. Dezember 1961 wurde ihm der Prozess gemacht. Im Januar 1962 starb er in Leipzig unter dem Fallbeil.
20.12.1961 DDR-Strafprozess gegen Walter Praedel 1961 (2/4)
20.12.1961 | 2/4 | Walter Praedel war ein einfacher Mann. Er arbeitete bei der Feuerwehr, als Wald- und Erntearbeiter und zuletzt als Ofenbauer beim VEB Schamottewerk in Bad Freienwalde/Oder. Seine Kollegen und Verwandten mochten ihn. Vor dem Bau der Berliner Mauer reiste er ab und zu aus dem Osten der DDR nach Westberlin, besuchte Verwandte und nahm einige Male an Treffen der Pommerschen Landsmannschaft teil, einer erzkonservativen Vereinigung, die die Grenzen von 1945 wieder herstellen wollte. Hier entstand sein Vorbehalt gegen die DDR. Weiter trug dazu bei, dass er regelmäßig spätnachmittags den Westberliner Rundfunksender RIAS hörte. Als das Stalldach seiner Schwägerin trotz mehrerer Versprechen von der LPG nicht repariert wurde, schlug Praedels Aversion in Hass um.
20.12.1961 DDR-Strafprozess gegen Walter Praedel 1961 (3/4)
20.12.1961 | 3/4 | Am 16. August 1961 hörte Praedel, wie viele DDR-Bürger, die Rede des Berliner Bürgermeisters und späteren Bundeskanzlers Willy Brandt zum Mauerbau: „Wir wissen, welcher Hass, welche Bitterkeit, welche Verzweiflung heute und in diesen Tagen in ihren Herzen wohnt. Wir wissen, dass nur die Panzer sie zurückhalten, ihrer Empörung freien Lauf zu lassen!“ Ab da wollte Walter Praedel die DDR schädigen, und er suchte sich dafür einen Tag mit günstigem Wind und ohne Zeugen aus, den 12. Jahrestag der DDR am 7. Oktober 1961. Zwei Scheunen mit Heu brannten nieder, bevor die Feuerwehr anrückte und die beiden Viehställe vor dem Überschlagen der Flammen schützte. Praedels Alibi, er sei auf der Toilette gewesen, war schnell widerlegt. Er kam noch am selben Tag in U-Haft.
20.12.1961 DDR-Strafprozess gegen Walter Praedel 1961 (4/4)
20.12.1961 | 4/4 | Im Zentrum des Strafprozesses am 20. Dezember 1961 im Bezirksgericht Frankfurt/Oder stand eigentlich nicht die Brandstiftung, sondern etwas ganz anderes: Praedel hatte als Soldat der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg an einem Erschießungskommando gegen sowjetische Zivilisten teilgenommen. Dafür war er von einem Sowjet-Gericht zu Zwangsarbeit verurteilt, 1955 jedoch begnadigt worden. Der Umstand, dass er dennoch einen Hass auf die Sowjetunion und die DDR entwickelte, führte für Richter Walter Ziegler zur Diversion, also der schweren Schädigung der DDR. Abgesegnet von der Justizministerin Hilde Benjamin und vom Minister für Staatssicherheit Erich Mielke erging nach einem Verhandlungstag das Todesurteil.