Der Film „Comandante" fiel 2023 bei der Kritik durch: zu pathetisch! Mit ihrem zeitgleich entstandenen Roman aber haben Edoardo de Angelis und Sandro Veronesi eine Erzählung vorgelegt, die weniger dick aufträgt: Ihr Roman „Comandante" erinnert daran, dass auf See höhere Gesetze gelten als Phrasen von Pflichterfüllung und Vaterland. Ein Roman, der die Unmenschlichkeit und die Sinnlosigkeit aller Kriege in Erinnerung ruft.
Der Film erntete Verrisse: Die Kritiker sprachen von schwacher Dramaturgie, von einem Kotau vor pathetischer Heldenverehrung, von einem ‚Netflix-Fehlgriff‘. Eduardo de Angelis und Sandro Veronesi aber machten zeitgleich einen Roman aus diesem Stoff – und der ist deutlich besser geraten als ihr Film. Die Handlung basiert auf einer wahren Begebenheit: Im Oktober 1940 versenkt das italienische U-Boot Cappellini im Atlantik einen belgischen Frachter. Kapitänleutnant Salvatore Todaro sieht, dass sich Männer vom Schiff ins Wasser retten konnten. Todaro ringt mit sich: Ein Befehl des deutschen Vizeadmirals Karl Dönitz hat verboten, anzuhalten, um diese Männer zu retten; denn damit brächte man das eigene U-Boot in Gefahr. Aber Todaro sieht die Todgeweihten vor sich.
Italienisches U-Boot nimmt 1940 belgische Schiffbrüchige auf
Todaro nimmt die 26 Schiffbrüchigen an Bord. Er will sie zu den nahegelegenen Azoren bringen. Sein verwundbares U-Boot schwebt jetzt allerdings in höchster Gefahr, denn es kann nicht mehr ohne weiteres tauchen. Zwei Tage später passiert es: Britische Schiffe haben die Cappellini entdeckt und eröffnen das Feuer. Da appelliert Todaro in einem Funkspruch an die Gegenseite, nicht weiter zu schießen. Er habe Schiffbrüchige an Bord. Jetzt kommt alles an auf den britischen Befehlshaber.
Die historische Geschichte erinnert an heutige Flüchtlinge
Die Cappellini schafft es zu den Azoren, die 26 Schiffbrüchigen sind gerettet.
An diese Geschichte dachte Filmemacher Edoardo De Angelis, als er immer wieder von vielen in Seenot geratenen Flüchtlingen im Mittelmeer hörte. Die Erzählung nimmt auf die heutigen Dramen im Mittelmeer keinerlei direkten Bezug. Humanistisches Denken jedoch spielt in Comandante eine wichtige Rolle. Kurz nachdem die Cappellini den britischen Kriegsschiffen entkommen ist, blitzt im Boot gar etwas auf wie Gemeinsamkeit zwischen den Männern aus verfeindeten Ländern.
Als Erzähler haben De Angelis und Veronesi den euphorischen Taumel gekonnt in eine Szene gekleidet, in der der schiffbrüchige Belgier Jacques Reclerq dem U-Bootkoch Giggino ein noch ganz und gar unbekanntes Rezept verrät: frittierte Kartoffeln, auch Pommes Frites genannt. Die ganze italienische Mannschaft ist hellauf begeistert, die Belgier fühlen sich wie zuhause; und Giggino ärgert sich nur über eins: dass die Italiener nicht selbst auf so eine leckere Beilage gekommen sind.
Menschlichkeit überzeugt mehr als italienischer Edelmut
Das Buch ist also ein Kriegsroman, der für Menschlichkeit plädiert. Etwas fade-nationalistisch geraten ist allerdings Todaros Antwort auf die Frage des Frachterkapitäns, warum er die belgischen Schiffbrüchigen gerettet habe: ‚Weil wir Italiener sind.‘ Immerhin hat nur dreißig Seiten zuvor der Obersteuermann beklagt, dass viele von der Besatzung Todaros Humanismus nicht verstehen könnten. Die Hymne auf italienischen Edelmut ist also fadenscheinig.
Doch gleich, womit Todaro sein Tun begründet – diesen Roman durchzieht die Erinnerung an ein uraltes Gesetz der Seefahrt: dass man einander beisteht gegen die tödliche Gewalt des Meeres. Und genau darum geht es Autor Sandro Veronesi auch in seinem Vorwort zum Roman: Wenn Todaro sich und seine Männer zwei Tage lang in akute Lebensgefahr gebracht habe, um 26 Schiffbrüchige zu retten, dann könne man es heute nicht rechtfertigen, wenn man Hunderte Flüchtlinge auf dem Mittelmeer umkommen lasse.
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