Ein junger Mann will Schriftsteller werden, doch das Geld ist knapp. Hungrig irrt er durch seine Heimatstadt Christiania, immer auf der Suche nach Brot und Aufträgen. Knut Hamsuns Roman von 1890 gilt als einer der ersten modernen Romane. Jetzt liegt eine neue Übersetzung vor.
Lesetipp von Alexander Wasner.
Als ich von Knut Hamsuns Roman „Hunger“ das erste Mal gehört habe, das war vor 40 Jahren ums Abitur. Ich hatte fest vor, in der Künstlerszene, damals sagte man Bohème dazu, zu leben, was ich mir so ähnlich vorstellte wie in der Gosse zu landen, nur cooler und schlauer.
Da erzählte mir jemand von Hamsuns Hunger, sozusagen als Warnung. Im Buch versucht der Ich-Erzähler in Christiania als Feuilletonschreiber zu landen. Aber zum Schreiben kommt er nicht, denn er hat Hunger. Geld ist alle, längst sind die Besitztümer beim Pfandleiher. Er versucht noch, verzweifelt die Weste zu versetzen und die Bettdecke und die Knöpfe seiner Jacke. Natürlich ist Winter in Dänemark. Aber der Held will nun mal partout Journalist werden und dafür muss er gute Artikel über seltsame Themen schreiben, Katholizismus im Mittelalter und sowas. Wie schreibt man mit einem riesigen knurrenden Loch im Magen?
Der Held lässt sich nicht unterkriegen. Merkwürdigerweise ist in Knut Hamsuns Buch selbst die schlimmste Verzweiflung nie auch nur die Spur depressiv. Er zeckt sich ein in einer Pension namens Vaterland, hat Förderer, die ihm mal eine Krume zuwerfen.
Stattdessen ist diese Erzählung ganz nah an den Gemütszuständen des Helden – und die sind immer grimmig entschlossen, vom Schreiben zu leben. Klappt aber nicht, man spoilert bei großen Romanen nichts, wenn man das Ende verrät: Der Held schmeißt den Bettel hin und geht zur See.
Knut Hamsun hat sich mit dieser ersten großen Erzählung in die Weltliteratur eingeschrieben. Angeblich kannte er den Hunger, von dem er schrieb, hatte ihn erlebt nach Jahren als Schäfer und Kaufmannslehrling. Später bekam Hamsun den Literaturnobelpreis – und geriet dann fürchterlich auf Abwege, als er für die Nazis warb. Ein absurdes Fehlurteil, natürlich hätte Hitler Außenseiter-Helden wie seine nicht gerettet sondern weggesperrt. Aber Hamsuns Ruf hat das nachhaltig geschadet – und trotzdem Menschen wie Astrid Lindgren, Maxim Gorki und jetzt auch Felicitas Hoppe nicht davon abgehalten , sich vehement für ihn einzusetzen. Jetzt sind seit seinem Tod 70 Jahre vergangen, die Werke sind gemeinfrei geworden und können, wenn man eine neue Übersetzung anfertigt, umsonst verlegt werden.
Und das tut der Manesseverlag mit der neuen Übersetzung von Ulrich Sonnenberg. Die ist sehr schön, toller Umschlag, tolle Schrift, die Übersetzung ist gut, vielleicht nicht spektakulär besser als vorher, aber: Sie ist vollständig, erweitert um einige erotische und atheistische Reden des Helden, die Hamsun später als Nationalist gestrichen hat. Also ich finde: Knut Hamsun kann man wiederentdecken.