Was ist eigentliche „afrikanische Kunst?“ Der Ethnologe und Kunsthistoriker Peter Probst gibt auf diese Frage profunde Antworten. Die Themen reichen von afrikanischer Volkskunst, die im Zeitalter des Kolonialismus in großen Mengen nach Europa und in die USA transferiert wurde, über das ethnologische Interesse des Westens bis zur Gegenwart. Erst hier erlangen Künstlerinnen und Künstler das Selbstbewusstsein, eigenständige Werke zu gestalten.
„Afrika“ – das meint Länder wie Senegal, Nigeria, Angola oder Südafrika. Mit „Kunst aus Afrika“ ist zudem die langjährige und düstere Geschichte des Kolonialismus mitgemeint.
Der Ethnologe und Kunsthistoriker Peter Probst liefert in seinem Buch „Was ist afrikanische Kunst? Eine kurze Geschichte“ einen Überblick. Und das Wort „kurz“ ist relativ zu bewerten. Denn immerhin hat sein Buch 337 Seiten mit 92 Abbildungen.
Eine Gesamtschau von späten 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Das, was Peter Probst mit seinem Buch liefern will, ist eine in die Tiefe gehende Gesamtschau: Der erste Teil dieses Buches behandelt die Periode vom späten neunzehnten Jahrhundert bis zum Zweiten Weltkrieg, in der die afrikanische Kunst sowohl von ethnologischem Interesse war als auch zum musealen Sammlerobjekt avancierte.
Teil zwei beschreibt die Nachkriegszeit bis in die 1980er Jahre, wobei die zeitgenössische Kunst aus Afrika – zögernd, aber doch – ins Blickfeld rückt. Der dritte und letzte Teil untersucht das Aufkommen der postmodernen und postkolonialen Theorien, die zu einem eigenständigen Bewusstsein afrikanischer Künstlerinnen und Künstler hinsichtlich ihrer Kreativität, Produktion und Tradition geführt haben.
Afrikanische Kunst und Kolonialismus
Die Ausbeutung Afrikas durch den Kolonialismus ist die eine, tragische Seite. Die andere ist das ethnologische und kunsthistorische Interesse an afrikanischer Kunst durch die Europäer. Ein schönes Beispiel, das Probst anführt, ist das Königliche Museum in Berlin: Im Gründungsjahr 1873 bestand die Afrika-Sammlung aus 875 Objekten.
Und bis 1914 umfasste die Sammlung über 55.000 Objekte. Dieses Interesse zeigte sich auch bei zeitgenössischen Künstlern: Pablo Picasso hatte eine eigene Sammlung und in vielen seinen Bildern kann man Motive afrikanischer Kunst aufspüren.
Nur eines macht Peter Probst auch klar: Das Interesse galt der Tradition afrikanischer Kunst, also dem Kunsthandwerk als Kultobjekt.
Afrikanische zeitgenössische Kunst als selbstbewusste Manifestation
Erst in den 1970er Jahren stieg in Europa und den USA das ernsthafte Interesse an „neoafrikanischen“, also zeitgenössischen Kunstformen. Damit stärkte sich auch das Selbstbewusstsein afrikanischer Künstlerinnen und Künstler.
Yinka Shonibare, nigerianisch-britischer Abstammung und in den Bereichen Skulptur, Fotografie, Malerei und Installation tätig, hat es in einem ironisch-provokativen Statement auf den Punkt gebracht:
Mit seinem Buch „Was ist afrikanische Kunst?“ leistet Peter Probst einen kaum zu unterschätzenden Beitrag. Auf der einen Seite hat er stets den geschichtlich-sozialen Raum im Blick, in dem afrikanische Kunst sichtbar wird.
Andererseits liefert er eine detaillierte Übersicht zu zeitgenössischen Kunstmanifestationen, die in immer stärkerem Maße von kreativer Eigenständigkeit zeugen. Wer über Kunst aus Afrika mehr wissen möchte, wird an Peter Probsts „Was ist afrikanische Kunst?“ nicht vorbeikommen.
Mehr Literatur über Afrika und Kolonialismus
Kurzkritik Zeinab Badawi – Eine afrikanische Geschichte Afrikas
„Wir alle stammen aus Afrika, und daher ist dies ein Buch für uns alle.“ – Mit diesem Satz beginnt „Eine afrikanische Geschichte Afrikas“, ein Buch von Zeinab Badawi.
Eine Kurzkritik von Katharina Borchardt
Buchkritik Dipo Faloyin – Afrika ist kein Land
Über Afrika kursieren viele Stereotype und falsche Vorstellungen. Ihnen setzt der nigerianische Journalist Dipo Faloyin jetzt sein informatives und unterhaltsames Buch „Afrika ist kein Land" entgegen: ein genauer und realistischer Blick auf den Kontinent.
Rezension von Gaby Mayr.
Aus dem Englischen von Jessica Agoku
Suhrkamp Verlag, 400 Seiten, 20 Euro
ISBN 978-3-518-47320-7
Buchkritik Howard W. French – Afrika und die Entstehung der modernen Welt. Eine Globalgeschichte
Howard W. French beleuchtet ein halbes Jahrtausend blutgetränkter transatlantischer Beziehungen und weist Afrika seinen zentralen Platz in der Geschichte der Moderne zu.
Rezension von Roman Kaiser-Mühlecker.
Aus dem Englischen von Karin Schuler, Thomas Stauder und Andreas Thomsen
Klett-Cotta Verlag, 512 Seiten, 35 Euro
ISBN 978-3-608-98667-9