Rachel Eliza Griffiths erzählt fesselnd vom Rassismus in den USA der ausgehenden 50er Jahre. „Versprechen“ und Realität klaffen weit auseinander. Eine bewegende Geschichte von Mut und Selbstermächtigung, leider immer noch hoch aktuell.
Familie Kindred lebt an der Küste Neuenglands. Eine von nur zwei schwarzen Familien im Dorf Salt Point: zwei traumatisierte Eltern, zwei heranwachsende Töchter, Ezra und Cynthia, fern vom rebellischen Süden. Aber unter der Oberfläche brodelt latente Gewalt.
„Mund zu, Augen auf“, ist die Devise des Vaters. Denn:
„Sie“, das sind die Weißen: mißtrauische Fischer, die rassistische Lehrerin, der aggressive Polizist, der in seiner Machtlosigkeit mit der Pistole droht, Ruby, das vernachlässigte Mädchen, das, manipuliert und vom Leben betrogen, von der Freundin zur Rivalin wird, und ihr Vater, der im Suff versinkt.
Die Weißen als Opfer ihres eigenen Rassismus
Die Weißen sind Opfer ihres eigenen Rassismus. Ihnen gegenüber: Die aufrechten Kindreds und ihre Schwarzen Freunde, die Junketts, mit dem Mut und den tröstlichen Mahlzeiten von Miss Irene. Und von fern: die Ahnen. Ein reiches Figurenensemble, skizziert im Herbst 1957 und in Rückblenden. Sie selbst stecke in den Figuren und viele Frauen, die sie traf und fiktionalisierte, sagt Rachel Eliza Griffiths.
I think my personality is in all of them and they are also a gathering, fictionalized of course, many women's stories, that I encountered as a little girl and as I grew up. (Rachel Eliza Griffiths)
Cynthia hält das Personal zusammen, die jüngere Kindred-Tochter, die sich in der Gefahr an ihren Stift klammert wie an ein rettendes Ruder. Eine kindliche, aber auktoriale Ich-Erzählerin, die in Visionen sieht, wie ihr Urgroßvater vom Ku-Klux-Klan in der Kirche ermordet wurde.
Die blutige Geschichte der Schwarzen in Amerika
Erzählungen des Vaters sind in Cynthia lebendig, Traumata werden vererbt. Die blutige Geschichte gehört zur DNA der Schwarzen Amerikas. Immer wieder bringt Rachel Eliza Griffiths das Wort „Blut“ ins Spiel. Weißes Blut, kann ein Privileg sein, sagt sie.
Das Wort Blut hat aber auch mit der Beziehung von Amerika und der Sklaverei zu tun. Die Gewalt der Sklaverei, die Sprache, die verwendet wurde, das Blut, das in die Erde, ins Land, in die Bäume fließt, ist wie ihre Blutlinie, ihre Familie, ihre Abstammung, wer sie sind, und das fühlt sich für mich, in Bezug auf Amerika, sehr spezifisch an. (Rachel Eliza Griffiths)
Es ist das Ende des Sommers, der Kindheit, das Ende des Schweigens und der Beginn der Bürgerrechtsbewegung, als Schwarze Kinder auf dem Schulweg Polzeischutz brauchen. Aus dem Radio tönt die Stimme von Martin Luther King, und Präsident Eisenhower stärkt mit dem Civil Rights Act das Wahlrecht der Schwarzen Amerikaner.
Die Nation ist gespalten, wie heute. „Nigger werden abgeknallt“, schreibt Rachel Eliza Griffiths, verwendet das N-Wort als historischen Begriff, sieht ihr Debüt aber nicht als historischen Roman.
Hängen heute noch Menschen an Bäumen? Es ist vielleicht nicht mehr wie früher, aber es gibt immer noch Bäume, an denen Leute aufgehängt werden. Soziale Medien können solche Bäume sein. (Rachel Eliza Griffiths)
Fesselnde Geschichte von Mut und Selbstermächtigung
Was das opulent erzählte Familiendrama so eindringlich, mitunter auch sentimental, macht, sind originelle poetische Bilder der Dichterin, für die Poesie und Prosa ineinanderfließen. Die Psychogramme in den Zwischenkapiteln von „Promise“/ „Was ihr uns versprochen habt“ zeigen die Kluft zwischen Versprechen und Realität; „Versprechen“, ein intimes wie öffentliches, politisches Wort, überlagert von Traumata und Geschichten des Überlebens.
Die ältere Schwester sagt: Cynthia, versprich mir, dass du dein Leben lieben und leben wirst, dass du am Leben bleibst, versprich mir das, auch wenn wir uns nie wiedersehen. Das ist eine kraftvolle und andere Art, das Wort zu verwenden. Dass sie ihrer Schwester nichts versprechen kann, weiß sie, aber sie kann ihre Schwester bitten, ihr eigenes Leben und ihre Liebe zueinander zu ehren, das ist ihre Waffe, ihre Rüstung, deshalb geben sie nicht auf. (Rachel Eliza Griffiths)
Wir haben heute verlernt, einander zuzuhören, sagt Rachel Eliza Griffiths und ist weniger optimistisch als früher. Sie setzt auf Kamala Harris. Und sieht ihren Debütroman selbstbewußt in der Tradition einer Toni Morrison, eines James Baldwin oder Aimé Césaire. „Was ihr uns versprochen habt“ ist ein Pageturner, eine fesselnde, manchmal auch pathostrunkene Geschichte von Mut und Selbstermächtigung. Einen Fan hat Eliza Griffiths längst: ihren Mann, Salman Rushdie.
Er liebt meinen Roman. Ich glaube, er war erleichtert, als er den Entwurf las, weil ich sagte: „Wenn dir mein Roman nicht gefällt, funktioniert das nicht (lacht), dann können wir nicht so zusammenleben.“ Er ist einer meiner größten Cheerleader und Unterstützer. (Rachel Eliza Griffiths)