Wer sich im Raum Stuttgart für Neue Musik begeistert, für den ist das jährliche Festival Eclat Pflichtprogramm. Die Festival-Macher luden dieses Mal vom 31. Januar bis 4. Februar zum Perspektivwechsel ein – und hatten dafür die Zuschauertribüne entfernt.
Das T1 im Theaterhaus Stuttgart ist der größte Saal in der angestammten Spielstätte des Festivals Eclat. Die Entfernung der dortigen Zuschauertribüne sollte Publikum und Kunst in einem freien Raum immer wieder neu miteinander in Beziehung setzen und damit unter anderem den gewünschten Perspektivwechsel auslösen.
Gesellschaftliche Herausforderungen und die Kunst
Warum war dieser Perspektivwechsel nötig? Veranstalter des Festivals ist das Kollektiv Musik der Jahrhunderte (MDJ). Vor dem Hintergrund der aktuell großen gesellschaftlichen Herausforderungen haben sie sich gefragt, was die Künste zu deren Bewältigung beitragen könne.
Neue Perspektiven ermöglichen neue Lösungsansätze. Könnte man zum Beispiel der Polarisierung empathische Aufmerksamkeit oder den Vorwürfen Nachdenklichkeit entgegensetzen? Im Rahmen des Festivals sollte erfahrbar werden, wie neue Perspektiven den Horizont erweitern.
Kompositionspreis und Vanessa Porter
Eröffnet wurde das Eclat-Festival am 31. Januar mit dem Preisträgerkonzert zum Kompositionspreis der Landeshauptstadt Stuttgart. Die Werke von Galindo Quero, Philipp Krebs und Uday Krishnakumar verbindet eine große musikalische Imaginationskraft.
Noch am selben Abend machte die vielseitige Schlagzeug-Künstlerin Vanessa Porter inmitten des Publikums die Körperlichkeit von Schlagzeug-Klängen erlebbar.
Performance-Installation „Invisible Threads“
Die Performance-Installation „Invisible Threads“ des Briten Christian Mason nahm am 1. Februar den ganzen großen Theaterraum mit ihren Klängen ein.
Das besondere Augenmerk des Komponisten galt den „Momenten kollektiver Konzentration“.
Raum-Klang-Setting „NUT l LAC 4“
Am 3. Februar nutzte Maximilian Marcoll die große Leerfläche in der Halle T1 für das Raum-Klang-Setting „NUT l LAC 4“.
Hier veränderten langsam morphende Klangmassen von ebenso langsam veränderten Pulsen die Wahrnehmung der Zeit.
Anna-Maria Hefele beim Eclat Festival Stimme als Doppelinstrument: Der überirdische Klang des Obertongesangs
Obertongesang nennt man es, wenn ein Sänger neben dem Gesang mit seiner Stimme einen zweiten Klang erzeugt. Anna-Maria Hefele tritt am 3.2.2024 beim Eclat Festival Stuttgart auf.
Zyklus „Poetry Affairs“
Das Finale im Raum der Perspektivwechsel gehörte am 4. Februar dem Zyklus „Poetry Affairs“. Das Werk verfolgt das Ziel, die vielfältigen Beziehungen von Musik und Sprache zu beleuchten.
Kuratierte Konzerte des SWR
Zum Perspektivwechsel trugen auch die traditionell vom SWR eingebrachten und kuratierten Konzerte mit dem SWR Symphonieorchester und dem SWR Vokalensemble bei.
Zum Beispiel traf am 2. Februar beim türkischen Komponisten Turgut Erçetin das Neue-Musik-Ensemble Elision nach langer Vorbereitung im „barocken Gewand“ auf das klassisch-romantisch aufgestellte und gestimmte Orchester.
Und bei Michael Reudenbach am 3. Februar drehten sich die Sängerinnen und Sänger in einer minutiös auf Karteikarten notierten Abfolge der Klänge und Bewegungen in alle vier Himmelsrichtungen – ein Perspektivwechsel auf der Bühne, komponiert und choreografiert.
Beiträge rund um das Eclat Festival 2024
Porträt Stimmkünstlerin: Die Obertonsängerin Anna-Maria Hefele singt beim Eclat Festival Stuttgart
„Überirdisch“, „hypnotisch“ - die Musik von Anna-Maria Hefele weckt viele Assoziationen. Sie ist eine Expertin für Obertongesang. Eine Stimmkünstlerin, die mit einem Video von ihrem Gesang viral gegangen ist. Sie setzt sich dafür ein, Obertongesang in der zeitgenössischen Musik weiter zu etablieren und aus der Meditation- und Esoterikecke herauszuholen. Mit dem Stück „Nun Nacht“ von Mia Schmidt zeigt sie gemeinsam mit dem SWR-Vokalensemble, welche ungeahnten Kunststücke unsere Stimme vollführen kann.
„Eclat“-Festival 2024 in Stuttgart Deutsche Erstaufführung: „Don Quixote Concerto“ von Franck Bedrossian
Lydia Jeschke, künstlerische Leiterin der SWR JetztMusik-Konzerte beim „Eclat“-Festival, stellt das Orchesterwerk „Don Quixote Concerto“ von Franck Bedrossian vor, das 2024 zur deutschen Erstaufführung kommt.
Konzerte von vergangenen Eclat-Ausgaben
SWR Web Concerts SWR Vokalensemble & Trio Greifer beim ECLAT Festival 2021
Uraufführungen von Enno Poppe, Marco Döttlinger, Wolfgang Motz und Leopold Hurt. Livemitschnitt aus dem Theaterhaus Stuttgart vom 4. Februar 2021.
SWR Vokalensemble bei ECLAT Geht nicht, gibt's nicht
Auf dem Weg zu einer eigentlich unmöglichen Uraufführung wurde im SWR-Funkstudio auf Hebräisch geflüstert, gemurmelt und – wenn es der Komponist will – auch mal ein Ton gezielt "verunreinigt". Das SWR Vokalensemble und der Dirigent Rupert Huber haben in nur fünf Wochen ein Werk einstudiert, das lange Zeit quasi als unaufführbar gegolten hatte: Claus-Steffen Mahnkopfs "voiced void" wurde am 3.2., beim ECLAT Festival Neue Musik Stuttgart aus der Taufe gehoben.
Der Komponist Bernhard Gander Totenwacht
Death Metal oder avantgardistische E-Musik? Eine unnötige Frage für Bernhard Gander. Der Komponist entzieht sich jedem Klischee, außer vielleicht dem, dass er als Wahlwiener einen gewissen Hang zum Morbiden hätte. Auf einem Friedhof spricht er über sein neues Werk "Totenwacht", das vom SWR Vokalensemble beim Festival ECLAT in Stuttgart uraufgeführt wurde.