'entweder – oder': Komponist oder Maler, Poet oder Bildhauer, Essayist oder Medienkünstler, Performer oder Klangkünstler... Alles, so scheint es, verläuft gemäß den Spezialisierungen unserer Zeit. Gilt doch horizontale Spezialisierung seit langem als Ideal der Arbeitsordnung, als Insigne des Fortschritts, als Voraussetzung der Automatisierung, Radikalisierung und Ökonomisierung der Gesellschaft – auch der Künste. 'Minimale Anstrengung, maximales Resultat.' Das wusste bereits vor knapp 100 Jahren Wassily Kandinsky. Für ihn war das 19. Jahrhundert eines der Absonderung, Spezialisierung, Fragmentierung und Segmentierung: des 'Entweder – Oder'. Das 20. Jahrhundert gilt für ihn in der Kunst – trotz der rasch weiter fortschreitenden Autonomisierung aller Lebens- und Gesellschaftsbereiche – als eines des 'Und', des Neubeginns der synthetischen Künste.
Mit dem Computer, dieser Universalisierungsmaschine unserer Zeit, verfügen wir über ein elementares Werkzeug, um alle medialen Daseinsformen, unabhängig ihres inhaltlichen Wertes, zu disponieren und damit die Re-Integration der Disziplinen und die Ent-Differenzierung der Gesellschaft und der Künste voranzutreiben. Dennoch ist Spezialisierung in der Musik auch in unserer digitalen Welt keine ferne Erinnerung, sondern unabdingbare Voraussetzung für Höchstleistungen. Das mag einem gewissen Beharrungseffekt geschuldet sein, vor allem aber in der Natur der Sache liegen.
Die Donaueschinger Musiktage konzentrieren sich in diesem Jahr vorrangig auf Vertreter, die sich über ihr musikalisches Tun hinaus auch in anderen Metiers äußern und von den Wechselbeziehungen der Disziplinen profitieren. Im Zentrum steht dabei nicht die große neue Welt hybrider oder transdisziplinärer künstlerischer Produkte als vielmehr solche, die durchaus auf die Autonomie der jeweiligen Kunstsparte setzen. Neben den üblichen Konzerten, Installationen und Performances sind Lesungen, Film- und Videovorführungen und eine Ausstellung geplant, die gemeinsam mit dem Kunstmuseum des Erzbistums Köln, Kolumba, erarbeitet wird.
Kompositionsaufträge ergingen an: Peter Ablinger, Ondřej Adámek, Friedrich Cerha, Renald Deppe, Pascal Dusapin, Brian Ferneyhough, Hanspeter Kyburz, Michael Lentz, Kryštof Mařatka, Ole Henrik Moe, Chris Newman, Brice Pauset, Josef Anton Riedl, Wolfgang Rihm, François Sarhan, Salvatore Sciarrino, Simon Steen-Andersen, Chiyoko Szlavnics, Jennifer Walshe, Hans Zender u.a. Neben dem SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, dem SWR Vokalensemble und dem Experimentalstudio des SWR werden u.a. die Nobelpreisträgerin Herta Müller, das Ensemble Modern und das Klangforum Wien Gäste des Festivals sein.
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