Klarinette spielen und im Meer schwimmen. Urlaub machen mit Mendelssohn und Sibelius. Es gibt Amateure, die ihr Instrument nie zur Seite gelegt und jene, die ihr Instrument irgendwann wieder aus dem Kasten geholt haben. Was treibt Amateurmusiker an, lebenslang zu üben? Nach einem anstrengenden Arbeitstag oder sogar im Urlaub?
Stirbt die klassische Musikszene?
Statistiken und Zukunftsforscher, Musikkritiker und Musikmanager beklagen seit vielen Jahren das Sterben der klassischen Musikszene und dessen alterndes Publikum. Junges Publikum wachse nicht in gleichem Maße nach.
2021 hingegen hat der Deutsche Musikrat eine Studie veröffentlicht, aus der hervorgeht, dass 48 Prozent, also fast die Hälfte, aller Kinder und Jugendlichen im Alter von 6 bis 15 Jahren in ihrer Freizeit regelmäßig musizieren. Bei Menschen ab 16 Jahren sind es knapp 16 Prozent. Anders gesagt heißt das: In Deutschland machen knapp 19 Prozent der Bevölkerung regelmäßig Musik. Und diese Zahl ist seit 20 Jahren recht konstant geblieben.
Musizieren im Urlaub
Symphonic Holidays ist ein Reiseveranstalter, der jährlich vier Orchesterferien in Südfrankreich und auf Sizilien anbietet. Instrumentalisten aus der ganzen Welt nehmen daran teil.
Auch Organisator Jonas Hees kann nicht beobachten, dass das Interesse an klassischer Musik als Amateurmusiker nachlassen würde. „Ich sehe, dass sehr viele Teilnehmer glücklich sind“, sagt er.
Seit 100 Jahren: Bundesverband der Amateurmusiker
Vor 100 Jahren wurde der BDLO gegründet: der Bundesverband Deutscher Liebhaberorchester. Dazu gehören heute knapp 900 Amateurorchester mit 34 000 Musizierenden.
Netzwerken, Workshops für Dirigenten, Orchesterfreizeiten, Fördergelder an Land ziehen, Öffentlichkeitsarbeit, Bewusstsein schärfen für die Bedeutung von Musik in unserer Gesellschaft – es gibt vieles, woran der Bundesverband der Amateurmusiker deutschlandweit arbeitet. Und zwar seit 100 Jahren.
Musizieren vor Ort und im Urlaub
Laienorchester haben in Deutschland eine lange Tradition. In Stuttgart feiert der Liederkranz 2024 sein 200. Gründungsjubiläum. So traditionell der Name klingt - zum Verein gehören ein moderner Konzertchor, ein Vokalensemble und ein veritables Sinfonieorchester.
Manchen Amateuren reicht es nicht, regelmäßig an ihrem Lebensort zu musizieren. Sie gehen mit ihren Instrumenten und ihrer Leidenschaft sogar in den Urlaub. Das jeweilige Niveau der Orchester, in denen man Ferien machen kann, ist dabei sehr unterschiedlich. Aber auch die dazugehörige Freizeitgestaltung.
Unterschiedlichste Niveaus der Amateurorchester
Wer hingegen mit der Norddeutschen Orchesterakademie in der Elbphilharmonie in Hamburg oder in der Berliner Philharmonie mitspielen will, muss sehr gut sein und ein Bewerbungsvideo einreichen. Beim ersten Mal schon, 2018, gab es 500 Bewerber für dieses sehr große Sinfonieorchester, in dem Profis, Musikstudenten und Laien zusammenspielen.
Beim Gurgl Musikforum geht es entspannter zu: Da kann man in der Freizeit wandern, im österreichischen Ötztal. Beim Gstaad Festival Amateur Orchestra spielt man mit Berufsmusikern zusammen und braucht auch die nötigen Schweizer Franken.
Amateurmusiker: ein Geschenk für die Gesellschaft
Wer in einem Orchester mitspielt, muss sich integrieren und mit offenen Ohren und Augen die Mitmusizierenden wahrnehmen, denn nur so kann man einen gemeinsamen Klang entwickeln.
Das bedeutet, jede und jeder muss sich ständig selbst kontrollieren und verbessern, auf die Anweisungen der Dirigentin, des Dirigenten reagieren, sich bemühen ein produktiver Teil eines großen Ganzen zu sein. Das sind genau jene Qualitäten, die auch eine funktionierende Gesellschaft am Leben erhält.
Amateurmusiker sind also aktiv am gesellschaftlichen und kulturellen Leben beteiligt, stärken den sozialen Zusammenhalt, engagieren sich ehrenamtlich, haben soziales Miteinander im Blick, wirken inklusiv über Alters- und soziale Grenzen hinweg. Man könnte auch sagen: Amateurmusiker sind ein Geschenk für die Gesellschaft.
Musik tut gut
Doch nicht nur das – Hobbymusikerinnen und -musiker tun sich auch selbst etwas Gutes. Das fängt an bei den musizierenden Kindern, die sich besser konzentrieren können, weniger Rechtschreibfehler im Diktat machen und besser vorlesen können.
Wer Musik macht, bei dem wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet. Wer im Ensemble musiziert, hat auch ein beglückendes Gemeinschaftserlebnis, es wird das sogenannte Kuschelhormon Oxytocin ausgeschüttet. Außerdem beugt Musizieren Demenz vor.
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