„Wenn ich die Musik höre, vergesse ich, dass ich alt bin“ – solche Rückmeldungen gibt es nicht selten bei Projekten zum demenzsensiblen Musizieren. Damit das Thema „Demenz und Musik“ auch in der breiten Gesellschaft mehr Beachtung erhält, hat der Bundesmusikverband Chor und Orchester das Förderprogramm „Länger fit durch Musik“ ins Leben gerufen.
Demenzsensibles Musizieren im Fokus
Musik ist ein Schlüssel zur Erinnerung und damit besonders wichtig für Menschen, die mit Demenz leben. 1,8 Millionen Menschen sind derzeit in Deutschland von der Krankheit betroffen.
Der Bundesmusikverband Chor und Orchester setzt sich daher verstärkt für das Thema demenzsensibles Musizieren ein, berichtet dessen Geschäftsführer Lorenz Overbeck im Gespräch mit SWR Kultur, vor allem mit dem Förderprogramm „Länger fit durch Musik“.
Der Bundesverband möchte mit diesem Projekt vor allem Chöre und Orchester im Laienbereich ansprechen. Sie können sich mit ihren Projekten um Fördersummen von bis zu 9.500 Euro bewerben. Ziel der Förderung ist es, Projekte zu unterstützen, die die Lebensqualität von Demenz-Patient*innen und deren Angehörigen verbessern sollen.
Gesundheit Therapie bei Demenz – Alternativen zum Ruhigstellen
Zu viele Beruhigungsmittel, zu wenige Medikamente: Demenzkranke werden oft falsch behandelt, auch weil Angehörige überlastet sind. Zu einer guten Therapie gehören Zeit und Geduld.
„Wenn ich die Musik höre, vergesse ich, dass ich alt bin“
Derzeit fördere der Verband bereits 21 Projekte, erklärt Overbeck. Eines davon läuft in Gäufelden (Landkreis Böblingen). Hier basteln Menschen mit Demenz und deren Angehörige gemeinsam Perkussionsinstrumente und spielen mit diesen bekannte Volkslieder.
Die Teilnehmenden seien total begeistert, so Overbeck. Man höre mitunter solche Rückmeldungen wie „Wenn ich die Musik höre, vergesse ich, dass ich alt bin“.
Das Förderprogramm beinhaltet auch eine Weiterbildung für die Projektverantwortlichen, gerade die Künstlerischen Leiterinnen und Leiter. Man arbeite hier sehr intensiv mit Hochschulen zusammen, etwa mit der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe und der Universität Frankfurt, berichtet der Verbandsgeschäftsführer weiter.
Das Projekt soll den Amateurbereich langfristig stärken
Geschätzt etwa 14 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich im Amateur-Musikbereich. Das sei nach dem Sport die zweitgrößte gesellschaftliche Bewegung, so Overbeck. Gerade deshalb sei es so wichtig, dass das Thema Demenz hier die Aufmerksamkeit erhalte, die es verdiene.
Begleitend zum Projekt hat der Bundesverband Chor und Orchester mit der Universität Heidelberg und der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe eine öffentliche Umfrage gestartet, die mehr Einblick in den Bereich Amateurmusik und Demenz geben soll.
Aus dem Förderprojekt und der Umfrage sollen nun Ideen entwickelt werden, die perspektivisch Amateurensembles den Umgang mit Demenz-Betroffenen einfacher machen sollen. Ab 2026 plant der Verband die Herausgabe eines Methodenkoffers, der interessierten Ensembles zur Verfügung gestellt werden kann.
Chöre und Orchester, die Menschen mit Demenz ansprechen wollen, meint Overbeck, sollen so besser begleitet werden. Auch, damit sie sich sicher fühlen können.
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